Der Landkreis Ebersberg ist bereits ganz wunderbar in seinen "Kultursommer" gestartet. Eine Initiative, die auf mehrere Kulturschaffende zurückgeht und erhebliche Fördergelder akquirieren konnte. Doch wie sieht es sonst aus in der Branche? Was ist mit kleineren Veranstaltern? Hat die Pandemie - trotz niedriger Inzidenzen - nicht gerade auf die Kulturszene nach wie vor enormen Einfluss? Einer, der davon ein langes Liedchen zu singen weiß, ist Rudi Baumann aus Grafing.
SZ: Herr Baumann, lange nicht gehört.
Rudi Baumann: Ach ja... (seufz). Was sind das nur für seltsame Zeiten.
Sie als Musiker, Bandleader und Veranstalter sind in der Region bestens vernetzt. Was ist Ihr Eindruck? Wie geht es der Kulturszene momentan?
Oh je, das kocht gerade alles auf ziemlich kleiner Flamme - weil der zusätzliche Aufwand enorm ist, und das unternehmerische Risiko weiterhin hoch. Die Veranstalter sind nach der langen Durststrecke ja nicht nur auf Kultur, sondern auch auf wirtschaftlichen Erfolg angewiesen. Und sie sind zu Recht vorsichtig wegen der ganzen Corona-Klauseln.
Aber es sprechen doch momentan alle von den vielen Lockerungen, die nun wieder Kultur möglich machen sollen...
Ja, schon, aber die Pandemie gibt ja immer noch sehr viele Regeln vor. Im Endeffekt sind deswegen derzeit ja nur Veranstaltungen unter freiem Himmel sinnvoll möglich - und das wiederum wirft uns alle zurück auf die Kapriolen des Wetters.
Mit der Band "Schariwari" haben Sie eine kleine Open-Air-Tour unter dem Titel "Scheene Plätze" geplant, an diesem Freitagabend soll es im Klosterhof Johannesbrunn in Niederbayern losgehen.
Ja, aber die Entscheidung, ob das Konzert stattfindet oder nicht, wird sehr kurzfristig fallen. Denn die Wetterlage ist zurzeit einfach unberechenbar. Das Klima spielt so verrückt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Oft werden üble Dinge vorausgesagt wie Starkregen, Gewitter, Hagel und so weiter. Das ist nicht die Kulisse, die wir gerne hätten für eine laue, entspannte "Sommernacht" mit Schariwari.
Könnte man die Veranstaltung denn nicht nach drinnen verlegen?
Nein, das geht leider nicht, obwohl es in Johannesbrunn einen schönen großen Saal gibt, in dem wir auch schon mal gespielt haben. Das Problem ist: Der Veranstalter hat 200 Anmeldungen für draußen, drinnen ist die Anzahl der erlaubten Gäste aber wegen Corona viel kleiner. Man müsste also eine Auswahl treffen, wer rein darf, und wer nicht - doch das geht beim besten Willen nicht! Wenn aber das Wetter zweifelhaft ist, wäre es auch für uns Musiker Wahnsinn, erst so weit zu fahren und alles aufzubauen - nur um dann im Regen die kaputte Anlage und Instrumente wieder einzupacken. Es ist ein absoluter Eiertanz.

Kultur im Landkreis:Volles Programm bei Ebersberger Kultursommer
Die Veranstalter im Landkreis haben dank einer mobilen Bühne erstmals ein gemeinsames Programm auf die Beine gestellt - ein Projekt, das langfristige Folgen haben dürfte.
Der nächste Schariwari-Termin steht dann in Ihrer Heimat Grafing an: am 25. Juli im Hof von Schloss Elkofen.
Richtig. Da ist der Kulturverein Zorneding-Baldham auf uns zugekommen, ob man nicht gemeinsame Sache machen wolle. Dessen Orchester spielt nämlich jeden Sommer an diesem schönen Ort, also wären Bierbänke, Bühne und Licht schon vorhanden - und wir hätten das alles einfach am Tag darauf nutzen können. Doch das Ganze ist leider schon wieder abgesagt, der Kulturverein hat einen Rückzieher gemacht. Und für uns als Vier-Mann-Band ist es nicht möglich, für nur einen Gig Bühne, Bestuhlung, Catering, Hygienekonzept und so weiter zu stemmen.
Können Sie verstehen, wenn jemand in der momentanen Lage einen Rückzieher macht?
Ja, durchaus. Haben Sie sich mal die Hygienekonzepte auch für kleinere Veranstaltungen angesehen? Zum Beispiel das von der Glonner Schrottgalerie, die beim Kultursommer im Landkreis zwei Open-Air-Konzerte veranstaltet? Da wundert einen nichts mehr. Fehlt nur noch, dass der Trompeter eine Mütze aufhaben muss.
Ärgert Sie das?
Na ja, ich verstehe sehr gut, dass wir uns alle schützen und Regeln befolgen müssen. Aber das sind schon Hemmnisse, die es Veranstaltern sehr schwer machen und den Zuschauern den Spaß verderben können. Dabei ist die Sehnsucht nach einigermaßen normaler Freizeit sehr groß.
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Und für Sie persönlich?
Ich habe sehr viel mit meinen Bands geprobt in letzter Zeit, wir dürfen das ja erst seit Ende Mai wieder - und wenn dann keines der geplanten Konzerte stattfinden kann, ist das natürlich sehr traurig. Trotzdem geht es uns allen relativ gut: Wir sind gesund, geimpft und müssen nicht von der Musik leben. Wir dürfen also nicht jammern - auch wenn das letzte Schariwari-Konzert im Februar 2020 war.
Wie steht es um die "Rauhnacht", das berühmte Mystical von Schariwari?
Dessen Tournee für Herbst beziehungsweise Winter wurde schon wieder abgesagt. Denn in diesem Fall ist ja klar, dass man nur drinnen spielen kann. Wenn aber die Säle wegen Corona nur halb voll sein dürfen, lohnt sich das überhaupt nicht: Wir sind 23 Leute auf und hinter der Bühne, diese Produktion ist echt aufwendig. Da würden wir nur draufzahlen.
Das Grafinger Kneipenfest?
Ebenfalls schon gecancelet. Das wäre völlig aussichtslos, denn das Format lebt ja gerade davon, dass die Menschen kreuz und quer durch die Stadt wandern, von einer Bühne zur nächsten. Das aber ist mit keinem Hygienekonzept vereinbar.
Geht wenigstens was mit "Mardi Gras", Ihrem Trio?
Damit hätten wir in der Wasserburger Innenstadt spielen sollen, aber auch das wurde abgesagt. Dem Wirtschaftsbund als Veranstalter war die Rechtslage zu kritisch: Weil es da auf der Straße viel Laufkundschaft gibt, wäre die Zahl der Gäste unkalkulierbar gewesen. Und ein Konzert auf Schloss Hart in Edling wurde soeben verschoben, wegen katastrophaler Wetterprognosen. Wir spielen da jetzt an einem Montag, dem 26. Juli. Der Termin ist ein Experiment, aber da wir wegen Lärmschutz auch sonst nur bis 22 Uhr spielen dürfen, glauben wir, dass das ein sehr romantischer Wochenstart werden könnte.
Was ist mit dem "Kultursommer" im Landkreis, der auf einer mobilen Bühne viele Veranstaltungen möglich macht?
Diese Aktion ist natürlich ganz toll, auch weil die Kohle hier - dank üppiger Förderung - auf jeden Fall safe ist. Aber wir lassen da lieber all den Berufsmusikern den Vortritt, die jetzt so lange nichts verdienen konnten.
Aber das Steinhöringer Betreuungszentrum, dessen Verwaltungsleiter Sie sind, ist beim Kultursommer dabei...
Ja, richtig, und da sind wir auch sehr froh darüber. Denn so kann es endlich wieder ein Fest für unsere Bewohner geben, bei dem die Hausband spielt. Aber um diese mobile Bühne genehmigt zu bekommen, mussten wir uns durch 19 Seiten Vertrag inklusive Leitfaden und Anhänge fieseln. In bestem Amtsdeutsch. Da verstehe ich schon, wenn jemand sagt: "Das unterschreibe ich lieber nicht, bevor sie mich noch einsperren!"
Was denken Sie: Wird diesen Sommer für Ihre Bands noch was gehen?
Wir von Schariwari hoffen ganz stark auf einen Termin am Samstag, 31. Juli, am Soyener See bei Wasserburg. Sommernacht im Strandcafé - das wär schön!