Süddeutsche Zeitung

Finanzen im Landkreis:Kreishaushalt: Ebersberg wird zum Schuldenberg

In den kommenden vier Jahren werden die Verbindlichkeiten des Landkreises auf ein nie gekanntes Niveau steigen. Grund sind die hohen Investitionen in Schulen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Einen Gipfel zu erklimmen, erfordert einiges an Vorbereitung - das gilt auch für den Schuldenberg. Auf einen solchen strebt auch der Landkreis Ebersberg zu, in der aktuellen Haushaltssitzung des Kreis- und Strategieausschusses ging es nun auch darum, wie sich diese Entwicklung gestalten lässt, ohne die Finanzen zu überfordern. Dabei kommt dem Landkreis möglicherweise eine für andere eher unangenehme Sache zu Hilfe.

"Ein großes Werk ist wieder einmal vollbracht", sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in der jüngsten Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses (KSA). In den vergangenen Wochen und Monaten haben die Fachausschüsse ihre Budgetvorstellungen für das kommende Jahr erarbeitet, als letzter war nun der KSA an der Reihe. Dieser brachte den Entwurf des Kreishaushaltes auf den Weg. Die endgültige Fassung wird am 2. Dezember im Ausschuss behandelt, beschlossen werden soll das Zahlenwerk dann in der nächsten Kreistagssitzung am 16. Dezember.

63 Millionen Euro haben die fünf Ausschüsse zur Verfügung

Falls sich in der Vollversammlung keine Änderungen ergeben - was eher selten der Fall ist -, werden die fünf Fachausschüsse kommendes Jahr insgesamt ein Budget von 63,6 Millionen Euro verwalten. Die mit einigem Abstand größte Summe geht dabei an den Ausschuss für Soziales, Familie, Bildung, Sport und Kultur mit 18 Millionen Euro, 14,1 Millionen bekommt der Jugendhilfeausschuss und über 13,1 Millionen kann der Ausschuss für Liegenschaften, Schulbauten und Vergaben verfügen. Das Budget des KSA selbst beträgt kommendes Jahr 11,8 Millionen Euro, 6,5 Millionen gehen an den Ausschuss für Umweltangelegenheiten, Naturschutz, Abfallwirtschaft, Landkreisentwicklung, Regionalmanagement und Verkehrsstruktur.

Für Investitionen, unter anderem in die Erweiterung des Vaterstettener Gymnasiums und der beiden Förderzentren in Poing und Grafing sowie die Sanierung der Realschule Ebersberg, sind 19,2 Millionen Euro vorgesehen. Weitere 1,13 Millionen ergeben sich, weil der Landkreis von Januar an die München-Zulage für seine Angestellten einführt, mit gut 400 000 Euro wird die Einstellung neuer Mitarbeiter im Landratsamt zu Buche schlagen. Die letzten beiden Posten sollen aus dem Ergebnisüberschuss gegenfinanziert werden, der dadurch auf 6,6 Millionen Euro sinken würde. Durch einen Zuschuss von 1,7 Millionen aus einem anderen Topf - der Rückstellung für eine eventuelle Erhöhung der Bezirksumlage - liegt der Überschuss dann wieder bei 8,3 Millionen.

Vor allem die beiden Schulprojekte werden viel Geld kosten

Eine Summe, welche der Finanzmanagerin des Landkreises eigentlich immer noch zu niedrig ist. Denn laut Brigitte Keller sollen es mindestens zehn Millionen Euro Überschuss sein. Grund sind die anstehenden Investitionen, allen voran die beiden neuen Schulen. In Poing soll das fünfte Gymnasium des Landkreises entstehen, in Grafing-Bahnhof ist die erste Berufsschule geplant. Konkrete Kostenberechnungen gibt es zwar noch keine, die aktuellen Prognosen gehen aber von jeweils 50 bis 60 Millionen Euro aus. Darum solle sich der Landkreis bemühen, über hohe Ergebnisüberschüsse einen möglichst hohen Eigenanteil leisten zu können.

Denn der Finanzplan für die kommenden Jahre ist sportlich. Nach 19,2 Millionen im kommenden Jahr rechnet die Kämmerei mit rund 30 Millionen Euro an Investitionen in den beiden darauffolgenden Jahren und sogar mit 46 Millionen im Jahr 2023. Was sich natürlich auf den Schuldenstand auswirkt. Im kommenden Jahr ist geplant, dass der Abbau der Verbindlichkeiten zwar noch einmal weitergeht, von vermutlich 35,9 Millionen Euro Miesen am Jahresbeginn sollen im Dezember noch 33,5 Millionen übrig sein. Ende 2021 erwartet die Kämmerei allerdings bereits 49,4 Millionen Euro Schulden, ein weiteres Jahr später sollen es 66,2 Millionen und bis Ende 2023 sogar 105,3 Millionen sein.

Für Grünen-Kreisrat Reinhard Oellerer ist die Entwicklung "bedrohlich"

Eine Summe, die einigen im Gremium ganz offensichtlich Unbehagen bereitete. Reinhard Oellerer (Grüne) nannte die Entwicklung sogar "bedrohlich" vor allem, wenn er bedenke, dass ja auch noch ein neues Landratsamt und der Umbau der Notaufnahme an der Kreisklinik auf der Wunschliste stehe. Er erinnerte an die Finanzleitlinie des Landkreises, in der fünf Warnindikatoren formuliert sind. Drei davon - zum Schuldenabbau, zum Schuldendienst und zur Schuldenobergrenze - werden auch nach Angaben der Kämmerei in dem aktuellen Plan nicht eingehalten. Weshalb Oellerer seine schon häufiger geäußerte Forderung erneut wiederholte: Die Kreisumlage müsse erhöht werden.

Aktuell beträgt der Hebesatz 46 Punkte, was 2020 etwa 85 Millionen Euro ergibt, gut 3,8 Millionen mehr als im aktuellen Jahr. Laut CSU-Kreisrat und Vaterstettens Zweitem Bürgermeister Martin Wagner bedeutet das alleine für seine Gemeinde Mehrausgaben von 1,2 Millionen Euro. Denn auch bei gleichbleibenden und sogar bei den in der Vergangenheit gelegentlich gesenkten Hebesätzen sei es nie zu einer wirklichen Entlastung der Kommunen gekommen: "In Summe steigt es jedes Jahr um mehrere Millionen an."

Grund dafür ist die steigende Wirtschaftsleistung und die damit einhergehende höhere Umlagekraft der Kommunen. Ein Faktor, auf den man auch in Zukunft dringend angewiesen sei, sagte Alexander Müller (FDP), für den man aber selbst nicht garantieren könne: "Es ist Aufgabe der großen Politik, die Wirtschaft am Laufen zu halten." Zweifel daran kamen von Waltraud Gruber (Grüne), "dieses ewige Wachstum kann nicht so weitergehen". Für die anstehenden Investitionen des Landkreises wäre dies aber nicht schlecht, befand Albert Hingerl (SPD), "wie wollen wir es denn sonst alles finanzieren?" Dass dies aber möglich sei, davon zeigte sich Poings Bürgermeister überzeugt, "es braucht Vertrauen in die Zukunft, die Finanzierung ist machbar". Und auch notwendig, sagte Renate Will (FDP), schließlich gehe es um Investitionen in die Bildung, und diese "kommen allen zugute."

Noch stehen die endgültigen Zahlen nicht fest

Niedergesäß verwies darauf, dass es sich ja ohnehin nur um Plan-Zahlen handele, "wir wissen nicht, wie es sich entwickelt, man sollte nicht den Teufel an die Wand malen". Zwar könnten manche Investitionen sogar noch teurer werden, "anderes wird dafür auf der Zeitachse nach hinten wandern".

Was das sein könnte, wurde kürzlich bekannt: das Poinger Gymnasium. Dieses liegt im Umgriff eines Bebauungsplanes, der auch ein großes Wohngebiet umfasst. Dieses hat nach Meinung der Nachbargemeinde Pliening schädliche Auswirkung auf das eigene Gebiet, etwa durch die Verkehrszunahme. Weshalb die Plieninger kürzlich eine Normenkontrollklage eingereicht haben. Und auch wenn sich diese gar nicht gegen das Gymnasium richtet, sind dessen Planung und Bau ebenfalls betroffen, eine Verzögerung um einige Jahre gilt als nicht unwahrscheinlich. Was für die Poinger, die die neue Schule seit gut einem Jahrzehnt fordern und die Kinder in den bereits gut gefüllten bestehenden Gymnasien eher keine gute Nachricht ist. Für den Kreishaushalt könnte es aber genau eine solche sein, denn dadurch würde eine zeitliche Entflechtung der beiden größten anstehenden Projekte möglich - und der Schuldenberg am Ende ein wenig flacher.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2019/aju
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