Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Ein Fest für alle

Zum 100. Geburtstag des Klosterseebads in Ebersberg laden mehrere Vereine zu einer mehrtägigen Party am Ufer ein. Tausende sollen kommen. Ein Programmpunkt: Das sagenumwobene Fischerstechen.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Das waren noch Zeiten. Da brauchte es keine Abstandsregeln, weil das Bad damals mit Holzwänden eingekastelt war. Einst allein den Frauen vorbehalten, wähnten sie sich im Damenbad "Zur immer blühenden Hoffnung" hinter sicherem Blickschutz. Doch da hatten sie die Rechnung nicht mit den findigen Ebersberger Kahnfahrern gemacht. Die wussten genau, an welcher Stelle die Holzwand Astlöcher bereithielt. Und so erhaschten sie den ein oder anderen verbotenen Blick auf den ein oder anderen freigelegten Frauenknöchel.

Die Geschichte der berühmtesten Ebersberger Badeanstalt ist mehr als ein Jahrhundert alt. Einst war das Bad nur für Frauen reserviert und am Ebersberger Langweiher gelegen, ehe 1922 der bis dato letzte Umzug folgte. Im Sommer wird das neue Ebersberger Bad, das seither am Klostersee liegt, nun hundert Jahre alt. Und zu diesem Anlass laden mehrere Ebersberger Vereine in einem Gemeinschaftsprojekt zu einem Fest ein, das dem Vernehmen nach mächtig, gewaltig und riesig werden soll. Eines ist sicher: Holzwände werden die Gäste diesmal nicht aufhalten.

Gefeiert werden soll am ersten Juliwochenende, von Freitag, 1. Juli, bis Sonntag, 3. Juli. Veranstalter sind neben Kreisheimatpfleger Thomas Warg der Ebersberger Verschönerungs-Verein und die Freunde des Klostersees. Bei der Bekanntgabe der Pläne am Freitagnachmittag am Klostersee-Ufer stellten sie nun in Geleit eines TSV Wasserwachtlers vor, was die Besucher erwartet.

Ein Höhepunkt ist das Fischerstechen

Geplant ist ein Fest, bei dem die Programmpunkte Vertilgung und Mundbefeuchtung wie bei jedem bayerischen Fest, das diesen Namen verdient, einen wesentlichen Anteil haben. Zweites Leitmotiv des Badfestes soll tatsächlich das Geburtstagskind selbst sein, also das Klosterseebad.

Für Freitagabend sind die Pläne schon recht konkret. Bis spät in die Nacht werden auf einer Leinwand Filme aus den Anfängen der Badeanstalt aus den 1920er und 1930er Jahren gezeigt. Eine der Hauptattraktionen wird dann am Samstag zu bewundern sein. Das sogenannte Fischerstechen.

Das Fischerstechen muss man sich vorstellen wie ein Ritterturnier, nur mit weniger Rüstung. Die Gegner bewegen sich aufeinander zu - auf Kähnen, weil Pferde untergehen würden - und versuchen sich mit Lanzen vom Kahn zu bugsieren. Wer nicht in den Klostersee fällt, müsste der Mittelalter-Tradition zufolge den Kuss einer Schildmaid gewinnen. Wer von der Lanze getroffen in den See plumpst, braucht sich nicht allzu große Sorgen um seine Gesundheit zu machen. Denn der See ist im Juli bacherlwarm und die Lanzen haben vorne einen Ball, der die Verletzungsgefahr erheblich verringert.

Für Freunde der feineren Umgangs- und sonstigen Formen wollen die Vereine sich der Haut Couture historisch nähern. Anders gesagt: Es soll eine Modenschau geben, bei der die Mannequins alte Bademode tragen. Also solche Kostüme, die Mann vor einem guten Jahrhundert wenn dann nur durch Astlöcher beobachten konnte.

Ihre Verästelungen untereinander haben sich die Vereine in der Region erhalten. Trotz Corona und allem. Die vier Chefplaner haben keine One- beziehungsweise Four-Man-Show im Sinn. Bereits jetzt sind lokale Mitgestalter für das Programm angekündigt: der Gartenbauverein, der Faschingsverein, der Fischerverein, die Feuerwehr, der Burschenverein, der Bund der Selbständigen und die Ebersberger Stadtführer.

Erwartet werden von Freitag bis Sonntag insgesamt um die 3000 Gäste. Um Parkplatz-Gefechte zu verhindern - sei es mit oder ohne Lanze - stellt der Faschingsverein wie so oft seinen Shuttle-Zug "Josefine" bereit, der dann zwischen Volksfestplatz, Marktplatz und Seeufer Gäste umherkutschiert. Geplant sind zudem Live-Musik, Lagerfeuer und eine Kulinarik-Auswahl, bei der sämtliche Astlöcher dieser Welt in Vergessenheit geraten: Kaffee, Kuchen, Spanferkel, Schaf und Schaschlik vom Grill, Salate, Pommes, Pizza und eine Liste an Getränken - darunter, Bier, Wein, Spezi und Apfelschorle. Ausgeteilt und ausgeschenkt wird in unzerbrechlichem Öko-Material.

Vor allem junge Leute sollen angesprochen werden

Der Sonntag soll zum Familientag werden: Zaubern mit Roswitha Hülser steht auf dem Programm, Märchenerzähler Warg, Kinderschminken, Seespiele, Führungen rund um den Klostersee, Schwimm-Wettbewerbe, Malspiele. Irgendwo wird ein Kinderzug des Faschingsvereins zu finden sein - und ein echtes Feuerwehrauto.

Warum sie das alles machen? Die Vereine erklären, dass es aus ihrer Sicht bald an der Zeit sei, "wieder näher zusammenzurücken". Nicht zuletzt auch, um die Vereine zu erhalten. Die drei Sprecher berichten, dass in fast jedem Verein die Mitgliederzahlen zurückgehen würden, weil der Nachwuchs fehle. Deswegen wolle man bei diesem Mehrtagesfest "besonders die jungen Leute" ansprechen. Am Samstag etwa, da soll bis spät am Abend gefeiert werden.

Im Jahr 1904, so ist es überliefert, wetterte seinerzeit der Pfarrer von der Kanzel. Dass das neue Damenbad in Ebersberg der Männerschaft alles andere als wohl täte, so die Einschätzung des Geistlichen. Anfang Juli, so die Hoffnung der Veranstalter, wettert bitte niemand von oben, vom Inzidenz-Dashboard oder sonst wo. Idealerweise auch nicht der Himmel.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5527306
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/moo/koei
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.