Kultur in Ebersberg:Die Fragen der anderen

Kultur in Ebersberg: Sarai Meyron hat den diesjährigen Kunstpreis des Landkreises Ebersberg gewonnen.

Sarai Meyron hat den diesjährigen Kunstpreis des Landkreises Ebersberg gewonnen.

(Foto: Christian Endt)

Der Kunstverein Ebersberg eröffnet seine Jahresausstellung und vergibt den Kunstpreis des Landkreises: Er geht an Sarai Meyron. Die 26-Jährige hat ein Video eingereicht, das sich mit Herkunft und Identität beschäftigt.

Von Karoline Läuger, Ebersberg

In der Jahresausstellung des Ebersberger Kunstvereins, die am Freitag eröffnet worden ist, finden sich tatsächlich ziemlich viele preiswürdige Exponate. Insofern ist es der Jury vermutlich alles andere als leicht gefallen, einen Gewinner zu küren. Doch der Kunstpreis des Landkreises Ebersberg kann eben nur an einen der Ausstellenden gehen - und nun steht fest: Die diesjährige Preisträgerin ist Sarai Meyron. Zu der Ausstellung mit dem Thema "Der Stand der Dinge" hat sie ein Kurzvideo eingereicht, es trägt als Titel eine Frage: "Woher kommen Sie?" Es ist bereits das zweite Mal, dass diese Arbeit ausgezeichnet wird, sie gewann bereits beim Willi-Münzenberg-Kunstwettbewerb, der gesellschaftskritische junge Künstler fördern möchte, in der Kategorie Film.

Wie viele der in Ebersberg ausstellenden Künstler stammt Sarai Meyron nicht aus dem Landkreis. Die 26-Jährige lebt in Braunschweig und war über das Internet auf die Ausschreibung des Kunstvereins aufmerksam geworden. "Den Stand der Dinge", das Motto der Ausstellung, interpretiert die Künstlerin mit ihrem Werk als etwas, das nicht nur vom Jetzt abhängt, sondern auch von der Vergangenheit. "Denn diese beeinflusst das, was wir jetzt tun und machen", sagt sie.

Die Bildsprache des Videos ist unspektakulär: Man sieht Sarai Meyron, wie sie an einem Tisch sitzt, sozusagen dem Betrachter gegenüber. Im Hintergrund eine Holztüre, wie in einem alten bayerischen Haus. Szenenwechsel gibt es nicht. Dafür aber stellt die junge Künstlerin dem Betrachter jede Menge Fragen, unter anderem zu seiner Herkunft.

Sarai Meyron selbst ist Jüdin, in Israel geboren, und hat acht Jahre ihrer Kindheit in Amerika verbracht. Ihre Großmutter war bayerisch, ihr Vater stammt aus dem Irak. Zur Zeit der Entstehung des Videos war sie neu in Deutschland und sprach mit Akzent. Das sei bei ihrer Arbeit in einem traditionellen deutschen Restaurant aufgefallen, erzählt die 26-Jährige, weswegen ihr immer wieder viele Fragen gestellt worden seien. Bald habe sie sich daher als eine Art "Botschafterin für Fremde" in Deutschland gesehen. Dabei sei sie oft mehrmals am Tag mit ein und derselben Frage konfrontiert worden - "aber man hat bei manchen gemerkt, dass diese nicht gut gemeint war".

Diese Fragen aus dem Wirtshaus - zum Beispiel "Woher kommst du?", "Was ist Ihre Muttersprache?", oder auch "Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?" - richtet die Künstlerin nun in ihrem Video an den Betrachter. Bei manchen Fragen bekommt man ein gutes Gefühl, und fast schon Lust, eine Antwort zu geben. Bei anderen jedoch passiert das Gegenteil: Sie wirken unangenehm, ein bisschen wie ein Eingriff in die Privatsphäre. Dieser Unterschied wird auch verdeutlicht, indem Meyron manche Fragen mehrmals stellt, nur in jeweils anderen Formulierungen.

Die Herkunft, beziehungsweise Vergangenheit, ist ein wichtiger Teil der Identität jedes Menschen. Und dieses Thema prägt nicht nur Meyrons Video, sondern ihr gesamtes Schaffen, zum Beispiel auch das Buch, an dem sie gerade arbeitet. Ihre eigene Herkunft nennt sie eine "Mischidentität" - das sei etwas sehr Modernes und könne ein Gefühl der Fremde auslösen, sagt sie. Ihr falle es jedenfalls schwer, auf die Frage "Woher kommen Sie?" zu antworten, sagt die Künstlerin, da sie sich als Amerikanerin sehe, aber keinen amerikanischen Pass besitze. Und wenn sie antworte, sie stamme aus Deutschland, stimme das zwar, aber sie fühle sich dem Irak genauso verbunden. Die Fragen aus dem Video stellt sich die Künstlerin also auch selbst, auf der Suche nach ihrer eigenen Identität.

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