Ebersberg:Kreuzchen per Brief

Ebersberg: Melanie Riedmann (links) und Eva Möller sortieren im Zornedinger Rathaus Briefwahlumschläge. Wenn Not am Mann ist, müssen auch mal Kollegen aus anderen Abteilungen mithelfen.

Melanie Riedmann (links) und Eva Möller sortieren im Zornedinger Rathaus Briefwahlumschläge. Wenn Not am Mann ist, müssen auch mal Kollegen aus anderen Abteilungen mithelfen.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Überquellende Postkästen und Tausende Online-Anträge: Weil sich ein Drittel der Wahlberechtigten für die Briefwahl entscheidet, haben die Gemeindemitarbeiter momentan alle Hände voll zu tun.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Während sich die Bewerber ums Bundeskanzleramt die Abende mit Auftritten bei diversen TV-Duellen um die Ohren schlagen und noch mitten im Wahlkampf-Endspurt stecken, geht es für viele Mitarbeiter in den Gemeinden schon los: Millionen von Briefwählern wollen bundesweit beliefert werden. Die Nachfrage nach den Dokumenten, die per Post zugestellt oder persönlich abgeholt werden können, ist so hoch wie bei keiner Wahl zuvor. Experten rechnen damit, dass ein Drittel der Wähler per Brief ihre Stimme abgeben. Auch im Landkreis Ebersberg spüren die Beamten den Trend.

Die Rathäuser haben sich auf den Trend zur Briefwahl eingestellt

"Seit einer Woche kümmere ich mich um kaum etwas anderes als die Briefwahl", sagt etwa Florian Huhndt von der Gemeinde Vaterstetten. Bis zum 13. August waren die einzelnen Gemeinden damit betraut, das Wählerverzeichnis zu vervollständigen. Daraufhin wurden den Wahlberechtigten sukzessive ihre Unterlagen zugeschickt, und seitdem reißt die Flut an Anträgen zur Briefwahl nicht ab. "Momentan haben wir schon 2790 Unterlagen versendet", sagt Huhndt. Da dieser Trend bereits bei der Bundestagswahl im Jahr 2013 zu spüren war, haben die zuständigen Sachbearbeiter in Vaterstetten vorgebaut: 1000 Briefwahlunterlagen mehr als vor vier Jahren sind nun vorrätig. Über die Gründe, warum die Wahlberechtigten lieber vorab oder postalisch wählen, könne er nur spekulieren, sagt Huhndt: "Ich persönlich habe Briefwahl gemacht, weil ich am Wahltag arbeiten muss."

Auch im Rathaus Zorneding ist nach Angaben von Mitarbeiterin Eva Möller seit vergangener Woche in Sachen Briefwahl hübsch was los: "Ich hatte das Gefühl, die Leute haben uns überrannt." 6700 Wahlberechtigte gibt es in der Gemeinde, schon jetzt wurden etwa 1000 Unterlagen zur Briefwahl ausgestellt. "Für unsere kleine Gemeinde ist das schon heftig", findet Möller. Als sie am Montag nach dem Wochenende den Postkasten der Gemeinde leerte, war dieser voll mit Anträgen. Gemeinsam mit einer Kollegin ist Eva Möller für das Zustellen der Papiere zuständig. "Wenn Not am Mann ist, helfen aber auch schon mal Kollegen aus anderen Fachbereichen mit beim Eintüten", sagt sie. Die Wahl habe Vorrang, alles andere müsse momentan hinten anstehen. In Zorneding hat man ebenfalls bereits mit dem Ansturm gerechnet und statt 1800 Briefwahldokumenten wie bei der letzten Bundestagswahl nun 2500 in petto.

Ältere holen die Unterlagen persönlich, Jüngere bestellen sie online

Antragsteller finden sich quer durch alle Altersgruppen. Erstmals ist es bei einer Bundestagswahl möglich, die Unterlagen auch via Smartphone zu beantragen. Dazu muss der auf der Wahlbenachrichtigung befindliche QR-Code eingescannt werden, zur Identifikation dient das Geburtsdatum des Wählers. "Diese Option kommt gerade bei den Jüngeren gut an", sagt Möller. Ältere Antragsteller kommen gern persönlich vorbei, um die nötigen Dokumente abzuholen - und noch einen kleinen Schwatz zu halten.

In den Nachbargemeinden ächzen die zuständigen Mitarbeiter derzeit unter ähnlich viel Arbeit. In Poing beispielsweise haben von den rund 10 200 Wahlberechtigten schon etwa 2000 einen Antrag auf Briefwahl gestellt, genauso viele sind es bisher in der Stadt Grafing. Peter Lechner von der Stadt Ebersberg erzählt: "Wir haben uns diesmal mehr Vordrucke besorgt, um definitiv alles abdecken zu können." Von den 8726 Wahlberechtigten haben 1332 Anträge gestellt. Er gehe stark davon aus, so Lechner, dass es noch einige mehr geben wird in den nächsten Wochen. Dann wird schon bald der Rücklauf beginnen: Spätestens am 24. September um 18 Uhr müssen diese bei der auf dem Umschlag angegebenen Stelle eingehen. Wer seine Unterlagen persönlich abgeben will, sollte dies also spätestens am Freitag vor der Wahl im zuständigen Rathaus tun. Alle, die ihr Votum mit der Post schicken, so die Empfehlung des Bundeswahlleiters, sollte das sicherheitshalber spätestens drei Werktage vor dem Wahltag getan haben, das wäre am Mittwoch, 20.

September. Eine ähnlich hohe Nachfrage nach den Briefwahl-Unterlagen habe es schon bei der Europawahl 2014 gegeben, sagt Christian Plank von der Gemeinde Forstinning. "Wir haben das auch bei den letzten Landtagswahlen wie in Nordrhein-Westfalen beobachtet und hatten die hohe prozentuale Beteiligung von Briefwählern schon auf dem Schirm", sagt er, "deswegen haben wir gleich mal einen Puffer on top gesetzt." Die Gemeinde rechnet mit etwa 30 Prozent Briefwählern; Anfang dieser Woche waren es bereits zwölf Prozent.

Die Möglichkeit, am Tag der Bundestagswahlen nicht vor Ort zu sein, sondern schon vorab zu wählen, besteht in Deutschland seit 1957. Bis 2008 war es notwendig, spezielle Gründe für die Briefwahl anzugeben, nun kann sie jeder ohne Erklärung in Anspruch nehmen. Experten mahnen seit jeher, dass der Trend zur Briefwahl aus rechtlicher Perspektive nicht unbedenklich ist; auf diese Weise könnten etwa Stimmen gekauft oder auf den Wähler erheblich mehr Einfluss genommen werden. Wer im Vorhinein schon weiß, dass er es am 24. September nicht zur Urne schaffen wird, hat unter anderem noch die Option der vorgezogenen Urnenwahl: Die Stimme kann schon vor dem Wahltag direkt abgegeben werden.

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