Ebersberg:Knirschen ist auch eine Kunst

Premiere bei den Kulturtagen: Das Projekt @work öffnet Jugendlichen den Zugang zur Technik bei Film und Bühne - mit erstaunlichen Ergebnissen

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Zwei Bürsten, ein Kissen. Zwei Hände, die gleichmäßig rhythmisch die Bürsten über das Kissen streichen. Ein Mikrofon. Ein Steuerpult. Aus dem Lautsprecher erklingt eine kräftige Brandung. Obwohl es doch vom Ebersberger Jugendzentrum bis zur Atlantikküste weit über tausend Kilometer sind. Aber wer will schon ankämpfen gegen die Illusion? Wo sie doch mit digitaler Perfektion längst schon die elektronischen Medien durchdrungen hat. Kein Hörspiel, keine Fernsehserie, kein Spielfilm, die ohne künstlich erzeuge Klänge und Effekte auskämen.

Seit sich das Schauspiel von der Bühne auf die Leinwand begeben und aus der Stummheit in die Tonwelt gewechselt ist, gehört der Geräuschemacher zur Filmcrew. Gleichwohl ist das Berufsbild eher unbekannt. Für junge Menschen, die sich in der Phase der Berufsorientierung befinden, bietet es die Chance, künstlerische Kreativität und Begeisterung für Technik miteinander zu verbinden. Gut acht Stunden hat sich am Samstag im Rahmen der Kulturtage Ebersberg ein knappes Dutzend Jugendlicher Zeit dafür genommen, es mal so richtig mit einem Sack voller Speisestärke knirschen zu lassen oder mit einem Ball, in dem sie eine Metallkugel kreisen lassen, den Klang einer Hummel zu imitieren.

Max Bauer aus Ebersberg, einer der angesehensten Geräuschemacher und Tongestalter der Branche, hat sie als Mentor in die Grundlagen seiner Kunst eingeweiht, ihnen ein paar Tricks verraten und, das wichtigste von allem, ihr Talent gekitzelt und ihre Leidenschaft geweckt. Das ist essenziell, weil das Handwerk allein eben nicht ausreicht, um die Kunst erblühen zu lassen. Wenn man sich das Ergebnis betrachtet, eine Geräuschfantasie im Quartett, die in Donnerhall und schnarchendem Inferno endet, sowie vier live vertonte Kurzfilme, alles innerhalb eines halben Tages, dann dürfen Publikum und Rezensent guten Gewissens die Begeisterung teilen, die sich in den Gesichtern und Gesten der Akteure spiegelt.

Was, ohne Abstriche, auch für das Ergebnis des zweiten Workshops gilt, bei dem eine andere Gruppe, geleitet von Anton Kaun, einem Noise-Artist und Visual-Jockey, die Bilder zu den Tönen ersann und ihnen vorzeigbare Form gab, "live visuals" und "performances" genannt, eben jene vier Kurzfilme. In der Schnittästhetik und bei den Verfremdungseffekten beim spontanen Hinsehen nicht von professionellen Werken zu unterscheiden, ist es den Beteiligten gelungen, mit einem Null-Budget anregende Bilder zu gestalten. Man nimmt, was im Jugendzentrum sowieso herum steht und liegt, ein paar Billardkugeln hier, einen Kehrbesen da, schafft Bewegung, geht ins Detail, setzt Lichter und Filter, verfremdet munter und reduziert gelassen, addiert einige flott hingeworfene Strichzeichnungen zur Animation - und schafft eine fantasievolle Bildsprache. Die Minuten-Clips sind spannend und einprägsam, binden den Blick der Zuschauer, machen Lust auf den jeweils folgenden Film, das könnte noch eine Zeitlang so weitergehen, zumal ja die Geräuschemacher ihren Teil zum sinnlichen Erlebnis beitragen.

Im Hintergrund des Workshops hat das Meta-Theater aus Moosach gewirkt, in seiner Experimentierfreude sicher ein reicher Fundus für die Bühnen und Bildschirme von morgen. Der Idee, auch der Technik Zauber zu verleihen, sei großes Lob gezollt, wo es doch für Schulabgänger schwer genug ist, sich ein lebendiges Bild ihres künftigen Berufs zu machen und sich vor der Brotlosigkeit von Kunst zu sorgen. Ihre inspirierten Werke vom Samstag hätten ein viel größeres Publikum verdient gehabt.

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