Pleite vor Gericht:Landkreis setzt Hunderttausende Euro in den Sand

Pleite vor Gericht: Eigentlich ist das Gymnasium in Kirchseeon noch recht neu, wegen der Rückkehr zu G9 muss die Schule aber bereits jetzt erweitert werden.

Eigentlich ist das Gymnasium in Kirchseeon noch recht neu, wegen der Rückkehr zu G9 muss die Schule aber bereits jetzt erweitert werden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Rechtsstreit um die Finanzierung des Kirchseeoner Gymnasiums ist abgeschlossen - mit keinem guten Ende für das Landratsamt. Der Vorgang ruft nun mehrere Kreistagsfraktionen auf den Plan, die sich übergangen fühlen und der Verwaltung Vorwürfe machen.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Das Gymnasium Kirchseeon ist gerade erst gebaut worden, jetzt ist es schon wieder zu klein. Weil die Schülerzahlen stetig ansteigen und es künftig wieder neun statt acht Jahrgangsstufen auf dem Weg zum Abitur geben wird, muss die erst vor rund 15 Jahren errichtete Schule dringend erweitert werden. Am Ebersberger Landratsamt hat man zunächst aber ganz andere Sorgen, denn der ursprüngliche Bau der Bildungseinrichtung wirft noch immer seinen Schatten auf die Verwaltung. Konkret geht es um die Finanzierung, die das Landratsamt mithilfe eines privaten Investors abgewickelt hatte. Dieses Konstrukt fällt der Behörde nun auf die Füße, denn aus einem jahrelang schwelenden Rechtsstreit geht der Landkreis Ebersberg nun endgültig als Verlierer hervor - mit teuren Konsequenzen: Wie jetzt bekannt geworden ist, beläuft sich die Summe für Verzugszinsen und Verfahrenskosten auf mehr als 400 000 Euro.

Diesen Betrag wird der Landkreis sehr wahrscheinlich nie wieder sehen, was angesichts der ohnehin knappen Haushaltslage gleich doppelt schmerzt. Doch wer trägt die Schuld daran, dass knapp eine halbe Million Euro einfach in den Sand gesetzt wurde? Wäre diese Entwicklung womöglich zu vermeiden gewesen? Und wollte die Verwaltung am Landratsamt gewisse Details gar mutwillig verschleiern?

Diese Fragen soll nun der Bayerische kommunale Prüfungsverband (BKPV) beantworten, der sich des Vorgangs annehmen wird. Zu dieser Entscheidung ist der Kreis- und Strategieausschuss am Montagnachmittag einstimmig gekommen, nachdem die Fraktion der Grünen diesen Schritt per Dringlichkeitsantrag gefordert hatte und auch aus den Reihen der SPD kritische Nachfragen kamen.

Den Bau der Schule hat der Landkreis über ein sogenanntes PPP-Modell abgewickelt

Doch um was geht es eigentlich konkret? Der Landkreis Ebersberg hatte sich beim Bau des Kirchseeoner Gymnasiums für ein sogenanntes Public Private Partnership-Modell entschieden, kurz PPP. Darunter versteht man Kooperationen von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft bei der Planung, Erstellung, Finanzierung und dem Management von zuvor allein in staatlicher Verantwortung erbrachten öffentlichen Leistungen. In einfachen Worten: Ein privater Investor hat die Schule gebaut, die schließlich vom Landkreis verwaltet wurde. Die Rückfinanzierung artete dann aber 2019 in einem Rechtsstreit aus, nachdem sich das Landratsamt entschieden hatte, die entsprechenden Verträge zu kündigen und vorerst keine weiteren Zahlungen mehr zu leisten. Als Grund nannte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) die hohen Zinsen von vier Prozent, die nicht mehr zur allgemeinen Entwicklung gepasst hätten. "Deshalb haben wir aus unserer Sicht rechtsgültig gekündigt", so der Landrat in der Sitzung am Montag.

Das sah man beim Projektpartner, der Universal-Investment-Luxembourg, wenig überraschend ein bisschen anders. Es folgte ein Rechtsstreit über zwei Instanzen, den der Landkreis nun endgültig verloren hat. Diese Information, verbunden mit der Hiobsbotschaft, dass 417 000 Euro dadurch einfach futsch sind, warf vor allem bei den Fraktionen der Grünen und SPD Fragen auf. Erst in den Unterlagen zur Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses sei das Ausmaß des finanziellen Schadens sichtbar geworden, den der Landkreis durch das Vorgehen der Verwaltung erlitten habe, heißt es im Antrag der Grünen. Deren stellvertretender Fraktionssprecher Benedikt Mayer legte im Gremium nach: "Man muss das Gefühl ein bisschen unterdrücken, dass hier nicht die ganze Wahrheit gesagt wird."

Einige Politiker fühlen sich bei der Sache übergangen - und stellen kritische Nachfragen

In eine ähnliche Richtung äußerte sich SPD-Fraktionssprecher Albert Hingerl in einem Schreiben an Landrat Niedergesäß, in dem er fragt, ob bei dem Sachverhalt womöglich ein Verstoß gegen die Landkreis- beziehungsweise Geschäftsordnung vorliegt. Grüne und SPD eint der Ärger darüber, dass die politischen Gremien in dem ganzen Prozess als Entscheider außen vor waren. Die Frage steht im Raum, ob die Politik nicht hätte mehr eingebunden werden müssen. Zwar ist man im Kreistag sowie im Kreis- und Strategieausschuss immer wieder über den Stand der Dinge informiert worden, wie Hingerl in der Sitzung sagte, "aber es gab keine Beteiligung".

Dass das rückblickend nicht optimal gelaufen ist, räumte schließlich auch Niedergesäß ein. "Dass wir nicht in die Gremien gegangen sind, um den Fortgang des Verfahrens zu beschließen, war ein Fehler von uns", so der Landrat. Dieser sei jedoch nicht aus böser Absicht passiert. Tatsächlich sollte das PPP-Modell sehr wohl im Ausschuss behandelt werden, einmal musste der Tagesordnungspunkt jedoch wegen der fortgeschrittenen Sitzungsdauer entfallen, ein andermal wurde die Sitzung wegen der beginnenden Corona-Krise abgesagt. Danach, so Niedergesäß, habe man alle Hände voll zu tun gehabt, die Pandemie zu bekämpfen. Deshalb, sowie durch die zwischenzeitlich stattgefundenen Kommunalwahlen, sei das Thema etwas in Vergessenheit geraten. "Wo gehobelt wird, da fallen Späne - und es passieren Fehler", sagte Niedergesäß, der jedoch versicherte, alle Schritte in der PPP-Causa seien erst nach fachanwaltlicher Beratung aus zwei verschiedenen Kanzleien erfolgt.

Der von Grünen und SPD geforderten Aufarbeitung stand der Landrat deshalb offen gegenüber. "Es ist selbstverständlich, dass das aufgeklärt werden muss", sagte er. Dieser Ansicht schlossen sich auch die übrigen Fraktionen im Ausschuss an, die sich für eine Beurteilung durch den Bayerischen kommunalen Prüfungsverband aussprachen. Für die Kreisräte schwang bei dieser Entscheidung vor allem die Hoffnung mit, womöglich noch Versicherungsansprüche geltend machen zu können - und dadurch zumindest einen Teil des verlorenen Geldes wieder zurückzubekommen.

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