Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Kommunen müssen ihr Trinkwasser untersuchen

Für die Untersuchung auf Radioaktivität wurde Städte und Gemeinden im Landkreis Ebersberg jetzt eine Frist gesetzt.

Analyse von Jan Schwenkenbecher, Ebersberg

Trinkwasser gilt als das am besten kontrollierte Lebensmittel des Landes, das liest man immer wieder. Seit 2001 existiert in Deutschland die Trinkwasserverordnung, sie gibt klare Grenzwerte für die verschiedenen Stoffe vor. Die Versorger müssen diese einhalten, müssen dem Gesundheitsamt die Ergebnisse ihrer regelmäßigen Untersuchungen vorlegen. Ende 2015 wurde der Trinkwasserversorgung ein neuer Punkt hinzugefügt: die Messung der Radioaktivität.

Was diese Änderung künftig für die Kommunen bedeutet, darüber informierte jüngst Hermann Büchner, Leiter des Ebersberger Gesundheitsamts, die Bürgermeister des Landkreises. Die Neuregelungen betreffen sie, da die meisten Gemeinden eigene kommunale Unternehmen besitzen, die die Wasserversorgung übernehmen. "Private Wasserversorger [...]existieren nur noch wenige", schreibt das Landratsamt Ebersberg auf seiner Webseite.

Radioaktivität im Trinkwasser, das kann schon mal vorkommen. Zum einen können Gesteinsschichten radioaktive Stoffe enthalten, etwa das Metall Uran oder das Gas Radon. Das ist besonders in manchen Gebirgen so, wo Trinkwasser herkommt, etwa im Bayerischen Wald, im Schwarzwald oder im Erzgebirge. Kommt das Wasser mit den radioaktiven Elementen in Berührung, gelangen kleine Teilchen von ihnen ins Wasser. Zum anderen ist eine Kontamination durch Dünger möglich.

Phosphatdünger enthalten in kleinen Mengen auch Uran, Teile davon können vom Feld ins Grundwasser durchsickern. In der Regel sind diese Mengen aber verschwindend gering, sodass deren Strahlung nicht schädlich für die Gesundheit ist. Bei Uran kommt jedoch hinzu, dass das Metall abgesehen von der Strahlung noch eine chemisch-toxische Wirkung hat, also schlicht giftig ist. Für diese Komponente bestehen seit dem Jahr 2001 Grenzwerte in der Trinkwasserverordnung.

Die Messung von Radioaktivität ist allerdings etwas komplexer; dass sie erst jetzt verbindlich umgesetzt wird, hat eine längere Vorgeschichte. Die deutsche Strahlenschutzkommission (SKS), die das Umweltministerium berät, war noch 1995 der Meinung, dass der Anteil von Radon im Trinkwasser zu vernachlässigen sei. 2001, als die Trinkwasserverordnung erlassen wurde, waren in ihr noch keine Richtlinien formuliert, nach denen die Messungen der Radioaktivität zu erfolgen hatten. 2003 änderte die SKS ihre Haltung dann und schlug vor, für das Isotop Radon-222 einen Grenzwert einzuführen.

Nur zwei Labors in Bayern haben die entsprechende Zulassung

Das Bundesamt für Strahlenschutz untersuchte daraufhin zwischen 2003 und 2008 in ganz Deutschland Trinkwasser auf Radioaktivität. Die Ergebnisse zeigten, dass Gesundheitsgefährdungen nicht zu erwarten waren, es aber dennoch einige Hot-Spots gab, an denen erhöhte Werte beobachtet wurden - eben jene Gebirge, die vor allem im mittel- und süddeutschen Raum liegen. Das Umweltministerium erarbeitete 2012 einen Leitfaden, der Anforderungen und Kriterien zur Überwachung von Radioaktivität im Trinkwasser formulierte. Zudem erließ 2013 auch der Rat der Europäischen Union eine solche Richtlinie. Im November 2015 wurde die Trinkwasserverordnung schließlich um den Punkt Radioaktivität ergänzt.

Neu entstehende Versorger müssen ihr Wasserangebot nun sofort auf Strahlung testen. Für bereits bestehende Versorger und kommunale Unternehmen im Landkreis Ebersberg gilt eine Frist, bis zum 26. November 2019. In den nächsten zweieinhalb Jahren müssen die Unternehmen nun je eine Probe aus allen vier Quartalen des Jahres untersuchen lassen. "So sollen auch die jahreszeitlichen Schwankungen beobachtet werden", sagt Büchner, "insgesamt geht es aber um die Belastung pro Jahr." Den Mittelwert also.

Untersucht wird auf mehrere radioaktive Elemente. So darf etwa Uran-238, eines von vielen verschiedenen radioaktiven Isotopen des Elements Uran, den Parameterwert von 0,1 Millisievert pro Jahr - eine Einheit zur Messung der Strahlendosis - nicht überschreiten. Zum Vergleich: Berechnungen des Umweltministeriums zufolge war 2014 jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich 2,1 Millisievert ausgesetzt, etwa durch die kosmische Strahlung. Hinzu kam die zivilisatorische, die menschengemachte Strahlung, die bei durchschnittlich 1,9 Millisievert lag.

"Man muss dann nicht gleich die Wasserversorgung stilllegen"

Die Untersuchungen, die die Versorger nun durchführen müssen, sind einmalige Erstuntersuchungen. Damit ist es dann erst mal getan. "Werden die Parameterwerte nicht überschritten, sind regelmäßige Untersuchungen nicht mehr notwendig", sagt Büchner. Diese fallen erst an, "wenn sich etwas ändert, wo man annehmen müsste, dass sich auch die Radioaktivität im Wasser geändert hat." Ein Unfall in einem Kernkraftwerk etwa. "Bei uns ist eigentlich nicht davon auszugehen, dass die Werte überschritten werden", so Büchner.

Doch selbst wenn der Parameterwert überschritten werden sollte, ist das noch keine unmittelbare Gefährdung. "Es ist durchaus möglich, dass der Wert nur geringfügig überschritten wurde", sagt Büchner und meint mit geringfügig maximal den 1,2-fachen des Normalwerts. "Man muss dann nicht gleich die Wasserversorgung stilllegen. Sondern versucht, das anders in den Griff zu bekommen", sagt er.

Das Problem ist also nicht die Radioaktivität selbst, denn es ist nicht zu erwarten, dass das Ebersberger Wasser dahin gehend kontaminiert ist. "Das Problem ist, dass es nur sehr wenige Labore gibt, die auf Radioaktivität untersuchen können", so Büchner. Das Verfahren ist sehr spezifisch, nur dafür eigens zugelassene Labore dürfen die Untersuchungen durchführen. "Zur Zeit gibt es da meines Wissens in ganz Bayern nur zwei Labore", sagte Büchner. "Wir haben nun darauf hingewiesen", so Büchner, "dass man das jetzt schon machen sollte, da es kurz vor Schluss zu Engpässen kommen könnte."

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SZ vom 14.03.2017/koei
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