Die Bildende Kunst kennt ja bekanntlich vielerlei Spielarten. Malerei, Skulpturen, Fotografie und vieles mehr. Die neue Ausstellung beim Kunstverein Ebersberg allerdings wartet nun mit einer durchaus ungewöhnlichen Gattung auf: Zu sehen gibt es diesmal Maschinen. Und jene Frau, die sie geschaffen hat, ist sogar selbst eine Art heiteres Perpetuum mobile. Unentwegt läuft Charly-Ann Cobdak zwischen ihren Arbeiten umher, erklärt und erzählt voller Begeisterung von ihren Geschöpfen. Von poetischen, interaktiven Automaten voller Geheimnissen, Geschichten und Rätseln.
Insofern fällt es nicht schwer, sich auszumalen, wie Cobdaks "Low Tech Instruments" entstehen. Wie die Münchnerin mit amerikanischen Wurzeln jede Menge Inspiration findet in Fundstücken vom Flohmarkt oder in Sprichwörtern, wie ihr das Leben immer wieder Ideen zuspielt. Kaum einen Gedanken scheint es zu geben, den sie nicht sofort in eine Konstruktion aus allerhand nostalgischen Kuriositäten umzusetzen vermag.
Eine persönliche Erfahrung mit der Lüge zum Beispiel habe sie in "Philo-Dramaticus" verarbeitet, sagt Cobdak, einer "pinocchiotischen Maschine". Ganz oben thront eben jene berühmte Puppe auf einem Stuhl, der wiederum auf einem alten Phonokasten und dieser auf einer Holzsäule steht. Doch das ganze Gestell ist mehr als schief. Und drückt der Betrachter ein Fußpedal, so kommt es in Bewegung. Pinocchio dreht sich, der Stuhl ebenso, das ganze Tischlein wackelt. Die Moral von der Geschicht'? Aber klar doch: Lügen haben instabile Beine.
Wichtig ist Cobdak, dass ihre Maschinen keine Funktion im engeren Sinne erfüllen, dass sie nur mit einem "Pseudozweck" versehen sind. "Das Erschaffen poetischer Maschinen verleiht mir das Gefühl, mich nicht selbst zu einer Maschine, beziehungsweise zu einem Teil einer großen Maschine zu entwickeln, in der nur die reine Nutzbarkeit zählt." Vielmehr gleiche jedes Werk anfangs einer Reise zu einem unentdeckten Land, einer Expedition zu einem Sehnsuchtsort, an dem imaginäre Begebenheiten geschehen. Getrieben von Abenteuerlust, Forscherdrang und vor allem "Fernweh nach Poesie" entfernt sich Cobdak als Künstlerin vom Banalen - "um nicht im Alltagstrott zu ersticken".
Zentrum der Ausstellung ist denn auch eine "Zeitmaschine". Ein Ungetüm von Gefährt, das Cobdak um einen alten Rollstuhl herumgebaut hat. "Damals war ich noch nicht so erfahren, geschickt und mit Werkzeugen ausgestattet wie heute", sagt die Künstlerin, die eigentlich aus der Grafik kommt und sich erst 2009 auf die bewegungsfreudige Kinetische Kunst verlegt hat. Deswegen habe sie damals manches noch mit Pappe verkleiden müssen, unnötig viele Motoren eingebaut und so manchen Stromschlag bekommen. Trotzdem ist die Zeitmaschine beeindruckend, man meint, gleich würde sie abheben und sich samt Fahrer in eine andere, ferne Welt katapultieren. Ihre Uhr jedenfalls dreht sich schon mal im Superschnelldurchlauf.
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Und wie immer bei Cobdaks Automaten gibt es haufenweise liebevolle Details zu entdecken. Schalter, Hebel, Rädchen, Messgeräte, Propeller, Lampen, Trichter und vieles mehr. Wer genau hinsieht, erkennt einen alten Föhn, einen Akkubohrer, einen Fleischwolf. Vor nichts scheint die Bauleidenschaft dieser Künstlerin Halt zu machen.
Zumal alte Gegenstände für sie von unschätzbarem Wert sind: "Sie haben ihre industrielle Anonymität verloren und bereits eine eigene, imaginative Bedeutung erlangt." Und würden sie auch heute oft als nostalgisch belächelt, so hätten sie zu ihrer Zeit als technische Innovationen gegolten. "Ich weiß nicht, wie, aber das passende Material findet irgendwie immer zu mir", sagt Cobdak und lächelt.
Vieles sammeln muss sie auch für ihre "Inbetweens": Weiße Collagen aus Miniaturen aller Art - Puppen, Tiere, Möbel, Geschirr, Autos -, mit denen die Künstlerin Geschichten erzählen möchte. Und tatsächlich: Einem Wimmelbild gleich wandert das Auge langsam über die Fläche an der Wand, findet eine "Krabbe auf Reisen und weitere ungewöhnliche Ereignisse". Wobei Kitsch und Grusel sich verschränken: Babys liegen in einer Sardinenbüchse, ein Elefant klettert aus einer Tasse. Doch da Cobdak alle Miniaturen weiß lackiert hat, verliert sowohl das eine wie das andere seine Schärfe.
Sehr humorvoll hingegen kommt die Maschine zur Morgengymnastik daher: Cobdak hat sie "für gemäßigte Sportler" konstruiert. Per Schreibmaschine wird der Automat gestartet, sofort erklingt heitere Musik, die Vorbilder, Muskelmänner von anno dazumal, beginnen sich zu bewegen. Der Maschinist selbst kann alte, ziemlich leichte Hanteln benutzen, oder einen gefederten Hebel immer wieder nach unten drücken - solange, bis rechts ein kleines Lämpchen zu leuchten beginnt. Das bedeutet: Der Kaffee ist fertig.
Weil Cobdak bei ihren Maschinen auf vorangehende Skizzen verzichtet und eben nur über rein autodidaktisches technisches Wissens verfügt, gleicht die künstlerische Umsetzung stets einem Abenteuer. "Es ist eine Komposition, die reale Begebenheiten und Dinge schöpferisch in einem neuen Kontext zusammengefügt - ein Spiel mit einem offenen Ende", sagt sie. Ganz in diesem Sinne ist ihre Ausstellung in Ebersberg eine Einladung zum inspirierenden Spiel. Zum Entdecken, Mitmachen, Schmunzeln und Staunen.
Ausstellung beim Kunstverein Ebersberg : "Low Tech Instruments" von Charly-Ann Cobdak in der Alten Brennerei im Klosterbauhof. Eröffnung an diesem Freitag, 13. Oktober, um 19 Uhr. Am Donnerstag, 19. Oktober, und Sonntag, 29. Oktober, jeweils um 19 Uhr: Führung mit der Künstlerin, Finissage am Sonntag, 5. November, um 11 Uhr. Und am Sonntag, 15. Oktober, um 15 Uhr zeigt der Münchner Sammler Reinhard Grüner Beispiele aus seiner Künstlerbuch-Sammlung .