Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Die Ebersberger Kreisklinik und das Rekordjahr 2019

Auslastung und Ergebnis sind dieses Jahr erneut gestiegen. Sorge bereitet allerdings die Gesundheitspolitik der Bundesregierung.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Wäre die Ebersberger Kreisklinik eine ganz normale Firma, würden zum Jahresende wahrscheinlich in der Chefetage die Zigarren und Champagnerflaschen ausgepackt. Der Jahreserlös ist hoch wie nie, die Auslastung ebenso und die Kunden, also die Patienten, sind sehr zufrieden. Diese frohe Botschaft konnten Klinikgeschäftsführer Stefan Huber sowie Chefarzt Peter Kreissl nun dem Ebersberger Kreistag in seiner Weihnachtssitzung überbringen. Dass sie dies nun aber nicht mit Cohibas und knallenden Korken taten, lag sicher nicht nur am Gesundheitsauftrag der Kreisklinik, sondern auch daran, dass diese eben keine normale Firma ist.

"Es ist nicht ganz einfach, was der Bund für die Krankenhäuser plant", sagte Huber, besonders das neue MDK-Reformgesetz - MDK ist der medizinische Dienst der Krankenkassen - bereite in der Klinik Sorgen. Das Problem sei, so Huber, dass der medizinische Dienst ärztliche Diagnosen quasi rückwirkend widerrufen könne. Konkret sehe das so aus, dass ein Arzt einem Patienten eine stationäre Behandlung verordne, der Kassendienst aber hinterher verfügen könne, dass nur ein Teil davon medizinisch geboten gewesen sei. Die für die angeblich überflüssige Behandlung erstatteten Kosten müsse die Klinik dann an die Kassen zurückzahlen plus - und das ist neu - eine Strafgebühr in Höhe von zehn Prozent der gesamten Behandlungskosten.

Bereits heuer habe die Klinik rund eine Million Euro an die Kassen zurückzahlen müssen, sagte Huber. Und das, obwohl man Leistungen erbracht habe - nur seien die nach Meinung der Kassen überflüssig gewesen. Durch die neuen Strafzahlungen rechnet man fürs kommende Jahr mit zusätzlichen Kosten von rund 320 000 Euro.

Ebenfalls nicht unproblematisch sei die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung, die eine bestimmte Mindestanzahl von Pflegepersonal verbindlich vorschreibt, ansonsten gibt es auch hier weniger Geld von den Kassen. Was die Konkurrenz um Pflegekräfte sehr verschärft habe und letztlich dazu führe, dass in personalintensiven Bereichen - in der Kreisklinik sind dies Unfallchirurgie, Kardiologie, Intensivmedizin und Geriatrie - möglicherweise Betten abgebaut werden müssten.

Was nach Auffassung Hubers auch beabsichtigt sei: "Der Bund ist der Meinung, es gibt zu viele Kliniken, da sollen jetzt ein paar rausgeprüft werden." Allerdings, auch das betonte der Klinikchef, dürfte davon das Ebersberger Krankenhaus nicht betroffen sein. Denn, so belegten es Studien, im Landkreis liege die Zahl der Krankenhausbetten pro Einwohner unter dem Bundesdurchschnitt. Langfristig könnte die Klinik von den neuen Regeln sogar profitieren, denn offenbar verleiden diese einigen anderen das Geschäft mit der Gesundheit: "Es ist schon so, dass private Träger die Lust verlieren und lieber in anderen Ländern investieren", so Huber, was kommunalen Kliniken zugute kommen könnte - wenn sie solange durchhalten: "Der Weg ist schon richtig - aber er wird schwierig."

Wobei das Ebersberger Krankenhaus eigentlich ganz gute Voraussetzungen dafür hat, auch diesen Weg gut zu gehen. Für 2019 erwartet man bei den Einnahmen aus Kassenleistungen rund 59,2 Millionen Euro, das sind 6,6 Millionen mehr als noch im Vorjahr und sogar eine Steigerung um zehn Millionen im Vergleich mit 2016. Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Mitarbeiter. Aktuell arbeiten genau 1053 Personen in der Kreisklinik, was 714,48 Vollzeitstellen entspricht. Zum Vergleich: 2014 waren es noch 947 Köpfe und 643 Vollzeitäquivalente. Die Personalkosten sind dementsprechend ebenfalls deutlich gestiegen, um rund 36 Prozentpunkte in den vergangenen fünf Jahren und um gut 57 Prozent seit Anfang des Jahrzehnts.

Eine Entwicklung, die sich wohl fortsetzen wird, so Huber. Denn die Klinik braucht weiter mehr Personal - und dafür auch mehr Wohnraum. So müssten derzeit einige neue Mitarbeiter mit Zimmern im alten Wohnheim vorlieb nehmen, wo es Duschen und Toiletten nur als Gemeinschaftseinrichtungen gibt. Was besonders im Hinblick auf die vielen aus dem Ausland angeworbenen Mitarbeiter problematisch sei, denn diese könnten überall einen Job an einer Klinik finden, angemessene Wohnungen könnten da durchaus den Ausschlag geben. Zumindest eine leichte Entspannung ist vom kommenden Jahr an in Sicht. Da soll zum einen das Fertighaus mit 20 Wohnungen an der Klinik aufgestellt werden, außerdem sollen im Zuge des Umzugs der Krankenpflegeschule nach Kirchseeon in gut einem Jahr dort weitere 50 Wohnungen für Azubis entstehen. Noch unklar ist allerdings, wie es mit dem seit einigen Jahren geplanten Bau der bis zu 100 Wohnungen an der Münchner Straße weitergeht. Hier sind sich Klinik und Stadt noch nicht über die Frage der Parkplätze einig geworden.

Wie personalintensiv ein Krankenhaus ist, schilderte Kreissl am Beispiel der Notaufnahme. Hier seien jederzeit acht Fach- und elf Assistenzärzte sowie 23 Pflegekräfte und sieben weitere Mitarbeiter in der Aufnahme im Einsatz, so Kreissl. Was auch nötig sei, denn in den vergangenen fünf Jahren sind die Fallzahlen in der Notaufnahme deutlich gestiegen. Waren es 2014 noch 28 484 Personen, die wegen eines Notfalls in die Kreisklinik kamen, mussten im Jahr darauf schon 30 502 Notfälle behandelt werden. Für dieses Jahr erwartet man in der Klinik insgesamt 32 388 Notfälle, da das Jahr noch nicht ganz rum ist, könnten es aber auch mehr werden. Durchschnittlich könne die Kreisklinik 95 Prozent aller Notfälle selbst behandeln, deshalb sei man kürzlich auch in die Kategorie "erweiterte Notfallversorgung" hochgestuft worden, so Kreissl.

Auch die Patienten seien mit der Klinik zufrieden, so bekommt das Krankenhaus auf der "Weißen Liste", einem Bewertungsportal der Bertelsmannstiftung, einen Wert von 85 Prozent. So viele Patienten würden die Kreisklinik weiterempfehlen, der bundesweite Schnitt liegt bei 81 Prozent. In der Region schneiden lediglich die Kliniken in Starnberg und in Garmisch mit 88 beziehungsweise 87 Prozent besser ab.

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SZ vom 18.12.2019/koei
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