Süddeutsche Zeitung

Kunstverein Ebersberg:Zwischen Erde und Himmel

Susanne Ring aus Berlin zeigt in der Alten Brennerei in Ebersberg Skulpturen und Bilder: archaische, traumartige Figuren, die Brücken schlagen und einen auf der Suche nach Ausgleich begleiten.

Von Anja Blum, Ebersberg

Susanne Ring ist es gewohnt, vollen Körpereinsatz zu bringen. Das verraten schon die zahlreichen Spuren an ihrem Arbeitskittel. Eigentlich aus der Malerei kommend - die Mainzerin, geboren 1966, hat in Berlin Kunst studiert - wurde schon vor vielen Jahren der Ton zu einem ihrer Lieblingselemente. Indem man ihn zu Schnüren rolle, könne man linear beginnen und daraus dann eine Form entwickeln, erklärt die Künstlerin. "Das ist wie formstabile Fingerfarbe!" Beides, Bilder und Skulpturen von Susanne Ring, kann man nun in einer Einzelausstellung beim Ebersberger Kunstverein bewundern, Vernissage ist an diesem Freitag, 3. März, um 19 Uhr.

Was beim Rundgang durch die Alte Brennerei im Klosterbauhof sofort auffällt: Susanne Ring arbeitet, egal in welchem Genre, quasi durchgehend figürlich. In unterschiedlichen Dimensionen geht es hier um Körper, sowohl in der Zwei-, als auch in der Dreidimensionalität. Um Beziehungen von Körpern zueinander, um Körper und Raum, Körper und Fragment. "Gerade meine plastischen Arbeiten sehe ich auch in der Tradition des Gefäßes", sagt die Künstlerin. Mit Lehm schafft sie Körper als Räume der potenziellen Aufbewahrung, so dass irgendwie auch immer die Frage der Befüllung im Raum steht. Kann, sollte ein umgedrehter menschlicher Kopf als Vase dienen?

In dieser Ausstellung wimmelt es jedenfalls von Figuren. Manche sind sehr fantastisch, andere wieder eher realistisch. Manche freundlich, andere hingegen rätselhaft oder gar ein wenig gruselig. Manche stehen zunächst einmal für sich alleine, anderen hat Ring Gesellschaft beigestellt, vor allem auf ihren Bildern. Insgesamt aber treten natürlich alle ihre Geschöpfe, die da den Raum bevölkern, miteinander in flirrende Verbindung. Wandelt man hindurch, entsteht fast der Eindruck, in eine andere, im engeren Sinne traumhafte Welt geraten zu sein. In die Welt von Susanne Ring.

Aller Figürlichkeit zum Trotz hat die Künstlerin als Titel der Schau einen ziemlich abstrakten Begriff gewählt, nämlich "Harmonie". Dieser sei einer gewissen Sehnsucht geschuldet, erklärt sie, einer so persönlichen wie allgemeingültigen. "Momentan gibt es einfach eine große Unzufriedenheit und viel Empörung überall, eine echte Klagekultur", sagt Ring. Das aber erwecke auf der anderen Seite den starken Wunsch nach "Befriedung, nach Einklang und Verlässlichkeit". Und wenn man so will, manifestiert sich in Rings Kunst die immerwährende Suche danach: "Mir geht es nicht darum, schöne, irgendwie normative Arbeiten, sondern im Prozess einen gewissen Ausgleich zu schaffen."

Insofern sind Rings experimentell anmutende Arbeiten, die tatsächlich reichlich Anlass zu Assoziationen geben, beileibe nicht auf bestimmte Interpretationen festgelegt. Geister, Götter, Monster, Fabelwesen, Totems: Ein jeder darf hier entdecken, was er will. Auch Anklänge an fremde, insbesondere archaische Kulturen finden sich - allein, eine spezifische hat die Künstlerin dabei nach eigenem Bekunden nie im Sinn. "Meine Vorstellungen sind meist nicht sonderlich konkret, eher geht es mir darum, etwas Atmosphärisches einzufangen." Fest steht: Indem ihre Lehmfiguren kultischen und rituellen Charakter haben, schaffen sie eine eigentümliche Verbindung zwischen dem Dies- und einem wie auch immer gearteten Jenseits.

An die afrikanische Formensprache erinnern etwa zwei janusartige Köpfe, die den Besucher gleich im ersten Raum in Empfang nehmen. Zwei Figuren mit dem Titel "Discohimmel" dagegen kommen sehr mystisch daher. Sterne bereiten bei der einen eine kleine Bühne für was auch immer, bei der anderen umranken sie das morbide Gesicht. Sie vielschichtig ist auch "Tutti frutti": eine weibliche Figur mit einer Art Obstspieß auf dem Kopf, einem resonanzverdächtig runden Körper und insektenartigen Armen. Die Skulptur "Mädchen träumt" hingegen hat keinen Kopf im herkömmlichen Sinne, dafür aber zahlreiche dünne Reifen um den Arm.

Präsentiert werden die Tonobjekte in der Ebersberger Galerie übrigens auf allerhand Tischchen, Hockern, Vitrinen, Sockeln aus Brettern und Steinen. Sie verwende gerne Mobiliar aller Art, sagt Ring: Durch ein privat wirkendes Umfeld solle eine Brechung der auratischen Wirkung erreicht werden.

Ergänzung finden die Skulpturen an den Wänden. Hier zeigt Ring Malerei, etwa mit Tempera, und Monotypien: Ein-Mal-Drucke mittels eines Scherenschnitts, der auf ein bereits mit Farbe bearbeitetes Papier gelegt wird. Und auch hier kann man ein wildes Panoptikum an Figuren mit Hörnern, Zöpfen und Zähnen entdecken, oftmals vor detailreichen, seelenvollen Landkarten. Ring führt den Pinsel dabei expressiv und arbeitet in der Regel mit gedeckten Farben, vor allem Brauntönen. Ja, der Lehm, die Erde hat es ihr wirklich angetan. Zumal sich damit auch eine Brücke in den Himmel bauen lässt.

Ausstellung: Susanne Ring "Harmonie" beim Ebersberger Kunstverein, Alte Brennerei im Klosterbauhof. Eröffnung an diesem Freitag, 3. März, um 19 Uhr, Finissage mit Künstlergespräch am Sonntag, 26. März, um 16 Uhr. Öffnungszeiten: donnerstags und freitags 18 bis 20 Uhr, samstags 17 bis 20 und sonntags 11 bis 13 Uhr.

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