Nazi-Überfall:"Ich kann den Laden nicht einfach zu lassen"

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Das Medieninteresse an dem Nazi-Überfall auf den Döner-Imbiss am Ebersberger Bahnhof von Mohammed Gharibyar ist groß. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Rechtsextreme überfallen seinen Döner-Imbiss in Ebersberg bei München, einen Tag später hat Mohammed Gharibyar schon wieder geöffnet. "Sonst gewinnen die", sagt er.

Von Christian Endt, Ebersberg

Auf den ersten Blick ist der Schaden fast nicht mehr zu sehen. Und zwar nicht etwa, weil die Tür des "Royal Döner" inzwischen repariert wurde. Sondern weil die langen Risse und Löcher in der Glasscheibe von vielen gelben Zettelchen verdeckt werden. Mit ihnen bekunden Ebersberger Bürger ihre Solidarität mit den Opfern des fremdenfeindlichen Überfalls am Freitagabend. "Wir halten zu euch" steht auf den Zetteln, "Gegen Rassismus", "Gemeinsam für ein friedliches Zusammenleben" und einfach nur "Danke". Andere malten Blumen, Herzen oder Peace-Zeichen. Am Briefkasten hängt ein Ausdruck von Artikel drei des Grundgesetzes. Artikel eins klebt am Fahrkartenautomat neben der Tür.

Während Inhaber Mohammed Gharibyar für die Mittagskundschaft einen Kebab nach dem nächsten vom Spieß schneidet und die Fladenbrote befüllt, erzählt er von den Ereignissen am Freitagabend. Zuerst habe er gesehen, dass zwei Männer draußen am Bahnhof die sich dort aufhaltenden Asylbewerber beschimpft und auch geschubst hätten. Er habe dann von innen die Polizei gerufen. Das hätten die Täter nicht sehen können, sagt er. Sein Mitarbeiter habe draußen geschlichtet. Als die Polizei kam, seien sowohl Provokateure als auch Opfer nicht mehr da gewesen.

Die Polizei habe die Täter jedoch in der Nähe aufgegriffen und die Personalien festgehalten. Später seien die beiden dann mit Verstärkung wiedergekommen. "Sie hatten einen Baseballschläger, haben die Tür eingeschlagen, die Theke zertrümmert und einen Freund, der gerade zu Besuch war, mit einem Baseballschläger geschlagen. Der ist sofort zu Boden gegangen." Keine zwei Minuten habe das gedauert: "Die kamen rein, haben zugeschlagen und waren gleich wieder weg." Er selbst sei hinten in der Küche gewesen und habe von dort erneut die Polizei angerufen.

Gharibyar beantwortet den TV-Teams geduldig ihre Fragen

Schon am Samstag in der Früh sperrte Mohammed Gharibyar seinen Laden am Ebersberger Bahnhof wieder auf. Die zerstörte Glasplatte an der Theke hat er restlos entfernt, an der Türe lässt er die Jalousie unten, damit es nicht zieht. Sonst ist Betrieb wie immer. Zumindest, wenn nicht gerade ein Fernsehteam im Laden steht. Bayerischer Rundfunk, ZDF und Sat.1 waren am Montag zu Besuch. Allen sagt der 41-Jährige geduldig, was sie wissen wollen, routiniert erledigt er gleichzeitig das Geschäft.

Nach dem Angriff von Nazis hängen Solidaritätsnachrichten an der Ladentür. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

"Furchtbar, was passiert ist", sagen manche Kunden. Andere bestellen einfach ihren Döner wie immer. Ohne Zwiebeln; mit allem, ein bisschen scharf; nur Fleisch und Soße. Auch Gharibyars 20-jähriger Mitarbeiter arbeitet wieder. Er hat eine Schnittverletzung am Daumen von dem Überfall. "Seit wir auch Pizza machen, schaffe ich es nicht allein", sagt der Chef, der ohnehin sieben Tage die Woche in seinem Imbiss steht.

"Sonst gewinnen die"

Ob sie keine Angst hätten? Gharibyar schaut zu Boden, seine Augen wandern hin und her. "Ich kann den Laden nicht einfach zu lassen", sagt er und ringt sich ein kurzes Lächeln ab. Warum nicht? "Sonst gewinnen die." Außerdem habe er seine Kunden zu bedienen und seinen Mitarbeiter zu bezahlen. Und mit seinem Bandscheibenvorfall würde er nirgendwo anders einen Job gekommen: "Ich brauche die Arbeit." Nur mit dem Lieferdienst, den er kürzlich gestartet hat, sei er jetzt vorsichtiger: "Wenn jemand mit unterdrückter Nummer anruft oder verdächtig klingt, fahren wir nicht mehr hin."

Gharibyar ist 2002 aus Afghanistan geflohen, lebt seit dreizehn Jahren in Deutschland. In all der Zeit sei er nie mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert worden: "Ich hatte nie mit jemandem ein Problem."

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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