Leitprojekt:Kirche will Immobilien loswerden

Leitprojekt: Die Pullenhofener Kirche St. Kastulus - eine von 60 Kirchen im Landkreis. Ob alle von ihnen auch in Zukunft erhalten bleiben, wird in einem mehrjährigen Prozess geklärt.

Die Pullenhofener Kirche St. Kastulus - eine von 60 Kirchen im Landkreis. Ob alle von ihnen auch in Zukunft erhalten bleiben, wird in einem mehrjährigen Prozess geklärt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kapellen, Pfarrheime und andere Gebäude sind auf dem Prüfstand - alle sind langfristig nicht finanzierbar. Noch ist aber unklar, was das für den Landkreis Ebersberg bedeutet.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

In York, Pennsylvania, ist derzeit die "Trinity Evangelical Lutheran Church" im Angebot: 399 900 Dollar müssen Käufer hinlegen, um das hübsche, taubenblaue Gebäude mit den dekorativen Buntglasfenstern zu erwerben. Bis zu acht Wohneinheiten und ein Kunstatelier könnten dort Platz finden, wo früher die Gläubigen ihre Gottesdienste gefeiert und sich getroffen haben.

Auch in Bayern könnten in einigen Jahren Kirchen, Pfarrheime und Kapellen zum Verkauf stehen - die Erzdiözese München und Freising startet gerade ein Dialogverfahren, an dessen Ende die Erkenntnis stehen soll, welche Kirchenimmobilien noch gebraucht werden - und welche eben nicht. Ein schwieriger Prozess? "Auf alle Fälle", sagt der Ebersberger Dekan und Stadtpfarrer Josef Riedl. Er kann aber ebenso wie andere Kirchenverantwortliche im Landkreis Ebersberg noch ein bisschen abwarten, denn zunächst sollen zwei Pilot-Dekanate sich mit dem Thema befassen.

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, hatte sich kürzlich in einem Brief an die Pfarrgemeinden gewandt. Darin, so heißt es in einer Pressemitteilung, auch die nüchterne Frage, "wie wir mit geringer werdenden finanziellen und personellen Ressourcen unseren Verkündigungsauftrag bei den Menschen und für die Menschen in Wort und Tat erfüllen können". Die Erzdiözese wolle die Kirchenstiftungen unterstützen, die dazu notwendigen Entscheidungen zu treffen. Deshalb werde in den kommenden Jahren in allen Dekanaten der Erzdiözese das Leitprojekt "Immobilien und Pastoral" aufgesetzt.

In der Erzdiözese gibt es etwa 4000 pastoral genutzte Gebäude

Das heißt: Kirchenverwaltungsvorstände, Kirchenpflegerinnen und Kirchenpfleger, Vorsitzende der Pfarrgemeinde- und Pfarrverbandsräte sowie Verwaltungsleitungen müssen sich gemeinsam darüber klar werden, wo es bei ihnen mit der Kirche in der Zukunft hingehen soll, und welche Immobilien dafür erforderlich sind - auch im Dekanat Ebersberg.

Hier befinden sich nach Angaben einer Sprecherin des Erzbischöflichen Ordinariats 60 Kirchen, fünf Kapellen und knapp 40 Pfarrheime und Pfarrhäuser im Eigentum von Kirchen- beziehungsweise Pfründestiftungen. In der Erzdiözese mit ihren 748 Pfarreien und Kuratien gibt es insgesamt etwa 4000 pastoral genutzte Gebäude, wie Kirchen, Pfarrheime und Pfarrhäuser, darunter knapp 750 Pfarrkirchen, über 1100 Filial- und Nebenkirchen sowie etwa 1300 Kapellen.

Als erster Schritt im Prozess erfolgt nun eine Art tiefergehende Inventur: "Teil der Ausgestaltung der Gesamtstrategie ist, dass die Kirchenstiftungen auf Dekanatsebene überprüfen, welche Räume und Gebäude die Pfarreien für die Seelsorge vor Ort brauchen und wie hoch die Ausgaben für diese Gebäude sind. Anhand dessen bestimmen sie, welche darunter so gering ausgelastet oder langfristig kostenintensiv sind, dass ein weiterer Betrieb wie bisher nicht mehr sinnvoll erscheint", so die Ordinariatssprecherin. Die Zahl von Gebäuden, die nicht mehr wie bisher genutzt werden sollen, werde also erst im Zuge des Projektes ermittelt.

Auch Quoten oder dergleichen werden demnach nicht vorgegeben - es heißt also nicht, dass jedes Dekanat zehn oder 20 Prozent seiner Immobilien loswerden muss oder dass die Zahl der Kirchenmitglieder per se ausschlaggebend ist. "Die Entscheidung, welche Gebäude erhalten, welche alternativ oder gemeinsam mit anderen, beispielsweise der Kommune oder anderen örtlichen Einrichtungen, genutzt werden oder etwa auch in Wohnraum umgewandelt werden, treffen vor Ort die Eigentümer. Dies sind die Kirchenstiftungen, die dazu auf Dekanatsebene miteinander in Austausch treten sollen", erläutert die Sprecherin des Ordinariats.

Der Ebersberger Pfarrer erwartet von den beiden Pilotprojekten eine "Blaupause"

Ein zentraler Faktor bei der Entscheidung sei, welche Schwerpunkte in der Pastoral vor Ort gesetzt werden und welche Räume dafür benötigt werden. Eine Rolle spielt aber auch, wie viel Geld die Kirchenstiftungen selbst aufbringen können und welche Zuschüsse die Erzdiözese zur Verfügung stellt.

Bis tatsächlich Entscheidungen über Immobilien gefällt werden, werden aber voraussichtlich noch einige Jahre vergehen. Die Umsetzung des Projekts "Immobilien und Pastoral" ist zunächst in zwei Pilotdekanaten geplant, eines in der Stadt und eines auf dem Land, derzeit finden dazu Gespräche statt mit Dekanaten in der Seelsorgsregion Süd und in der Seelsorgsregion München. Im Anschluss und mit den Erfahrungen aus den Piloten werden alle weiteren Dekanate in der Erzdiözese in das Projekt einsteigen.

Leitprojekt: Pfarrer Josef Riedl wagt noch keine Prognose, wie das Ergebnis in Ebersberg ausfällt: "Das wäre Kaffeesatzleserei."

Pfarrer Josef Riedl wagt noch keine Prognose, wie das Ergebnis in Ebersberg ausfällt: "Das wäre Kaffeesatzleserei."

(Foto: Christian Endt)

"Das Ergebnis aus den Pilotprojekten ist dann eine Blaupause für die anderen Dekanate", sagt der Ebersberger Stadtpfarrer und Dekan Josef Riedl. Deshalb werde man erst einmal abwarten und noch nicht unnötig "die Pferde scheu machen", sagt er. Alle Prognosen, wie der Prozess für den Landkreis ausgehen könnte, seien zum derzeitigen Stadium nicht mehr als "Kaffeesatzleserei".

Pfarrheime könnten in Mietshäuser umgewandelt werden

Ob dann in einigen Jahren auch Pfarrheime oder Kirchen im Landkreis Ebersberg zum Verkauf angeboten werden, wird sich zeigen. Die Erzdiözese mache den Kirchenstiftungen keine Vorgaben dazu, wie sie mit ihren Objekten verfahren, so die Sprecherin: "Bevor es zur Verwertung oder Umnutzung einer Immobilie kommt, gibt es jedoch noch eine Reihe weiterer Optionen wie beispielsweise die gemeinsame Nutzung mit sozialen Einrichtungen oder der Kommune, die sich an den Kosten beteiligen, beziehungsweise Räume anmieten."

Angesichts des hohen Bedarfs an Wohnraum sei auch die Umwandlung in Mietwohnungen insbesondere bei den Pfarrheimen und -häusern eine Möglichkeit. Seien diese Optionen ausgelotet, werde auf Grund der stiftungsrechtlichen Vorgaben in der Regel eher kein Verkauf, sondern eine Vergabe in Erbpacht erfolgen. Dafür ist die Zustimmung der zuständigen Gremien und die Prüfung durch die Stiftungsaufsicht erforderlich.

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