Preis für Fotojournalist::Schreibtisch mit Ausblick

Preis für Fotojournalist:: Manchmal müssen im Homeoffice kreative Lösungen her, etwa mit dem Laptop in der Küche arbeiten.

Manchmal müssen im Homeoffice kreative Lösungen her, etwa mit dem Laptop in der Küche arbeiten.

(Foto: Werner Bachmeier)

Kreative Lösungen in einer neuen Arbeitswelt: Der Ebersberger Werner Bachmeier wird mit "Homeoffice" Sieger der Kategorie "Serie" beim BJV-Wettbewerb Pressefoto Bayern.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

"My Home is my Castle, und die Arbeit bleibt draußen" - dieser Spruch ist spätestens seit der ersten Homeoffice-Pflicht im April 2021 Geschichte. Wie eine Welt aussieht, in der Job und Privatleben untrennbar verwoben sind, zeigt Werner Bachmeier eindrucksvoll in den zehn Motiven von "Homeoffice". Dafür wurde der gebürtige Münchner, der seit 1994 in Ebersberg lebt, vom Bayerischen Journalistenverband (BJV) im Wettbewerb Pressefoto Bayern 2021 zum Sieger in der Kategorie "Serie" gekürt.

Die ausgewählten Bilder stammen aus einem Pool von bisher 30 bis 40 Fotos, entstanden seit Beginn der Pandemie. Das Projekt ist damit aber längst noch nicht abgeschlossen, denn im Rahmen einer Langzeitstudie will der freie Fotojournalist in ganz Deutschland weitere Menschen besuchen, um zu zeigen, welche kreativen Lösungen sie für ganz neue Probleme gefunden haben. Seine Motivation? Schon seit rund 40 Jahren begleitet ihn das Thema "Arbeitsfotografie", erst parallel zum Beruf als Elektromechaniker, dann, um das anschließende Fotoingenieurstudium mit entsprechenden Auftragsarbeiten zu finanzieren.

Auch nach dem Schritt in die Selbständigkeit im Jahr 1986 setzte Bachmeier entsprechende Sujets um, mal von Redaktionen bestellt, mal als freies Angebot. Die beeindruckenden Ergebnisse sind in seinem 2021 erschienenen Buch "Mein zweites Ich - Portraits aus der Arbeitswelt" dokumentiert, dessen Cover den Hochofenmeister am letzten Tag vor der Schließung der Maxhütte zeigt.

Preis für Fotojournalist:: Werner Bachmeier geht es darum, mit Bildern Geschichten zu erzählen.

Werner Bachmeier geht es darum, mit Bildern Geschichten zu erzählen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und so wie es dem heute 64-Jährigen seinerzeit gelang, sich dank technischer Vorbildung und Fragekompetenz das Vertrauen der Frauen und Männer in Fertigungshallen, Handwerksbetrieben, Ladengeschäften und Supermärkten zu erwerben und dadurch intensive Momentaufnahmen aus dem "echten Leben" abzulichten, lassen ihn heute die "Heimarbeiter", die er vor allem via Mundpropaganda findet, gern einen Blick in ihren Alltag werfen. Anita Witko aus München, zu der der Kontakt über einen gemeinsamen Freund zustande kam, erbat sich zwar zunächst eine kleine Bedenkzeit - "Es ist ja doch ein Blick in die Privatsphäre, den man gewährt." - war aber nach dem ersten Telefonat völlig beruhigt. Sehr einfühlsam habe der Fotojournalist ihr sein Konzept erst erklärt und dann gemailt.

Bachmeier geht es nicht darum, voyeuristische Blicke in Wohn- und Schlafzimmer zu werfen, sondern darum, Geschichten zu erzählen, ohne Worte zu zeigen, wie unterschiedliche Menschen die Verlagerung der beruflichen Tätigkeit in ihr höchst privates Umfeld meistern.

Das erreicht der Fotograf dadurch, dass er seine Protagonisten bittet, ganz normal zu arbeiten, während er sich komplett ruhig verhält. So auch bei der kaufmännischen Angestellten Witko: "Er saß geräuschlos im Flur und hatte auch die Kamera stummgestellt, so dass man kein Klicken bei den Aufnahmen hörte. Am Ende hatte ich total vergessen, dass er da war."

Preis für Fotojournalist:: Bachmeier bittet seine Protagonisten, ganz normal zu arbeiten, während er sich komplett ruhig verhält.

Bachmeier bittet seine Protagonisten, ganz normal zu arbeiten, während er sich komplett ruhig verhält.

(Foto: Werner Bachmeier)

Ähnlich wird es dem jungen Paar ergangen sein, das aufgrund seiner Wohnverhältnisse die Küche zum Konferenzraum macht, sobald beide zur selben Zeit telefonieren oder an einem Videocall teilnehmen müssen. Oder dem IT-Spezialisten, dessen "Arbeitsweg" vom Bett zum Schreibtisch nur noch zehn Schritte beträgt, den Abstecher zur Kaffeemaschine schon eingerechnet, und der deswegen seine Fitnessuhr auf andere Weise dazu bringen muss, das angepeilte Tagessoll von achttausend anzuzeigen.

Auch die vierköpfige Familie Sils, die bis vor kurzem in Grafing gelebt hat, ist in jener Wohnung zu sehen, die man ursprünglich als Paar bezogen hatte und wo Vater Mikus nach seiner Abordnung ins Homeoffice plötzlich Platz zum Arbeiten finden musste. Mit leisem Lachen erzählt der Architekt: "Als erstes sagte Werner Bachmeier, der schon am Telefon auf Anhieb sympathisch geklungen hatte: ,Entspannt euch mal!' Dann hat er alles passieren lassen, jede trubelige Situation." Wie sie es mit kleinen Kindern zu Hauf gebe, etwa, wenn die Tochter mitten in der Videokonferenz ins Zimmer rennt und "Mittagessen ist fertig!" ruft, was die Kollegen mit verständnisvollem Schmunzeln quittierten.

Preis für Fotojournalist:: Die Familie Sils hat in Grafing haufenweise "trubelige Situationen" erlebt.

Die Familie Sils hat in Grafing haufenweise "trubelige Situationen" erlebt.

(Foto: Werner Bachmeier/oh)

Auch andere Familien sind zu sehen, die sich den verfügbaren Raum teilen, was nicht immer einfach ist - wobei viele Eltern auch froh über die gewonnene Zeitersparnis sind, die sich durch den Wegfall der Anfahrt ins Büro ergibt. Bei seinen Ortsterminen hat Bachmeier erfahren, dass manche ihre Arbeit in die frühen Morgen- oder späten Nachstunden verlagern, um so die Kinder morgens ohne Hektik fertigmachen oder sie mittags in Ruhe mit einem gekochten Essen empfangen zu können. Solche Gründe oder etwa die Möglichkeit durch eine inhäusige Tätigkeit Angehörige begleiten zu können, die etwa aufgrund einer beginnenden Demenz auf die Präsenz einer vertrauten Person angewiesen sind, werden nach Auffassung des Fotografen den Ausschlag für Arbeitnehmer geben, das Homeoffice, gepaart vielleicht mit einigen wenigen Präsenztagen in der Firma, auch nach der Pandemie beibehalten zu wollen.

Preis für Fotojournalist:: Auch nach der Pandemie werden viele wohl weiterhin im Homeoffice arbeiten.

Auch nach der Pandemie werden viele wohl weiterhin im Homeoffice arbeiten.

(Foto: Werner Bachmeier)

Für die Unternehmen hingegen lohne es sich, durch eine Reduzierung der Büroflächen keine teuren Immobilien mehr vorhalten zu müssen, weswegen sie vielleicht diese Form der Arbeitsweise nicht nur anbieten, sondern irgendwann sogar zur Pflicht machen könnten. Hier allerdings sieht Bachmeier, der stellvertretende DGB-Vorsitzende im Landkreis Ebersberg, auch eine gewisse Gefahr: "Unter dem Oberbegriff ,Humanisierung der Arbeitswelt' haben wir uns ja schon in den Achtzigern mit Arbeitszeit, -schutz oder -sicherheit beschäftigt. Dazu wurde in den Betrieben über die Jahre einiges entwickelt, bei dem ich jetzt einen Rückschritt sehe." Und weiter: "Wir fangen in jeder Generation mit den Diskussionen neu an. Das ist der Gau."

Da wäre einmal die Selbstausbeutung, von der auch Mikus Sils berichtet: "Am Anfang war ich Feuer und Flamme, bei allen Mahlzeiten dabei sein zu können. Dann aber habe ich festgestellt, dass es sich eingeschlichen hat, viel mehr zu arbeiten und man richtiggehend üben muss, die Arbeit auch mal auszustellen."

Preis für Fotojournalist:: Die Ergonomie im Homeoffice lässt häufig zu wünschen übrig.

Die Ergonomie im Homeoffice lässt häufig zu wünschen übrig.

(Foto: Werner Bachmeier)

Bachmeier gibt zudem die Ergonomie am Arbeitsplatz zu denken. "Die Betriebe haben viel Geld investiert in ihre Infrastruktur, da findet man bei den Mittelständlern die tollste Ausstattung" - was er bei den Leuten daheim sehe, sei hingegen zu 95 Prozent selbst konstruiert. Klar, denn der voluminöse Bürostuhl passe oft gar nicht in die Wohnung. Also behelfe man sich mit einem Stehpult aus Kartonage, um Rückenschmerzen zu vermeiden. Oder mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch, wie ihn sich Anita Witko anschaffte, nachdem der 1,90 Meter großen Frau klar geworden war, dass sie das anfängliche Arbeiten am Küchentisch auf keinen Fall auf Dauer würde fortsetzen können. "Allerdings war der einzige Raum, in den er hineinpasste, unser Multfunktions-Gäste-Bügelzimmer mit der Waschmaschine." Die sich nach wie vor dort befindet, wie man sehen kann. Um dieses Bild zu machen, musste Bachmeier die Tür zum Flur aushängen - Inszenierungen allerdings macht er nie, stellt auch keine Möbel um. Stattdessen "klebt man an der Wand und versucht, das letzte Zipferl von dem mit ins Bild zu rücken, was einem wichtig ist".

Eine Gelegenheit zur Betrachtung der Endergebnisse wird es bei diversen Ausstellungen geben, die der BJV in diesem Jahr an unterschiedlichen Orten mit allen Gewinnerbildern durchführt. Über die Auszeichnung freut sich Bachmeier sehr, sei er doch "kein Preisjäger, der an jedem Wettbewerb teilnimmt". Dabei ist er einerseits froh, dass die Jury das Thema als relevant betrachtet hat. Andererseits hofft er, dass das Projekt auf diese Weise noch stärker wahrgenommen wird und weitergehen kann, indem noch mehr Menschen sagen: "Komm doch mal bei mir vorbei!".

Preis für Fotojournalist:: Anita Witko kann eine Teilnahme an Bachmeiers Fotoprojekt zum Thema Homeoffice wärmstens empfehlen.

Anita Witko kann eine Teilnahme an Bachmeiers Fotoprojekt zum Thema Homeoffice wärmstens empfehlen.

(Foto: Werner Bachmeier/oh)

Am Ende steht das Ziel einer Werkschau mit voraussichtlich 30 bis 40 ganz unterschiedlichen, sich ergänzenden Blicken in eine sich wandelnde Arbeitswirklichkeit. Dafür ist Bachmeier nach wie vor offen für Menschen, die ihre kreativen Lösungen vorstellen wollen - sei es im Zusammenhang mit Platzproblemen oder im Hinblick auf innovative Lebens- und Betreuungskonzepte, die durch das Homeoffice erst möglich gemacht werden. Anita Witko und Mikus Sils hat das Ganze jedenfalls so viel Spaß gemacht - "wir haben viel gelacht und die Zeit verging wie im Flug" -, dass sie eine Teilnahme wärmstens weiterempfehlen.

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