Günstige WohnungenHilferuf von der Baustelle

Lesezeit: 4 Min.

An der Dorfstraße in Vaterstetten sollen 152 günstige Wohnungen entstehen – ob es damit was wird, ist derzeit sehr unklar. Auch andere Wohnungsbauprojekte im Landkreis stehen auf der Kippe.
An der Dorfstraße in Vaterstetten sollen 152 günstige Wohnungen entstehen – ob es damit was wird, ist derzeit sehr unklar. Auch andere Wohnungsbauprojekte im Landkreis stehen auf der Kippe. (Foto: Christian Endt)

Die Regierung von Oberbayern hat die Wohnungsbau-Förderung massiv zusammengekürzt. Der Landkreis Ebersberg und mehrere Gemeinden appellieren nun an Markus Söder, wieder mehr Mittel bereitzustellen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Dringlichkeit der Lage kann Poings Bürgermeister Thomas Stark (parteilos) an zwei besonders markanten Zahlen illustrieren: Für die 60 günstigen Wohnungen, die 2022 im Baugebiet Lerchenwinkel fertiggestellt wurden, hatte es 450 Bewerbungen gegeben.

Nun sollen dort erneut sogenannte EOF-Wohnungen entstehen, 108 insgesamt. Die Grundstücke seien erschlossen, die Baugenehmigung erteilt, die Planung fertig und einen Bauherrn gibt es auch – doch dass man im Norden Poings in absehbarer Zeit günstig wohnen kann, scheint dennoch unwahrscheinlich. Denn die Regierung von Oberbayern hat die Wohnungsbauförderung massiv zusammengestrichen. Dagegen regt sich im Landkreis Ebersberg nun Protest: In einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wird gefordert, die Fördertöpfe wieder aufzufüllen.

Neben Thomas Stark haben auch Landrat Robert Niedergesäß, die Bürgermeisterin von Anzing, Kathrin Alte, ihre Amtskollegen Christian Bauer aus Grafing, Leonhard Spitzauer aus Vaterstetten, Piet Mayr aus Zorneding (alle CSU) und Ulrich Proske aus Ebersberg (parteilos) unterzeichnet. Außerdem Brigitte Keller für den Kaufmännischen Vorstand des Landkreiseigenen Wohnbauunternehmens WBE und Manfred Haupt, Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft Ebersberg.

Immobilienmarkt
:Immer öfter laufen Kinder Gefahr, ihr Zuhause zu verlieren

In Ebersberg versucht eine Fachstelle, Obdachlosigkeit zu verhindern, doch das wird zunehmend schwieriger. Über eine alarmierende Entwicklung.

SZ PlusVon Anja Blum

Zentrale Forderung der Resolution, so ist der Brief überschrieben, ist eine Erhöhung der Fördermittel sowohl für die einkommensorientierte Förderung – das betrifft die klassischen Sozialwohnungen – wie auch des kommunalen Wohnraumförderprogramms (KommWFP) des Freistaates. Über letzteres werden vor allem Gemeindewohnungen gefördert, die dann etwa an die eigenen Mitarbeiter vergünstigt vermietet werden können. Außerdem sollen die Wohnungen, wie es in den Förderrichtlinien ausdrücklich heißt, für „Berufsangehörige der Daseinsvorsorge oder zur Gewinnung solcher Berufsangehöriger“ bereitgestellt werden. Dieser Begriff ist sehr weit gefasst, das können Erzieherinnen in Kitas genauso sein wie Mitarbeiter im örtlichen Einzelhandel, Feuerwehrleute, Polizeibeamte und viele mehr.

„Bezahlbares Wohnen ist keine optionale Maßnahme, sondern eine zentrale und gesellschaftliche Aufgabe, die nicht länger aufgeschoben werden darf“, heißt es darum auch in der Resolution. Auch auf die negativen Folgen durch das Fehlen solcher Wohnungen verweisen die Verfasser: „Die soziale Schieflage verschärft sich weiter, da einkommensschwächere Haushalte immer weniger Wohnraum finden. Der geförderte Wohnungsbau ist eine zentrale Säule einer gerechten Wohnungspolitik und einer verantwortungsvollen Stadt- bzw. Gemeindepolitik.“

Das Problem, das in Poing den Bau der dringend benötigten einkommensorientierten Wohnungen verzögert – im schlimmsten Fall verhindert –, kennt man auch anderswo im Landkreis. Etwa in der größten Landkreiskommune Vaterstetten, wo gleichzeitig auch das größte Projekt auf der Kippe steht: Dort plant die Gemeinde in Eigenregie den Bau von 152 günstigen Wohnungen an der Dorfstraße. Etwas mehr als 60 Millionen Euro kalkuliert man dafür, was nur zu stemmen ist, wenn man dafür Fördergeld akquirieren kann.

Dieses Geld, davon war man in der Gemeinde bisher ausgegangen, sollte aus dem KommWFP stammen, gemäß den Förderrichtlinien wären das um die 27 Millionen Euro gewesen. Bereits Ende vergangenen Jahres zeichnete sich allerdings ab, dass es damit Schwierigkeiten geben könnte: Die Regierung von Oberbayern hatte die Gemeinde darüber informiert, dass 2025 insgesamt nur 50 Millionen Euro zu vergeben seien – also weniger als die Hälfte dessen, was allein für das Vaterstettener Vorhaben geplant ist. Der Gemeinderat beschloss damals, das Projekt gewissermaßen auf Sparflamme weiterlaufen zu lassen – auf eigene Kosten. Für 500 000 Euro wurde zumindest die Planung des Rohbaus beauftragt.

Sozialer Wohnungsbau in Vaterstetten
:Kleiner Topf, große Enttäuschung

Vaterstetten wollte mehr als 150 günstige Wohnungen bauen dank eines Förderprogramms des Freistaates – doch es ist weniger Geld da als gedacht. Nun geht die Gemeinde erst einmal in Vorleistung.

Von Wieland Bögel

Dass die Bezirksregierung nun unlängst den Vaterstettenern eine Absage für Fördermittel erteilte, sei für ihn „quasi die Bestätigung“ jener Befürchtungen, die man im Herbst schon hatte, sagt Bürgermeister Spitzauer: Nämlich „dass wir heuer nichts bekommen“. Es bleibe zu hoffen, dass es für 2026 wieder mehr Fördermittel gebe, so Spitzauer weiter, er habe sich vor der aktuellen Resolution auch schon mit dem bayerischen Bauminister Christian Bernreiter in Verbindung gesetzt, „vielleicht tut sich ja noch was“.

In Anzing wollte man schon den Termin für den ersten Spatenstich festlegen

Diese Hoffnung hat auch die Anzinger Bürgermeisterin Kathrin Alte (CSU), auch sie hat längst an Bernreiter geschrieben. Hier hat die Gemeinde bereits alles getan, um gemeinsam mit der WBE den Bau von 24 günstigen Wohnungen in der Nähe des Schulcampus auf den Weg zu bringen. Die vorausschauenden Kreditaufnahmen waren beschlossen, der Bebauungsplan war geändert, der Architektenwettbewerb gelaufen. Sogar über einen Termin für den ersten Spatenstich im Herbst habe man bereits gesprochen, sagt Alte: „Wir waren auf der Zielgeraden.“ Überrascht und enttäuscht sei man daher in Anzing über die Entwicklungen. Sie wisse, sagt Alte, wie wichtig diese Wohnungen für viele in der Gemeinde wären: „Wenn man 1200 Euro Rente hat und wegen Eigenbedarfs oder anderen Gründen aus der Wohnung muss, gibt es nicht viele Möglichkeiten.“ Zu befürchten sei nun, dass die Finanzierung des Projekts wegen der Zeitverzögerung und der steigenden Baukosten unwirtschaftlich werden könnte. Aufgeben wolle man aber jedenfalls nicht so schnell: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Das ist auch die Haltung bei der WBE, allerdings zeichnet sich laut Keller bereits jetzt ab, dass es durch den Förderstopp nicht nur beim Anzinger Projekt, sondern auch beim Bau von 14 Wohnungen in Grafing-Bahnhof zu Verzögerungen kommen wird. Denn dafür bräuchte es die Genehmigung der Förderstelle für den vorzeitigen Baubeginn, die damit gewissermaßen signalisiert, dass zeitnah mit den beantragten Zuschüssen zu rechnen ist – was nun eben nicht der Fall zu sein scheint.

Ein anderes vom Förderstopp betroffene Vorhaben der WBE sind die 64 Personalwohnungen für die Kreisklinik Ebersberg, die in der von-Scala-Straße entstehen sollen. Hier sei der Auftrag an die WBE erteilt, so Keller, „die Wohnungen werden gebaut“. Unklar ist allerdings, auf wessen Rechnung: „Wenn die Fördermittel und Darlehen aus dem KommWFP nicht fließen, muss der Landkreis als Grundstückseigentümer einspringen.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Demografie im Landkreis
:Bei zu vielen ist es zu wenig

Die Altersarmut nimmt zu, gerade auch im Landkreis Ebersberg, wo das Leben teuer ist. Laut VdK liegen inzwischen viele Renten unter Sozialhilfeniveau, und zwar nicht nur bei Frauen. Die Dunkelziffer der Bedürftigen sei hoch.

SZ PlusVon Anja Blum, Johanna Feckl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: