Steueroase Seegrasstadel:Fichtengrün ist die Hoffnung

Lesezeit: 3 Min.

Dieser unscheinbare Stadel im Ebersberger Forst war bis vor einigen Jahren Sitz mehrerer Finanzdienstleister - oder auch nicht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Landkreis Ebersberg erzielt einen Erfolg am Finanzgericht in der Frage, wem die Steuer-Millionen aus dem Gewerbegebiet im Forst gehören.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

In der Sache Seegrasstadel gibt es nun einen Teilerfolg für den Landkreis Ebersberg. Das Münchner Finanzgericht hat nun einen Bescheid aufgehoben, der die in dem umstrittenen Gewerbegebiet im Ebersberger Forst erzielten Steuereinnahmen der Stadt München zugesprochen hatte. Insgesamt hatte der Landkreis Ebersberg eine Summe von 23,52 Millionen Euro - Steuereinnahmen plus Zinsen - an die Landeshauptstadt überweisen müssen. Ob und wenn ja in welcher Höhe Geld zurückfließt - und wann - ist indes noch völlig unklar.

Der unscheinbare Stadel nahe des Forsthauses St. Hubertus nördlich der Stadt Ebersberg hatte überregional Schlagzeilen gemacht - beziehungsweise dessen durchaus kreative Nutzung. Hintergrund ist eine Besonderheit des Ebersberger Landkreises: Im Gegensatz zu den meisten anderen Kreisen gibt es hier sogenannte "gemeindefreie Gebiete", also Grund, der keiner Gemeinde zugehört. Würde man dort Gewerbe ansiedeln, so eine Idee aus den frühen 2000er Jahren, kämen die Steuereinnahmen direkt dem Kreishaushalt zugute. Einziger Nachteil: Die gemeindefreien Gebiete liegen allesamt im Forst und stehen unter Schutz. Im Jahr 2004 kam man dann darauf, ein vorhandenes Gebäude - eben den alten Stadel, in dem früher Seegrasmatratzen hergestellt wurden - umzuwidmen in eine Gewerbeimmobilie.

Für die Gewerbeimmobilie im Forst galt der niedrigste Steuersatz, den das Gesetz erlaubt

Dass sich Firmen ausgerechnet in einem alten Schuppen - in dem es nicht einmal eine Toilette gibt - ansiedeln wollen, lag daran, dass der Landkreis für sein Gewerbegebiet den laut Gesetz geringstmöglichen Hebesatz bei der Gewerbesteuer verlangte. Angesiedelt haben sich dann laut Schild auf dem Briefkasten bis zu 15 Firmen, fast alle kamen aus dem Umfeld der seit 2005 zu Unicredit gehörenden Hypo-Vereinsbank (HVB). Offiziell wurden im Büro im Stadel Fonds verwaltet - was offenbar wenig Zeit in Anspruch nahm - die Geschäftszeiten laut Klingelschild waren kurz. Anfangs war die Firmenzentrale immer donnerstags von 9 bis 13 Uhr besetzt, später dann immerhin an zwei Tagen: Mittwoch von 9 bis 10 und Freitag von 14 bis 16 Uhr.

Im Jahr 2016 residierten noch acht Firmen im Seegrasstadel, 2008 waren es sogar 15 gewesen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor ziemlich genau drei Jahren kamen die Finanzbehörden indes zu dem Schluss, dass die offiziell im Forst ansässigen Firmen in Wirklichkeit von München aus gearbeitet hätten, also auch dort Gewerbesteuer zahlen müssen. Der Landkreis Ebersberg musste darum Steuereinnahmen in Höhe von 14,25 Millionen Euro sowie Zinsen in Höhe von 9,27 Millionen Euro an die Stadt München überweisen - und geht seitdem gegen diesen Bescheid juristisch vor. Einen Teilerfolg gab es bereits, die Zinsen waren laut Gericht zu hoch angesetzt.

Allerdings, das verlautete bereits bei Einreichung der Klage aus dem Landratsamt, geht es bei dem Prozess nicht um die Frage, ob die Firmen wirklich ihren Hauptsitz im Forst hatten. Vielmehr wird um Fristen verhandelt, konkret "ob nach der abgelaufenen Zeit die Gewerbesteuerveranlagung noch zuungunsten des Landkreises geändert werden durfte", so die Behörde.

Wann der Landkreis mit einer Rückzahlung rechnen kann, lässt sich nicht prognostizieren

Nun sieht es so aus, als ob das Finanzgericht dem Landkreis Ebersberg zumindest zum Teil Recht gegeben hat, der Bescheid das Jahr 2007 betreffend ist am Donnerstag aufgehoben worden. Wie Michael Ottl, Büroleiter des Landrates auf Nachfrage erklärt, handelt es sich dabei um einen sogenannten Musterprozess: "Dieser wurde geführt, um das Ergebnis dieses Prozesses nach Möglichkeit auf die anderen Veranlagungszeiträume übertragen zu können, ohne weitere Prozesse führen zu müssen." Heißt also konkret: andere Veranlagungen zugunsten Ebersbergs bis zum Jahr 2010 - laut Gesetz beträgt die entsprechende Verjährungsfrist zehn Jahre und 2020 entschied man auf Rückzahlung der Gewerbesteuer - könnten ebenfalls nicht mehr anfechtbar sein.

Mit einem raschen Geldsegen rechnet man im Landratsamt dennoch nicht, wie Ottl erklärt, denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, auch die Urteilsbegründung liege noch nicht vor. Daher gelte es nun "abzuwarten, wie sich die anderen Prozessbeteiligten (Finanzbehörden und Landeshauptstadt) positionieren, das heißt ob von dort Rechtsmittel eingelegt werden oder aber nicht. (...) Von Seiten des Landratsamtes verbietet sich aber eine Prognose dahingehend, wie sich die Finanzbehörden und die Landeshauptstadt positionieren und wie diese mit dem Prozessergebnis umgehen werden."

Brauchen könnte der Landkreis das Geld indes schon, besonders in der aktuellen Lage, wie erst diese Woche bei der ersten Beratung über den Haushalt ersichtlich wurde. Eine Ursache für das knappe Budget des kommenden Jahres ist eben auch die Tilgung der Kredite, mit denen der Landkreis 2020 die Gewerbesteuer in der Sache Seegrasstadel zurückgezahlt hat. Laut Kreiskämmerei sind dafür im kommenden und im übernächsten Jahr jeweils sieben Millionen Euro eingeplant. Zum Vergleich: Das nächste große Bauprojekt des Landkreises, die Erweiterung des Kirchseeoner Gymnasiums soll um die 22 Millionen Euro kosten - das entspricht ziemlich genau den noch in München befindlichen Gewerbesteuern plus der noch verbleibenden Zinsen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSteueroase im Ebersberger Forst
:Wie lief das mit der Steueroase im Wald?

Viele Jahre lang war eine Holzhütte im Ebersberger Forst Sitz millionenschwerer Fondsgesellschaften. Dann folgte die Bruchlandung. Wie hat alles angefangen - und wie könnte es weitergehen? Ein paar Fragen und Antworten.

Von Wieland Bögel, Peter Hinz-Rosin und Barbara Mooser

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: