Es klingelt im Hintergrund. Zurück in die Klasse? Marcus Müller verneint, "das war nur das Pausenläuten". Er habe noch ein wenig Zeit zum Erzählen. Jetzt ist er wieder vor Ort, in der Mittelschule in der Baldestraße. Im März sah das anders aus - als der Lockdown kam, musste auch Müller aus dem Lehrer- in sein Wohnzimmer umziehen.
Zu diesem Zeitpunkt unterrichtet er eine zehnte Klasse, eine Abschlussklasse also. Im Unterschied zu seinem Kollegium allerdings ist Müller damals der erste und vorerst einzige, der verhältnismäßig normal weiterhin Unterricht abhalten kann - über seine eigene Website. Seine Erfahrungen mit digitalen Unterricht und Tipps für Lehrkräfte hat er nun in einem Buch zusammengefasst. Der Ratgeber "E-Teaching leicht gemacht" ist gerade vor einigen Tagen im AOL-Verlag erschienen.
Alles begann mit dem Laufen. Da sei ihm die Idee mit der Website gekommen, erzählt Marcus Müller, zuhause habe er sich dann gleich hingesetzt und angefangen zu arbeiten. "Das war eigentlich meine private Website", erzählt der Lehrer, er habe sie aber nie wirklich gebraucht und dann innerhalb weniger Tage zum Unterrichtsmedium umfunktioniert. "Das war anfangs ein Provisorium, mittlerweile habe ich alles weiter ausgebaut und professionalisiert."
Marcus Müller, der als Praktikumslehrer angehende Lehrkräfte der LMU München mit in seinen regulären Unterricht nimmt, ist Autodidakt in Sachen Technik. "Ich bin kein Programmierer", sagt er, "aber der Meinung, dass eigentlich jeder, der sich ein bisschen mit Computern auskennt, mithilfe verschiedener Bausteine eine Website erstellen kann."
Wichtig bei seinem System sei ihm vor allem eins gewesen: Die Unabhängigkeit von anderen Plattformen. Das bekannte Schüler- und Lehrer-Portal Mebis etwa sei ständig überlastet gewesen, so der Ebersberger, noch dazu finde er es nicht sehr benutzerfreundlich. "Bei Microsoft Teams weiß man nicht, ob das Programm weiter vom Kultusministerium unterstützt wird, außerdem scheitern viele Schüler schon bei der Aktivierung dieser Plattform." Seine Lösung also: "Ein System, das einen niederschwelligeren Zugang erlaubt."
Jeder der 27 Schüler kann immer gleich direkt nachfragen
Auf seiner Website sei keine komplizierte Eingabe von Zugangsdaten notwendig, so Müller. "Die Schüler begeben sich auf die Seite und gelangen dort über einen Link in einen digitalen Raum." Die Website könne dabei mit einem Passwort geschützt oder verschlüsselt werden. Der Vorteil für Lehrkräfte? "Sie können ihre Website auch bei einem Schulwechsel mitnehmen", sagt der 46-Jährige.
Natürlich habe es auch bei seinen Schülern anfangs Probleme mit der Technik gegeben, "da fehlten mal Kopfhörer, oder das Signal war schlecht", so Müller, der mit seiner zehnten Klasse im Frühjahr jeden Tag von 9 bis etwa 13 Uhr Synchronunterricht abgehalten hat. "Das heißt, jeder der 27 Schüler kann immer gleich direkt nachfragen, wenn er oder sie etwas nicht verstanden hat. Entweder über einen Chat oder das Mikrofon." Es habe auch Jugendliche gegeben, die sich das mobile Endgerät mit den Eltern teilen mussten, die sich ebenfalls im Homeoffice befunden haben. "Aber im Großen und Ganzen hat alles gut geklappt", bestätigt der Ebersberger. Das habe auch eine anonyme Umfrage unter seiner Schülerschaft gezeigt.
Die Erfahrungen, die Müller in den Wochen des Lockdown mit dem Distanzunterricht per Website gemacht hat, sind nun in seinem neuen Buch "E-Teaching leicht gemacht" zu finden. Die Zielgruppe: Gleichgesinnte. "Das Buch richtet sich an alle Lehrerinnen und Lehrer, die ihren Unterricht digitaler gestalten wollen", sagt Müller. Neben Anleitungen zur Installation einer Homepage gibt es Checklisten und Vorlagen und Tipps zu Datenschutz, Programmen und digitalen Anwendungen.
Seit September unterrichtet der Studienrat eine siebte Klasse. Im echten Klassenzimmer im Schulhaus zwar, aber mittlerweile trotzdem mit viel Technik und in Verbindung mit seiner Website. "Hybrides Lernen", nennt Müller das. "Man kann online immer einen Wochenplan einsehen, und auch Schüler, die krank oder in Quarantäne sind, kriegen auf diese Weise Arbeitsmaterial." Live zuschalten könne man diese aber leider nicht, so der Lehrer, dazu fehle Wlan und Ausrüstung in der Schule.
Dafür gebe es jetzt aber 30 Laptops in der Mittelschule Ebersberg, die bei Bedarf von der Schülerschaft ausgeliehen werden können. Falls die Schulen also doch wieder schließen, so Müller, trete er dem entspannter entgegen. "Weil ich jetzt weiß, dass ich meinen Stoff online vermitteln kann." Er wünsche sich aber selbstverständlich trotzdem, dass es nicht wieder so weit kommt. "So ist man als Lehrer näher am Schüler dran."