Süddeutsche Zeitung

Jagd:"Es gab kein einziges Wildschwein im Ebersberger Forst"

Nach zwölf Jahren im Vorstand legt Konrad Metzger sein Amt als erster Vorsitzender der Ebersberger Jägerschaft nieder. Im Interview spricht der Steinhöringer über die Entwicklung der Jagd - und die große Herausforderung für seinen Nachfolger.

Interview von Korbinian Eisenberger

Konrad Metzger war zwölf Jahre im Vorstand der Jagdgruppe Ebersberg, lange als Stellvertreter, in den vergangenen drei Jahren als erster Vorsitzender. Mit 73 hat der Steinhöringer Ingenieur nun an den 58-jährigen Karem Gooma aus Vaterstetten übergeben. Im Interview spricht der scheidende Oberjäger über das zeitaufwendige Amt, sein Verhältnis zu Landwirten - und die größte Herausforderung, die sein Nachfolger nun zu meistern hat.

SZ: Herr Metzger, warum hören Sie auf?

Konrad Metzger: Ich bin 73 und trete aus Altersgründen ab. Es war seit langem so geplant. Aber: Ich höre nur als Kreisgruppenvorsitzender auf. Nicht als Jäger.

Dass sie an Karem Gomaa übergeben, war schon vor der offiziellen Mitgliederwahl Anfang August zu vernehmen. War es schwer, einen Nachfolger zu finden?

Für den ersten Vorsitzenden findest du nicht leicht jemanden. Viele Leute wollen sich nicht in ein Korsett zwängen lassen.

Wie meinen Sie das?

Der Verein hat 750 Mitglieder, viele davon sind Jahrzehnte dabei. Bei jeder Beerdigung ist die Kreisgruppe gefordert: Der erste Vorsitzende hat mit Jagdanwärtern am Grab zu stehen. Zudem fallen jedes Jahr um die 15 größere Geburtstage an. In jedem Fall muss der erste Vorsitzende ein paar Worte sagen. Es geht bei Geburtstagen leichter als bei einer Beerdigung.

Wie ging es Ihnen mit all dem?

Es ist mir zum Teil nicht leicht gefallen. Aber es war machbar. Wichtig: dass man kommunikativ ist und kein Choleriker.

Wie kamen Sie 2017 dazu?

Drei Monate vor den Neuwahlen hatten wir jemanden, der mit Sicherheit von den Jägern akzeptiert worden wäre. Drei Wochen vor der Wahl hat er abgesagt. Weil er von seiner Firma anders aufgestellt wurde.

Also haben Sie, der damalige zweite Vorsitzende, sich erbarmt?

Wir sind damals kurz vor der Wahl auf Karem Gooma aufmerksam geworden. Ein guter Mann, er kannte aber die Leute und den Verein nicht gut und bot an, drei Jahre den Stellvertreter zu übernehmen - und dann den Vorsitz. Somit war ich der letzte, der nicht mehr nein sagen hat können.

Was wird die wichtigste Aufgabe Ihres Nachfolgers?

Vor 20 Jahren war der Fichtenverbiss und der beginnende Waldumbau das Hauptthema. Mittlerweile, ganz klar, haben wir eine große Schwarzwildproblematik.

Ihre letzte große Amtshandlung als Vorsitzender war die Unterzeichnung einer Verfügung, wonach die Jäger im Kreis Ebersberg - bei der Wildschweinjagd - künftig Nachtzieltechnik verwenden dürfen.

Die Unterschrift ist mir nicht ganz leicht gefallen.

Weil die Geräte unter Jägern nach wie vor hoch umstritten sind?

Diese Technik verursacht auch Probleme. Die Gegner werfen uns vor: Ihr macht alles nur noch mit Technik. Die Ruhe, die man dem Wild geben muss, wäre bei Nacht. Mit der Nachtzieltechnik nimmt man den Sauen dies und macht die Nacht zum Tage.

Das bayerische Innenministerium hat den Weg für die neue Technik aus mehreren Gründen frei gemacht: die rasante Vermehrung der Tiere, in Ebersberg etwa vervierfachte sich deren Zahl in den vergangenen vier Jahren. Hinzu kommt die drohende Afrikanische Schweinepest ASP.

Die ASP ist schon nahe an Deutschland dran. In Polen wurden Ausbrüche ungefähr 25 Kilometer von der deutschen Grenze gemeldet. Die Frage ist nicht, ob wir das kriegen, sondern wie schnell.

Je mehr Wildschweine frei herumlaufen, desto höher die Gefahr, dass sich die ASP in einer Region verbreitet. Überwiegt das den waidmännischen Idealismus?

Ich glaube, dass die Jägerschaft im Kreis Ebersberg dann ein großes Problem hätte. Im Sinne von: Wenn ihr das ablehnt, habt ihr noch nicht genügend Sau-Schäden.

Ohne Nachtsichtgerät braucht es bei Nacht Vollmond, sternklaren Himmel oder Schnee, um das Schwarzwild zu erkennen. Wie lief die Saujagd früher ab?

Im Park hat es sie immer gegeben. Im Ebersberger Forst hatten wir aber eine Zeit lang überhaupt kein Schwarzwild. Als ich 1975 mit der Jägerei angefangen habe, da hat es außerhalb des Parks kein einziges Wildschwein im Forst gegeben. Außer es ist ein Baum in den Zaun reingefallen, und zehn oder 15 kamen aus. Die sind dann außerhalb des Parks umhergegeistert und in kurzer Zeit erschossen gewesen. Erst in den 90er kam dann der Sauendruck.

Von wo kamen die Wildschweine?

Die Strömung ging von Nordwesten aus, Steigerwald, Odenwald, Spessart. In diesen Bereichen haben die Schweine immer bessere Lebensbedingungen gehabt und sich vermehrt. Die jüngsten und schwächsten in der Truppe müssen weichen und sich neue Reviere suchen. So sind sie Richtung Südosten bis zu uns hergekommen.

Warum sind Sauen im Forst nachtaktiv?

Wir haben sie in der Region so lange tagsüber bejagt, bis sie nur noch nachts rauskamen. Jetzt mit den Nachtsichtgeräten könnte sich die Geschichte umkehren.

Das Verhältnis von Landwirten zu Wildschweinen ist getrübt, weil die Sau dem Bauer gern mal den Weizen zertrampelt. Wie ist Ihr eigenes Verhältnis zu Landwirten?

Das ist ganz unterschiedlich. Mit den meisten Landwirten verstehe ich mich gut. Aber wir haben auch drei andere Landwirte. Die sind ein Problem, und zwar ein großes. Einen vierten von dem Kaliber würden wir wahrscheinlich nicht packen.

Warum?

Beispiel: Ein Bauer mit 200 000 Quadratmeter Wiese stellt fest, dass 50 Quadratmeter davon von Schweinen beschädigt sind. Wie reagiert er? Als würde sein Betrieb pleite gehen. Einer hat mich deswegen in bestimmten Zeiten dreimal in der Woche in der Früh um 6.15 Uhr angerufen.

Und wie reagieren Sie?

Sagen wir mal so: Mittlerweile macht dieser Landwirt das nicht mehr. Das ist aber nur gelungen, weil der scheidende Vorstand der Jagdgenossenschaft ein sehr humaner Mensch ist.

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Quelle:
SZ vom 03.09.2020/koei
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