Ebersberg:Ihr Kinderlein kommet

Babyboom in der Kreisklinik: Der Landkreis Ebersberg steuert auf einen Geburtenrekord zu. Eine Familie zu gründen, sei einfach wieder hip, sagt ein junger Vater

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Zwei Schnuller und zwei Babys

Wie viele Babys nach dem Lockdown geboren wurden, scheint auch mit der Schwere der Pandemie in einem Land zusammenzuhängen.

(Foto: Waltraud Grubitzsch / dpa)

Der Klapperstorch kennt keine Feiertage: Kurz vor Weihnachten füllt sich der Speisesaal in der Kreisklinik Ebersberg nach und nach, bis fast alle Vierertische besetzt sind. Etwa 30 werdende Mütter sind mit ihrem Partner oder einem Elternteil zum letzten Infoabend für Schwangere vor Weihnachten gekommen, manche tragen schon einen stolzen Bauch vor sich her. Auf den Regalen an der Seite sitzen Störche aus Plüsch, die ihre langen Beine herunterbaumeln lassen, die Tische sind liebevoll mit Schokokeksen und Sprudelwasser ausgestattet.

Kurz vor Beginn huscht noch eine Hochschwangere auf die Toilette, "Bin gleich wieder da"; die Hebamme, die gleich die Geburtshilfe der Klinik Ebersberg vorstellen wird, nickt ihr verständnisvoll zu. Normalerweise, wenn keine Feiertage ins Haus stehen, sei es bei den Infoveranstaltungen noch voller, erzählt sie; neunzig Personen und mehr drängten sich dann in den Saal, neue Stühle müssten dazu geholt werden. Die meisten der Interessenten kommen aus dem Landkreis, so wie Klara H., 28. Sie ist noch ganz am Anfang der Schwangerschaft, ihr erstes Kind. Im Juni wird es auf die Welt kommen.

Dieses Jahr werden es wohl fast 700 Geburten

"Es hat einfach alles gepasst", sagt sie über die Kinderplanung - Beruf, Privatleben, und auch ihre Freundinnen machen sich nach und nach ans Kinderkriegen. Es ist schon die zweite Klinik, über die sie sich mit ihrem Partner informiert; zur ersten Infoveranstaltung in München mussten sie sich anmelden und mehr als zwei Monate warten, bis sie daran teilnehmen konnten, so überfordert sind die Krankenhäuser dort mit den vielen Schwangeren.

Bayern steuert auf einen Babyboom zu: 2016 vermeldete das Landesamt für Statistik die höchste Geburtenzahl seit 18 Jahren, Tendenz steigend. Im vergangenen Jahr wurden rund 125 700 Kinder im Freistaat geboren, das sind allein 7400 Kinder mehr als noch im Jahr zuvor. Auch im Landkreis Ebersberg kommen immer mehr Babys zur Welt.

"Die Geburtenrate ist stetig gestiegen", sagt Cornelia Höß, Chefärztin der Gynäkologie an der Kreisklinik Ebersberg. Waren es 2015 noch 569 Kinder, die in der Ebersberger Klinik auf die Welt kamen, werden es dieses Jahr wohl beinahe 700. "Das ist gut für den Landkreis und die ideale Größenordnung für uns", so Höß.

Sollte die Zahl der Geburten noch weiter steigen, müsste man personaltechnisch noch mehr aufstocken als ohnehin schon: Allein in diesem Jahr hat das Klinikum eine Hebamme und drei weitere Beleghebammen angestellt. Während die Anzahl der Kaiserschnitte rückläufig ist, geht der Trend zur Wassergeburt, die in Ebersberg sehr beliebt ist.

Helen Budiman, leitende Oberärztin der Gynäkologie, sieht die Gründe für den Babyboom vor allem in der Familienpolitik, die berufstätigen Eltern immer mehr Möglichkeiten eröffne. "In den letzten Jahren wurde die Kinderbetreuung massiv ausgebaut", sagt sie, "heute lassen sich Beruf und Familie besser vereinbaren."

Faschingszug Ebersberg 2017

Cornelia Höß, Chefärztin in der Gynäkologie.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Man kann das auch umgekehrt sehen: Weil heute immer öfter beide Elternteile arbeiten gehen, müssen auch Kitas und Kindergärten aufrüsten. Mancherorts überholt dabei die Nachfrage das Angebot; ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Vaterstetten. "Im vergangenen Jahr haben wir große Probleme gehabt, genügend Betreuungsplätze für Kinder zur Verfügung zu stellen", erklärt Bürgermeister Georg Reitsberger (Freie Wähler), "heuer haben wir eine Punktlandung gemacht."

Die Gemeinde baute ihre Kitas wesentlich aus: Während es im Jahr 2012 nur 167 Krippenplätze gab, waren es dieses Jahr schon 315. Zu Beginn des Schuljahrs wurde eine neue Krippe in Baldham eröffnet. Den Anstieg der Kinderzahlen in der Gemeinde erklärt Reitsberger vor allem mit der enormen Nachverdichtung in Vaterstetten und dem Zuzug junger Familien. Mit dem Neubaugebiet Vaterstetten Nordwest etwa kommen auf einen Schlag 1500 neue Bürger in die Gemeinde; dort wird auch ein neues Kinderhaus errichtet. Als weiteren Grund sieht Reitsberger eine neue Form der Familienplanung: "Die Drei-Kind-Familie wird wieder populärer", sagt er.

Die wichtigen Dinge im Leben entscheidet man am besten aus dem Bauch heraus

Ähnliche Zahlen legen auch andere Gemeinden vor. In Ebersberg etwa gab es vor fünf Jahren noch 1174 Geburten, im vergangenen Jahr kamen 1402 Babys zur Welt. Im Vergleich: Vor zehn Jahren waren in der Stadt Ebersberg etwa 2000 Kinder weniger in Kindertagesstätten untergebracht als heute. Auch in Poing setzt man auf Kinderbetreuung. Dort stehen den jüngsten Bürgern heute etwa 700 Betreuungsplätze zur Verfügung (Stand: November 2017); vor fünf Jahren waren es knapp 600.

Ob der Zuzug in die Region, die Politik, oder einfach der Wunsch, eine Familie zu gründen der Auslöser ist - über die Gründe für den Babyboom in Bayern kann letztendlich nur spekuliert werden. Ein Kind zu bekommen, ist eine persönliche Entscheidung, die sich oft gar nicht an äußeren Wegmarken festmachen lässt. So sehen es zumindest Martha, 27, und Georg F., 29, die ebenfalls zur Infoveranstaltung in die Klinik Ebersberg gekommen sind. Im April werden sie zum ersten Mal Eltern, die Freude darüber ist ihnen anzusehen.

Der Zeitpunkt habe einfach gestimmt, erzählt Martha. Sie hatte sich eine berufliche Zielliste geschrieben: "Das wollte ich alles abhaken vor der Schwangerschaft." Georg fügt hinzu: "Ich glaube, wir sind einfach im richtigen Alter. Und es ist ein bisschen hip, Kinder zu kriegen." Weder die Familienpolitik noch vorhandene Kita-Plätze hätten sie in ihrer Entscheidung beeinflusst. Manches lässt sich vielleicht planen; die wichtigen Dinge im Leben entscheidet man jedoch einfach am besten aus dem Bauch heraus.

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