Ebersberg - Raphael Brandes freut sich über jeden Kunden, der in seinen Bioladen "Landgenuss" nach Markt Schwaben kommt. Über die Kunden aber, die am Ende des Einkaufes an der Kasse eine kleine blaue Karte vorzeigen, ganz besonders. Dann nämlich werden zwei Prozent des Einkaufs an einen Verein oder eine gemeinnützige Initiative gespendet. Denn Brandes macht mit seinem Bioladen und dem Wirtshaus im Oberbräu mit beim Projekt "Bürger vermögen viel". Der Verein fördert - mithilfe von Unternehmen und Geschäften - soziale Einrichtungen und Vereine. Das Prinzip ist so einfach wie gut: Zeigt jemand die sogenannte Bürgerkarte in einem Geschäft oder einem Restaurant, das an der Aktion beteiligt ist, vor, werden zwei Prozent des Rechnungsbetrags an einen Verein oder Projekt gespendet. Wem das Geld zugute kommt, entscheidet der Kartenbesitzer. So gewinnen alle Seiten: Die Vereine werden finanziell unterstützt, die Unternehmen bekommen Werbung und Aufmerksamkeit. Ein weiteres Prozent geht außerdem in einen regionalen Fördertopf, über dessen Verteilung einmal im Jahr ein "Bürgerparlament" entscheidet. Stimmberechtigt sind dabei alle bei "Bürger vermögen viel" angemeldeten Verbraucher aus dem Landkreis. Beschließen diese, keine Abstimmung durchzuführen, wird der Fördertopf gerecht unter den beteiligten Projekten in der Region verteilt. "Eine super Idee", findet Brandes, denn durch die Bürgerkarte würde einerseits Gutes getan und andererseits Kundschaft an seinen Laden gebunden. "Das Problem ist ja immer, dass die Geschäfte von den Vereinen gebeten werden, etwas zu spenden, und danach kommt niemand zum Einkaufen," erklärt Brandes die Problematik.
Initiator des Projekts ist Klaus Kopp. Der Ebersberger Architekt war schon lange auf der Suche nach neuen Wegen für Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung. Ende 2012 hatte er die Idee für die Bürgerkarte. Den Anfang machte der Landkreis Landsberg am Lech, seit 2014 gibt es die Bürgerkarte auch in Ebersberg. Finanziert hat Kopp das Projekt selbst, nur unterstützt durch einen kleinen Freundeskreis. Neben der Förderung der regionalen Vereine will Kopp die Eigenständigkeit von "Bürger vermögen viel" erreichen: Deswegen gehen weitere 0,5 Prozent des jeweiligen Einkaufs an die Organisation der Bürgerparlamente. Denn irgendwann soll sich das Netzwerk einmal selbst tragen. "Das ist aber noch Zukunftsmusik", sagt Kopp, "die Eigenfinanzierung klappt erst, wenn ganz viele mitmachen". Bis dahin wird das Projekt ehrenamtlich organisiert.
Wichtig ist Kopp auch der Datenschutz: Lässt man sich die Bürgerkarte zuschicken, muss man nur seine Postdaten angeben, keinesfalls aber seine Kontoverbindungen. Auf der Plastikkarte festgehalten ist nur eine sechsstellige Nummer, die das ausgesuchte Förderprojekt kennzeichnet. Nur sie muss bei einem Einkauf der Unternehmer ins System eingeben, um den Spendenbetrag zu registrieren. Somit wird die Anonymität des Kunden gewahrt.
Mitmachen können eigentlich alle Initiativen und Vereine, nur erkennbar unseriöse Projekte werden abgelehnt. Derzeit können 25 Projekte aus unterschiedlichsten Bereichen gefördert werden: Die Liste reicht vom Aktionskreis Energiewende Glonn über das Heimatmuseum Markt Schwaben und die Aßlinger Tafel bis hin zum Förderverein der Handballabteilung des TSV Ebersberg und der Bürgerinitiative "Grafing summt", die sich für Erhalt und Schutz von Bienen einsetzt. Mitglied der ersten Stunde ist der Förderverein der evangelischen Kirchengemeinde Ebersberg-Kirchseeon. Sein Kontostand beim "Bürger vermögen viel" steht mittlerweile bei 365 Euro. "Das klingt vielleicht nicht viel, aber ohne dass man irgendwas dafür getan hat, finde ich das schon ganz nett" freut sich Bärbel Körner, ehemalige Vorsitzende des Fördervereins. Den Projekten gegenüber stehen 34 Unternehmen, die sich an dem neuen Spendensystem beteiligen: Supermärkte, Apotheken, Optiker, Restaurants und Praxen sind darunter.
Für Koop aber könnte der Bekanntheitsgrad der Bürgerkarte gerne noch viel größer sein. Deswegen ist der Initiator immer auf der Suche nach weiteren Unternehmen im Landkreis, die "Bürger vermögen viel" mit einer Mitgliedschaft unterstützen möchten. Vor allem aber müsse das Projekt bei den Vereinen bekannter gemacht werden, so Kopp. Am Sonntag, 4. Oktober, findet in Ebersberg die Ehrenamtsmesse statt, dort will er die Werbetrommel ganz laut rühren. Doch ganz alleine könne er das Projekt nicht genügend vorantreiben: Es liege auch bei den Vereinen selbst, die Bürgerkarte mit der Fördernummer unter den Mitgliedern zu verteilen und bekannt zu machen, genauso wie die Läden, in denen sie angenommen wird, so Kopp. "Wenn sich ein Verein nur anmeldet, dann passiert da erst mal gar nichts, man muss den Mitgliedern schon sagen, dass man dabei ist."
Folgende Läden im Landkreis nehmen die Bürgerkarte an: Aßling: Die Continentale-Versicherung, Mediengarage Lorenzenberg; Baiern: Hofkäserei Stroblberg; Bruck: Wirtshaus Taglaching; Ebersberg: Scheiderei Ali Saritas, La Vita Praxis Renate Kopp, Fahrzeugpflege Ebersberg, Bistro Speisekammer, Rewe Ebersberg, Biomarkt Korn, Gasthof Hölzerbräu, Spielwaren Drachenstube, Optik Lochner; Grafing: NFS-Medizin und Brandschutz, Sanvithek-Apotheke, Optiker "Die Brille", Marien-Apotheke, Biomarkt Korn; Kirchseeon: Memon Bionic Instruments; Markt Schwaben: Bioladen Landgenuss, Wirtshaus im Oberbräu, Fotostudio Daschner; Zorneding: Steffi's Schreibwaren. Mehr Infos, etwa zu den geförderten Vereinen und Projekten gibt es unter www.buerger-vermoegen-viel.de.