Süddeutsche Zeitung

Strom im Landkreis:Kleine ganz groß

Die Energiewende im Landkreis Ebersberg kommt vor allem in den ländlichen Gemeinden voran. In den Ballungskommunen dagegen wird deutlich mehr Strom und Wärme aus fossilen Quellen gewonnen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

336,7 Prozent. So hoch war im Jahr 2018 der Anteil an Strom aus erneuerbaren Quellen in der Gemeinde Baiern. In der zweitkleinsten Kommune des Landkreises wurde also mehr als dreimal so viel Strom ökologisch erzeugt, als man dort verbraucht. Am anderen Ende der Tabelle steht Kirchseeon, wo nur 6,9 Prozent des Stromverbrauchs aus regenerativen Energien erzeugt wurde. Die Zahlen stammen aus dem aktuellen Treibhausgasbericht der Energieagentur Ebersberg-München und zeigen einen klaren Trend: Auf dem Land kommt die Energiewende weit besser voran, als in den Ballungsgebieten, etwa den S-Bahn-Gemeinden.

Neben Baiern gibt es im Landkreis Ebersberg noch zwei Gemeinden, die mehr lokalen Ökostrom - nicht in die Bilanz einberechnet wurde Ökostrom, der außerhalb des Landkreises erzeugt wird - erzeugen, als sie selber verbrauchen können: Bruck mit 238,9 und Emmering mit 123,7 Prozent. Zwar sind beide Gemeinden Sonderfälle, da es das Windrad bei Hamberg in Bruck und Wasserkraftnutzung in Emmering gibt. Allerdings machen diese nur einen geringen Anteil an der Gesamtstrommenge aus. Der überwiegende Teil stammt - wie auch in der Rekordgemeinde Baiern - aus Biomasse und Solarenergie.

Wie übrigens generell im Landkreis Ebersberg, wo mit 27,9 Prozent etwas mehr als ein Viertel des verbrauchten Stroms aus regenerativen Quellen erzeugt wird. Lediglich ein halbes Prozent des Stromverbrauchs - insgesamt waren es 2018 im Landkreis 533,7 Gigawattstunden - wird aus der Windkraft, 0,2 Prozent aus Wasserkraft abgedeckt. Letztere wird neben Emmering auch in Moosach und Glonn sowie sehr begrenzt in Forstinning und Bruck genutzt. Photovoltaik lieferte dagegen 13,7 und Biomasse 13,4 Prozent des im Landkreis verbrauchten Stroms.

In unterschiedlichem Verhältnis sind diese beiden Arten der Elektrizitätserzeugung in allen Landkreiskommunen für den überwiegenden Teil des lokalen Ökostroms verantwortlich. Am meisten verbreitet ist indes die Photovoltaik, so gab es 2018 etwa in Egmating, Forstinning, Markt Schwaben, Steinhöring und Zorneding gar keine andere Art der regenerativen Stromerzeugung.

Etwas vielfältiger ist der Energiemix, wenn es um die Wärmeerzeugung geht. Neben Biomasse, die als wichtigste Quelle nahezu die Hälfte der so gewonnenen Energie freisetzt, kommt jeweils ein Fünftel aus Wärmepumpen und Nahwärmenetzen - hier wird natürlich nur der Anteil aus erneuerbaren Quellen eingerechnet - den Rest teilen sich Geo- und Solarthermie. Insgesamt ist allerdings der regenerativ erzeugte Anteil bei der Wärme mit 20,2 Prozent deutlich geringer, als beim Strom. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass der Gesamtverbrauch bei Wärme 2018 mit 1644,9 Gigawattstunden mehr als dreimal so hoch war, wie beim Strom.

Das zeigt sich auch bei den Zahlen für die Gemeinden: In diesem Bereich gelingt es nirgends im Landkreis, den eigenen Bedarf komplett ökologisch und lokal zu decken. Doch auch hier schneiden die kleinen Kommunen tendenziell besser ab. So kommt Emmering immerhin auf 59,3 Prozent, gut neun Zehntel davon kommen aus Biomasse, der Rest aus Wärmepumpen und Solarthermie. Ähnlich ist dies in Frauenneuharting, wo man 51,2 Prozent des örtlichen Wärmeverbrauchs vor Ort und ökologisch produzieren kann, davon etwa drei Viertel aus Biomasse, ein knappes Viertel aus Wärmepumpen und ein sehr kleiner Rest aus Solarthermie.

Biomasse ist in den meisten Gemeinden der bevorzugte Lieferant von Heizwärme, mit einigen Ausnahmen: In Vaterstetten dagegen machen Wärmepumpen knapp die Hälfte der ökologisch gewonnenen Heizenergie aus - allerdings ist der Anteil am Gesamtverbrauch in der Großgemeinde mit 14,4 Prozent noch unter dem Landkreisschnitt. Diesen übertrifft die Nachbargemeinde Poing mit 21,3 Prozent ein gutes Stück, Grund dafür ist die Geothermie, die dort knapp vier Fünftel der Heizwärme erzeugt.

In Pliening, wo 16,5 Prozent der Heizenergie aus ökologischen Quellen stammt, machen etwa jeweils ein Drittel Nahwärme und Wärmepumpen aus. In Grafing wiederum ist die Nahwärme für gut die Hälfte der ökologischen Heizenergie verantwortlich, die insgesamt einen Anteil von 15,5 Prozent hat. In Glonn macht ökologische Nahwärme sogar knapp die Hälfte der 41,2 Prozent aus, welche regenerativ gewonnen werden, in Bruck sind es fast zwei Drittel von insgesamt 46,9 Prozent. Ähnlich hoch ist der Nahwärmeanteil in Baiern, zusammen mit Wärmepumpen, Biomasse und Solarthermie kommt die Gemeinde auf einen Öko-Anteil bei der Heizwärme von 37 Prozent. Wobei hier zu beachten ist, dass ein Teil der Nahwärme eigentlich auch unter den Bereich Biomasse fallen müsste, also jener, der die Abwärme von Biogasanlagen oder die Verfeuerung von Biogas nutzt.

Auch wenn die meisten Gemeinden noch ein gutes Stück von den Energiewende-Zielen entfernt sind, ist ein teilweise deutlicher Anstieg bei den Erneuerbaren zu beobachten, besonders beim Strom. Für den Landkreis insgesamt hatte hier der Anteil im Jahr 2012 noch bei 19,5 Prozent, bei der Wärme bei 16,2 Prozent gelegen. Ähnlich sind die Entwicklungen in den einzelnen Gemeinden, auch hier geht es aber in den kleineren Kommunen schneller mit der Energiewende. In Baiern wurde bereits 2012 mehr als doppelt so viel Strom ökologisch erzeugt, wie verbraucht, in Frauenneuharting hat sich der Anteil im gleichen Zeitraum von damals knapp 25 Prozent verdoppelt.

In den größeren Kommunen kommt die Energiewende ebenfalls voran, indes deutlich langsamer. So lag der Anteil lokalen erzeugten Ökostroms in Vaterstetten 2012 noch bei 15,1 Prozent, 2018 immerhin schon bei 24,6. Dies entspricht in etwa dem Wert von 2012 in Grafing, 2018 waren es bereits 37,3 Prozent. Ähnlich sieht es in der Nachbarstadt aus, hier änderte sich der Anteil von 26,7 im Jahr 2012 auf 32,3 Prozent im Jahr 2018. Kaum vorangekommen ist man hier allerdings in den beiden Ballungsgemeinden des Nordens: In Poing stieg der Anteil regenerativ erzeugten Stroms im gleichen Zeitraum von 6,5 auf 10,2 und in Markt Schwaben sogar nur von 2,3 auf 3,6 Prozent. Die beiden anderen S-Bahn-Gemeinden schneiden hier ähnlich schwach ab, in Kirchseeon lag der Anteil von Strom aus regionaler Produktion bei 4,8 Prozent, sechs Jahre später bei 6,9, in Zorneding stieg er von 6,2 auf 9,4 Prozent.

Wo es allerdings so gut wie keine Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit gibt, ist der Verkehrssektor. Die Energieagentur hat den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß pro Einwohner berechnet, dieser ist landkreisweit von 8,33 Tonnen im Jahr 2012 auf 7,53 Tonnen 2018 gesunken. Dieser Rückgang ist aber nahezu komplett auf die Bereiche Privathaushalte und Gewerbe zurückzuführen, wo der Wert von 2,4 beziehungsweise 2,85 Tonnen auf 1,98 und auf 2,54 Tonnen gesunken ist. Beim Verkehr lag der rechnerische Ausstoß pro Landkreisbürger 2012 noch bei 3,01 Tonnen CO₂, vier Jahre später waren es gerade einmal 0,05 Tonnen weniger. Kaum ins Gewicht fallen in der Statistik die Liegenschaften der Kommunen, hier sank der Wert von 0,07 Tonnen pro Einwohner 2012 auf 0,05 Tonnen 2018.

Den rein rechnerisch höchsten CO₂-Ausstoß pro Einwohner und Jahr gab es 2018 in Anzing mit 13,14 Tonnen, den niedrigsten in Egmating mit 4,41 Tonnen. Allerdings spielt hier mit ein, dass in Anzing die A 94 verläuft, die Emissionen verursacht, die nicht von den Einwohnern ausgehen. Mit diesem sogenannten Autobahnausgleich kommt Anzing mit 7,25 Tonnen pro Einwohner und Jahr eher ins Mittelfeld, den höchsten Wert erreicht Hohenlinden mit 12,6 Tonnen, Egmating bleibt mit 5,5 Tonnen weiterhin die CO₂-sparsamste Gemeinde.

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SZ vom 23.03.2021
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