Junge Kunst:Viel Platz für Botschaften

Junge Kunst: Was die Kinder sich wünschen? Eine Welt ohne Umweltzerstörung, Corona, Krieg und all die anderen Abscheulichkeiten. Auch die zehnjährige Jana macht das mit ihrem detailreichen Objekt deutlich.

Was die Kinder sich wünschen? Eine Welt ohne Umweltzerstörung, Corona, Krieg und all die anderen Abscheulichkeiten. Auch die zehnjährige Jana macht das mit ihrem detailreichen Objekt deutlich.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der landkreisweite Jugendkulturpreis ist für den Nachwuchs eine schöne Gelegenheit, den Erwachsenen mal wieder die Meinung zu sagen. Ausstellung und Verleihung finden erneut im digitalen Raum statt.

Von Anja Blum, Ebersberg

Plakativ? Bitte nicht! Wer als Künstler etwas auf sich hält, bleibt meistens lieber im Ungefähren. Positiv formuliert: Dem Betrachter soll reichlich Spielraum geboten werden für Interpretation. Doch der Nachwuchs denkt da anders. Er begreift Kunst offenbar in erster Linie als Ausdrucksmittel für Protest und Kritik. Das zumindest legt die neue Ausgabe des Jugendkulturpreises nahe, den der Ebersberger Kreisjugendring (KJR) erneut für den Landkreis ausgelobt hatte: Kaum ein Werk hat hier keine klare Botschaft. Und das, obwohl das von der Jury gesetzte Thema diesmal, ja genau, vergleichsweise viel Spielraum geboten hat für Interpretation. Die Kinder und Jugendlichen aus dem Landkreis aber haben "Platz da?!" erneut genutzt, um den Erwachsenen einen bunten, kreativen Spiegel vorzuhalten. Was sie sich von ihnen wünschen? Eine Welt ohne Umweltzerstörung, Corona, Krieg und all die anderen Abscheulichkeiten. Wieder einmal.

Junge Kunst: Beim Bild der 17-jährigen Tuana bleiben keine Fragen offen.

Beim Bild der 17-jährigen Tuana bleiben keine Fragen offen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Offenbar ist es den jungen Künstlerinnen und Künstlern wichtig, etwas Konkretes auszudrücken", sagt denn auch Philipp Spiegelsberger, der Geschäftsführer des KJR. "Man findet hier praktisch nichts Abstraktes." Bereits seit einigen Jahren werden beim Jugendkulturpreis zunehmend Werke eingereicht, die Probleme benennen und manchmal sogar Lösungen aufzeigen. Die Botschaft lautet: Lasst uns gemeinsam die Welt ein Stückchen besser machen - egal, ob das Wettbewerbsthema "Vorsicht, zerbrechlich" heißt, "Schöne neue Welt" oder "Wachsen". Und die Pandemie scheint - so schlimm sie gerade für junge Menschen ist - zumindest ihrer Kreativität Vorschub zu leisten: 2021 wurden zum Thema "Wer braucht das alles?" beachtliche 48 Werke eingereicht, heuer, zu "Platz da?!", sind es sogar nochmal deutlich mehr, nämlich 75. Und die Jury war wieder einmal zutiefst von den einfallsreichen, fantasievollen, teils witzigen und teils berührenden, aber vor allem kreativen Kunstwerken beeindruckt. "Wie originell und individuell Ihr das Thema umgesetzt habt, hat definitiv einen Applaus verdient!" Beteiligen konnten sich wieder Menschen von sieben bis 21 Jahren, entweder allein, oder in der Gruppe.

Junge Kunst: Die Verantwortlichen aus KJR und Jury freuen sich über eine große Zahl an Einreichungen: Constanze Kölbl, Sophia Stiftinger, Babsi Lux, Konrad Peters, Luci Ott, Max Bauer, Peter Hinz-Rosin (von links).

Die Verantwortlichen aus KJR und Jury freuen sich über eine große Zahl an Einreichungen: Constanze Kölbl, Sophia Stiftinger, Babsi Lux, Konrad Peters, Luci Ott, Max Bauer, Peter Hinz-Rosin (von links).

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zuletzt machte eine Zimmerpflanze das Rennen

Die Inhalte sind also eher politisch, die Umsetzungen hingegen sehr kreativ, wie es sich für einen Kunstwettbewerb gehört. Die Kinder und Jugendlichen haben nicht nur gezeichnet und gemalt, sondern auch gebastelt, gefilmt und geschrieben. So entstehen oftmals ganze Welten, in denen es jede Menge Details zu entdecken gibt. Als Material dienen Klassiker wie Papier, Holz, Farbe und Kleister, aber auch Müll, Knete, Spielzeugautos oder Legofiguren. Manche Arbeiten tragen eine erkennbar kindliche Handschrift, andere zeugen bereits von großer Könnerschaft. Manches ist deutlich von der Comic-Kultur inspiriert, Manga und Co. hinterlassen ihre Spuren. "Diese Vielfalt der Stile und Medien ist immer wieder faszinierend", lobt Spiegelsberger.

Junge Kunst: Manga und Co. hinterlassen ihre Spuren: Die Zeichnung der 16-jährigen Yoana interpretiert das Thema "Platz da?!" auf sehr differenzierte, bedrückende Weise.

Manga und Co. hinterlassen ihre Spuren: Die Zeichnung der 16-jährigen Yoana interpretiert das Thema "Platz da?!" auf sehr differenzierte, bedrückende Weise.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine erstaunlich große Menge an Textbeiträgen fällt diesmal ins Auge - vielleicht hat sie ihren Grund in 2021. Da nämlich ging der erste Preis an eine Geschichte aus der ungewöhnlichen Perspektive einer Zimmerpflanze, die über Sexismus, Rassismus und Homophobie sinniert. Besonders erfreut ist der KJR-Chef auch über die meist sehr ansprechende Präsentation der Werke: "Der wiederholte Appell der Jury, ruhig großformatig zu arbeiten und zum Beispiel Bilder auch zu rahmen, zeigt offenbar Wirkung." Genauso wie der Aufruf, sich wiederholt zu beteiligen: Es gebe einige Namen, die seien immer wieder dabei, so Spiegelsberger. "Und ihre Entwicklungen zu beobachten, ist sehr spannend."

Es gibt sogar manch sehr konkrete Hinweise, wo die Kinder Handlungsbedarf sehen

Manche der Darstellungen sind recht martialisch, man sieht Militär und Panzer. Eine meisterliche Zeichnung zeigt, wie bei der Evakuierung Kabuls den Soldaten über Stacheldraht hinweg ein Baby gereicht wird. Und ein anderes, sehr eindrucksvolles Gemälde widmet sich dem Leid der in China lebenden muslimischen Minderheit der Uiguren. Nicht minder realistisch: verwaiste, vermüllte, industrialisierte Städte. Dabei gibt es sogar ein paar ganz konkrete, regionale Hinweise, wo die Kinder und Jugendlichen in ihrer Umgebung Handlungsbedarf sehen, bei einem heruntergekommenen Bolzplatz zum Beispiel, oder in der Innenstadt. Wäre der Ebersberger Marienplatz nicht viel schöner, wenn anstatt eines Parkplatzes mehr Raum "für uns alle wäre, zum nachdenken, faulenzen, lachen oder Eis essen"?

Junge Kunst: Wie groß muss die Verzweiflung in solch einem Moment sein? Die 16-jährige Ida erinnert mit ihrer Zeichnung an die Evakuierung Kabuls.

Wie groß muss die Verzweiflung in solch einem Moment sein? Die 16-jährige Ida erinnert mit ihrer Zeichnung an die Evakuierung Kabuls.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vergleichsweise harter Stoff ist auch die Geschichte von "Hope", einem Ferkel aus der Massentierhaltung, dem gerade mal ein Quadratmeter Platz zur Verfügung steht. Wo es überall brennt und knirscht auf der Welt, zeigt ein Objekt aus einem silbernen Fuß und einer Erdkugel: Eine Liste gibt Auskunft über Rodungen, Bergbau und zahlreiche andere schädliche Eingriffe in Natur und Landschaft. Ja, diese Generation macht sich viele Gedanken - und ist der Recherche mächtig. Darüber wird sich die Jury aus Konrad Peters und Sophia Stiftinger vom KJR, Babsi Lux vom Alten Kino, Luci Ott vom Ebersberger Kunstverein, dem Geräuschemacher Max Bauer und dem Fotografen Peter Hinz-Rosin erneut sehr gefreut haben.

Junge Kunst: Dass Corona wichtige Themen wie Artenschutz oder Klimawandel beiseite räumt, macht die 12-jährige Selina mit einer Kegelbahn deutlich.

Dass Corona wichtige Themen wie Artenschutz oder Klimawandel beiseite räumt, macht die 12-jährige Selina mit einer Kegelbahn deutlich.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Aber auch weichere, soziale Themen wie Einsamkeit, Eitelkeit oder Vorurteile werden von den Kindern und Jugendlichen aufgegriffen. "Öffne dein Herz, mach Platz für dich selbst", lautet die Botschaft eines Videos, eine Buch-Collage zielt auf das "together" ab. "Doktor Punchline" wiederum richtet sich "gegen undemokratische Inhalte im Deutschrap", und zwar mit bayerischen Reimen: "Da Doktor hängt ob in da Praxis, schaut, wer lyrisch auf Achs is. Aber Fakt ist, dass ma ohne Sexismus besser im Takt is." Weniger humoristisch dagegen das fiktive Tagebuch eines Popsternchens namens "Creampuff": Hier wird eine fatale Abwärtsspirale geschildert. Es geht um Begeisterung, die in Häme und Hass umschlägt, um eine "Bubble", die sich immer enger um die Protagonistin legt, bis sie zu ersticken droht. Der Schluss ist an Dramatik kaum zu überbieten: "Ich werde es beenden, bevor sie es tun. Hätte ich nur Platz für mich selbst. Auf Wiedersehen, Welt."

Junge Kunst: Aus der Feder des 15-jährigen Tobias' stammt "Doktor Punchline".

Aus der Feder des 15-jährigen Tobias' stammt "Doktor Punchline".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Werke werden online wieder ein großes Publikum finden - das auch abstimmen darf

Leider ist es auch diesmal wegen der Pandemie nicht möglich, die Werke in einer Ausstellung live zu präsentieren. Auch wenn es total schade sei, sagt Spiegelsberger: Eine Vernissage gemeinsam mit allen jungen Künstlerinnen und Künstlern, ihren Familien und Freunden berge einfach ein zu großes Risiko. Doch wie 2021 wird der Jugendkulturpreis online ein großes Publikum finden. Denn unter dem Dach des Ebersberger Kunstvereins wurde eine Ausstellung mit allen eingereichten Arbeiten aufgebaut, anschließend fotografiert und gefilmt. So kann man in einer Online-Galerie alle Bilder, Objekte und Videos bestaunen. Die Homepage zum Wettbewerb wird am kommenden Montag, 7. Februar, freigeschaltet.

Junge Kunst: Im Studio an der Rampe hätten Ausstellung und Preisverleihung eigentlich stattfinden sollen. Nun ist dort das Material für eine Onlinepräsentation enstanden.

Im Studio an der Rampe hätten Ausstellung und Preisverleihung eigentlich stattfinden sollen. Nun ist dort das Material für eine Onlinepräsentation enstanden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und wer in der Galerie ein persönliches Lieblingswerk entdeckt, darf das kund tun: Alle Ausstellungsbesucher sollen auch dieses Mal für einen Publikumspreis abstimmen. Das Ergebnis wird dann zusammen mit den Auszeichnungen durch die Jury bei einer digitalen Preisverleihung am Freitag, 18. Februar, um 18 Uhr bekannt gegeben. Dann erst werden wir wissen, wer sich einen Platz auf dem Siegertreppchen sichern konnte.

Jugendkulturpreis für den Landkreis Ebersberg: Online-Galerie samt Abstimmung von Montag, 7. Februar, 9 Uhr, bis Sonntag 12. Februar, 20 Uhr. Digitale Preisverleihung am Freitag, 18. Februar, um 18 Uhr.

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