Süddeutsche Zeitung

Krankenhausreform:Klinik am Scheideweg

Auch die Ebersberger Kreisklinik wird von der geplanten Krankenhausreform betroffen sein. Im Idealfall verbessert sich dadurch die Patientenversorgung. Klappt der Umstieg aber nicht, droht womöglich sogar das Aus.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Nicht weniger als eine "Revolution" versprach Gesundheitsminister Karl Lauterbach, als er seine Pläne für die umfassende Krankenhausreform vorstellte. Unterm Strich sollen die Patientinnen und Patienten in den deutschen Kliniken künftig wieder mehr nach medizinischen und weniger nach wirtschaftlichen Kriterien behandelt werden. Für viele Einrichtungen bedeutet das eine große Umstellung, hatte sich die bisherige Herangehensweise in den vergangenen Jahren doch fest in den Strukturen verankert. Auch auf die Kreisklinik Ebersberg kommen große Veränderungen zu. Im Idealfall verbessert sich dadurch die Patientenversorgung. Klappt der Umstieg aber nicht, droht dem Kreiskrankenhaus womöglich sogar das Aus.

Entsprechend drastische Worte wählte Klinik-Geschäftsführer Stefan Huber, als er in der jüngsten Kreistagssitzung seinen Halbjahresbericht vorlegte: "Wir müssen noch einiges tun, um Level II zu bekommen. Ansonsten fallen wir runter - und das wäre tödlich." Das von Huber angesprochene Levelsystem ist Kernbestandteil von Lauterbachs Reformvorschlägen. Demnach sollen alle Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen eingeteilt werden: Von der Basisversorgung, die grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle umfasst, über die Regel- und Schwerpunktversorgung bis hin zur Maximalversorgung, die üblicherweise an Universitätskliniken angeboten wird.

Bei der Krankenhausreform steht für die Ebersberger Kreisklinik viel auf dem Spiel

Für ein Haus wie die Ebersberger Kreisklinik ist also die zweite Stufe das erklärte Ziel - und auch eine absolute Notwendigkeit. "Es muss unbedingt angestrebt werden, dass man die Bedingungen erfüllt. Sonst wäre unser Krankenhaus auf Dauer nicht überlebensfähig", sagte dazu der Ärztliche Direktor Peter Lemberger. Laut Geschäftsführer Huber müssen in Ebersberg noch eine weitere Fachabteilung installiert und zusätzliche Chefärzte angestellt werden. Außerdem seien einige Veränderungen in den Strukturen nötig, um die Kriterien für Level II zu erfüllen, das dann unter anderem auch eine Stärkung der Kinderversorgung vorsieht.

Zwar geben sich Huber und Lemberger zuversichtlich, dass die Kreisklinik diese Veränderung rechtzeitig umsetzen kann, eine gewisse Unsicherheit bleibt aber. Denn nicht nur die Ebersberger Einrichtung muss ihre Hausaufgaben machen, auch alle anderen Krankenhäuser der Region wollen in die zweite Versorgungsstufe. "Natürlich wird es einen großen Konkurrenzkampf geben", ist Stefan Huber überzeugt. Klar sei, dass nicht alle Kliniken das Level II erreichen können. Für die Kreisklinik bestehe dadurch jedoch die Chance, andere Häuser hinter sich zu lassen - falls man es selbst schafft, alle Bedingungen zu erfüllen.

Welche das genau sind, steht ohnehin noch nicht abschließend fest. Bisher handelt es sich lediglich um einen Entwurf aus dem Gesundheitsministerium, der noch in ein Gesetz gegossen werden muss. Dass eine Krankenhausreform aber unbedingt notwendig ist, das steht für Huber und Lemberger außer Frage. "Ein ,Weiter so' hätte nicht mehr funktioniert. Wir sind momentan in der Alarmstufe Rot", so der Geschäftsführer. Aktuell liege der Krankenstand der Belegschaft bei zwölf Prozent - und damit so hoch wie noch nie. Hinzu komme der Fachkräftemangel, der inzwischen nicht mehr nur das Pflegepersonal, sondern auch die Ärzte betreffe, wie Lemberger ergänzte. Die Kreisklinik sei deshalb inzwischen dazu übergangen, ihren Beschäftigten für das Werben von Mitarbeitern eine Prämie zu zahlen.

Eine solche würde aktuell auch dem Krankenhaus selbst guttun - zumindest mit Blick auf die Energiepreise. "Die Kosten für die Klinik sind gigantisch", sagte Geschäftsführer Huber, der von einer Steigerung um 100 Prozent im Bereich der Gas- und Stromversorgung sprach. Zwar seien seitens der Regierung Entlastungen angekündigt, bisher habe man aber kein Geld erhalten. "Wir sind gespannt, was da kommt."

Grundsätzlich ist es um die finanzielle Situation der Kreisklinik aber recht ordentlich bestellt - und das ist nicht selbstverständlich. Rund 80 Prozent der kommunalen Kliniken schreiben Huber zufolge im Jahr 2022 rote Zahlen. Eine solche Flut an Defiziten habe es seit 50 Jahren nicht mehr gegeben. In Ebersberg aber stand zuletzt im Jahr 2019 ein Minus vor dem Endergebnis, in den Folgejahren konnte die Kreisklinik stets einen Gewinn erwirtschaften. Mit diesem kann die Einrichtungen ihre möglichen Defizite bis ins Jahr 2026 tilgen, so dass der Landkreis Ebersberg bis dahin keinen Verlustausgleich zu zahlen hat.

An die Kreisklinik wird im April eine Kinderarztpraxis angedockt

Auch was die Patientenversorgung angeht, hatten Huber und Lemberger gute Nachrichten im Gepäck: So soll bis Mitte 2023 der OP-Roboter "Da Vinci" angeschafft werden, der in der Urologie, Allgemeinchirurgie und in der Gynäkologie zum Einsatz kommt. Einen positiven Förderbescheid darüber habe man jüngst erhalten. Und auch an dem an der Klinik angedockten Medizinischen Versorgungszentrum wird das Behandlungsangebot ausgedehnt. Von April an soll es dort eine Facharztpraxis für Gynäkologie und eine Kinderarztpraxis geben - Letztere allerdings nur als eine halbe Stelle, denn mehr Sitze habe man laut Huber von der Kassenärztlichen Vereinigung derzeit nicht bewilligt bekommen. Dennoch wolle man versuchen, auch weitere Kinderarztpraxen im Landkreis stärker zu integrieren, um flächendeckend eine bessere Kinderversorgung auf die Beine zu stellen.

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