Ebersberg:Lange dabei und noch nicht genug

Schurer und Lenz in Assling Schule

Der Stundenplan von Ewald Schurer ist voll, Pausen gibt es in den Sitzungswochen kaum. Im Wahlkreis nimmt sich der 63-Jährige gern Zeit für Besuche in Schulen - in diesem Fall gemeinsam mit seinem CSU-Kollegen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Insgesamt 16 Jahre ist Ewald Schurer schon Abgeordneter. Nun bewirbt sich der Sozialdemokrat um die fünfte Amtszeit

Von Johanna Feckl, Ebersberg

16 Jahre Bundeshauptstadt hinterlassen Spuren bei einem gebürtigen Ebersberger. "Wenn ich morgens in Berlin zum Bäcker gehe, bestelle ich Schrippen und keine Semmeln", gibt der Direktkandidat der SPD Ewald Schurer zu. Der 63-Jährige tritt für seine fünfte Amtszeit im Bundestag an. Bei der SPD-Bundeswahlkreiskonferenz in Markt Schwaben vor beinahe einem Jahr befürworteten alle stimmberechtigten Delegierten seine Kandidatur. "Das ist natürlich motivierend."

Fremdeln lag Schurer im hohen Norden bislang immer fern. In einem Berliner Spätkauf um 22 Uhr noch Milch besorgen - das ist doch prima! In seinem oberbayrischen Wahlkreis gibt es solche Annehmlichkeiten nicht. Das empfindet der Vater von vier Kindern aber nicht als schlimm. "Man muss einfach nur in der Lage sein, sich auf die Unterschiede einzustellen", lautet Schurers Geheimrezept.

Das gilt auch, wenn es um die Eigenheiten und Bedürfnisse von Menschen geht. Zurückblickend auf seine 16 Jahre als Bundestagsabgeordneter ist sich Schurer sicher: "Die Bürgerinnen und Bürger waren gegenüber der Politik noch nie so kritisch wie jetzt, und zwar parteiübergreifend." Gleichzeitig seien die Leute in Gesprächen aber nicht mehr so aggressiv wie noch zu seinen Juso-Zeiten in den 70er- und 80er-Jahren. "Man muss die Menschen mit ihrem Grant ernstnehmen", das ist ihm wichtig. Für ihn bedeutet das eine große Duldsamkeit, denn viele müssten sich erst einmal ausschimpfen, bevor es dann einen tatsächlichen Dialog geben kann.

In Zeiten von SPD-Umfragetiefs legt Schurer besonders viel Wert auf einen persönlichen Kontakt zu den Bürgern. "Bescheiden", beurteilt Schurer die aktuellen Werte knapp. "Das tut schon ein bisschen weh, ich kann da nichts schönreden." Er würde seine Partei auf Bundesebene gerne bei 30 Prozent sehen. Sechs Prozent liegen zwischen Schurers Wunsch und der aktuellen Realität. "Es ist der Bundes-SPD dieses Mal nicht gelungen, zwei oder drei Topthemen für ihren Wahlkampf zu nennen", kritisiert er seine Partei.

Die eher beschaulichen Zuspruchswerte der SPD als eine der Volksparteien ändern für Schurer nichts daran, dass sie auch in der bevorstehenden Legislaturperiode wieder eine Regierungsfunktion haben sollte. Selbst in der Konstellation einer großen Koalition zusammen mit CDU/CSU, wie in der bestehenden Bundesregierung? "Also, da schluck ich mehrmals." Schurer wird still, er überlegt. Lange. Konkreter äußert er sich zum Szenario einer schwarz-roten Regierung nicht.

Als es im Jahr 2013 um das Direktmandat des Wahlkreises Erding-Ebersberg ging, unterlag Schurer dem CSU-Kandidaten Andreas Lenz. Mit 55,4 Prozent der Wählerstimmen zu 19,11 Prozent entsprach das damalige Ergebnis dem traditionell CSU-geprägten Bayern. "Ein Sozialdemokrat ist in Bayern ja nicht so verwöhnt", sagt Schurer und lacht. Trotzdem ist er seit 1972 Parteimitglied - aus Überzeugung. Schurer war 14 Jahre alt, als seine Begeisterung für die SPD begann. Damals besuchte er die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau und erfuhr, dass die Sozialdemokraten als eine der wenigen Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet haben. "Diese Historie der Partei hat mich fasziniert." Er ist sich sicher, dass die sozialdemokratischen Prinzipien das Richtige für ihn sind.

Dennoch gibt es bei Schurer auch immer wieder Phasen, da ist er überhaupt nicht zufrieden mit der Parteiführung. Etwa bei der Gesundheitsreform unter der damaligen SPD-Ministerin Ulla Schmidt im Jahr 2002, oder im Mai dieses Jahres, als die SPD zusammen mit den Koalitionspartnern eine weitere Verschärfung des Asylrechts beschloss. Schurer stimmte dagegen. "Diese Partei-Entscheidungen stehen meinen Grundüberzeugungen entgegen." Dass er an ihnen auch dann festhält, wenn das Gros seiner Genossen eine andere Linie verfolgt, habe ihn bislang nicht unbedingt zu "Everybody's Darling" gemacht, gesteht er.

Im Bundestag ist Schurer bislang ordentliches Mitglied im Haushaltsausschuss, in dieser Legislaturperiode im Bereich Arbeit und Soziales. Es sei "ein Glücksfall", dass er schon so lange Haushaltsausschussmitglied ist, erzählt er. Als er 1998 das erste Mal in den Bundestag einzog, war im Ausschuss eine Stelle vakant, die man mit einem Experten aus der Privatwirtschaft besetzen wollte. Schurer ist Diplom-Betriebswirt und hat viele Jahre in diesem Beruf gearbeitet, bevor er Vollzeitpolitiker wurde. Deshalb empfahl man ihn für die Position. "Das war eine große Ehre für mich." Gerne möchte Schurer auch die kommenden vier Jahre Mitglied im Haushaltsausschuss bleiben.

Der einzige Nachteil am Haushalt: "Die Sitzungen dauern hier immer am längsten." Sechs bis acht Stunden sind da guter Durchschnitt. In der Abschlusssitzung im Herbst werden es meistens bis zu 16 Stunden, immer inklusive Vor- und Nachbereitung von etwa zehn Stunden. Andere Ausschüsse würden ihre Themen in zwei bis vier Stunden behandeln, sagt Schurer.

So kommt der 63-Jährige schnell auf eine 60-Stunden-Arbeitswoche, wenn er in Berlin ist. Sind keine Sitzungswochen im Bundestag, ist er in seinen Wahlkreisbüros in Ebersberg und Erding, zusammengenommen etwa die Hälfte eines Jahres. Dort sind seine Tage meistens mit noch mehr Arbeit vollgepackt. "Das muss man mögen", sagt Schurer. Und das scheint er zu tun. Er betont aber, dass solche Arbeitszeiten üblich seien in seiner Funktion; keinesfalls sei er da etwas Besonderes.

Die Fähigkeit zu großem Engagement zieht sich durch Schurers Leben hindurch. 1972 schloss er eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ab. Danach arbeitete er zwei Jahre bei BMW, bevor er sein Abitur nachholte und Betriebswirtschaftslehre studierte. "Das war harte Arbeit, darauf bin ich schon stolz."

Seine Tätigkeiten als Bezirksvorsitzender in Oberbayern und stellvertretender Vorsitzender der Bayern-SPD beendete er in diesem Jahr - nicht ganz freiwillig. Im Mai wählte die Oberbayern-SPD Schurer nach 14 Jahren im Amt nicht erneut zu ihrem Vorsitzenden. Als Bundestagsabgeordneten wollen ihn die Genossen aber offenbar gerne behalten: Mit dem fünften Platz auf der SPD-Landesliste ist Schurer ein Einzug in den Bundestag auch ohne Direktmandat so gut wie sicher. Das ändert aber nichts an seinem Einsatz im Wahlkampf. Seinen Fokus legt er dabei auf die Themen bezahlbarer Wohnraum und gerechte Löhne.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: