Bahnausbau im Landkreis Ebersberg:Nistet er noch?

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Weil Kiebitze an der Strecke nisten, verzögert sich der Bau der Oberleitung für den Filzenexpress. Doch vielleicht sind die Vögel längst weitergezogen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zur Vorbereitung für den Oberleitungsbau beim Filzenexpress suchen Fachleute gerade wieder nach Kiebitzen – wird keiner gefunden, könnte die Elektrifizierung bis 2028 fertig sein.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Gut zwei Jahre später als bisher geplant könnte der Oberleitungsbau beim Filzenexpress abgeschlossen sein. Dies geht aus der Antwort auf eine entsprechende Anfrage beim Landratsamt Ebersberg hervor. Demnach ist mit einer Elektrifizierung der Strecke zwischen Ebersberg und Reitmehring nicht vor 2028 zu rechnen – wenn ein ganz bestimmter Anlieger keine Probleme macht.

Die Rede ist von einem eher kleinen Vogel, der in jüngster Zeit aber bei manchen ziemlich großen Ärger verursacht hatte: der Kiebitz. Weil einige der streng geschützten Tiere entlang des Rosenheimer Teils der Filzenexpress-Strecke nisteten, konnte der seit Jahren geplante Bau einer Oberleitung nicht begonnen werden. Aktuell läuft eine erneute Untersuchung, ob die Vögel immer noch in dem Gebiet leben – falls das nicht der Fall sein sollte, könnte der Filzenexpress bis Ende 2028 elektrisch fahren.

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Eigentlich hätte es schon 2026 soweit sein sollen, und dass sich der Ausbau derart verzögert, hatte vor gut zwei Monaten den Grafinger Landtagsabgeordneten und Ebersberger CSU-Kreisvorsitzenden Thomas Huber veranlasst, eine Ausnahme vom Artenschutz zu fordern. Huber verwies auf den ökologischen Nutzen, sollten die alten Dieseltriebwagen durch elektrische ersetzt werden. Auch für die Fahrgäste biete der Einsatz neuer Züge Verbesserungen, etwa bei der Barrierefreiheit. Dass dies alles unmöglich sein solle wegen zweier Kiebitz-Paare, halte er für unverhältnismäßig, so der Abgeordnete damals.

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Weil die Elektrifizierung des Filzenexpress wegen der Umsiedlung von Kiebitzen stockt, fordert der CSU-Landtagsabgeordnete eine Ausnahme von Ausgleichsmaßnahmen.

Doch vielleicht gibt es mittlerweile überhaupt keine Kiebitze mehr entlang der Strecke. Denn, so teilt es das Ebersberger Landratsamt nun mit, „die letzte faunistische Untersuchung (ist) nun schon zu alt“. Eben darum muss eine neue vorgenommen werden, diese „findet in der laufenden Vegetationsperiode statt“, also bis einschließlich Herbst dieses Jahres, so die Behörde weiter. „Sollten keine Kiebitze mehr im Untersuchungsraum gesichtet werden, kann das Eisenbahnbundesamt (EBA) den Planfeststellungsbeschluss erteilen und das Projekt könnte dann voraussichtlich bis Ende 2028 realisiert werden.“

Landrat Robert Niedergesäß (rechts) und ein präparierter Kiebitz. (Foto: Christian Endt)

Der Bau einer Oberleitung für den rund 18 Kilometer langen Streckenabschnitt steht schon länger auf der Agenda, 2018 wurde erstmals ein konkreter Zeitplan – damals sollte die Elektrifizierung bis Ende 2025 kommen – genannt. Zur offiziellen Bekanntgabe des Ausbauplanes und Unterzeichnung der entsprechenden Verträge waren die damalige Verkehrsministerin und heutige Landtagspräsidentin Ilse Aigner sowie der damalige Leiter Infrastruktur der Südostbayernbahn, Christian Kubasch, extra nach Ebersberg gekommen, um sich dort mit der einheimischen Politprominenz ablichten zu lassen.

Die damalige Verkehrsministerin Ilse Aigner (5. von rechts) und Christian Kubasch (4. von links), bis 2022 Infrastrukturgeschäftsleiter der Südostbayernbahn, unterzeichneten 2018 in Ebersberg den Ausbauvertrag für die Elektrifizierung des Filzenexpress'. (Foto: Christian Endt)

Allerdings kam die Aussicht auf einen elektrischen Filzenexpress nicht bei allen gut an. Wenige Wochen nach dem öffentlichkeitswirksamen Ortstermin in Ebersberg regte sich bei einigen Anliegern der Strecke Widerstand gegen das Vorhaben. Befürchtet wurde, dass eine Oberleitung zu Elektrosmog in den nahe an der Bahnstrecke stehenden Wohnhäusern führe. Sogar eine Bürgerinitiative wurde gegründet, mit dem Ziel, entweder auf die Oberleitung zu verzichten – vorgeschlagen wurden Züge mit Akkus oder mit Brennstoffzelle – oder wenigstens Abschirmungen für die Wohngebäude zu bauen. Die Bahn argumentiert, dass „bereits durch einfache Gebäudehüllen (Hausmauern)“ eine solche Abschirmung gegeben sei. Man prüfe aber weitere Maßnahmen, etwa die Führung eines Rückleiters.

Neben der Furcht vor elektromagnetischen Feldern äußerten einige Anwohner auch die Befürchtung, dass, sollte die Strecke erst einmal elektrifiziert sein, die Bahn diese als Ausweichroute für den Güterverkehr nutzen könnte. Dass die eingleisige und kurvige Strecke für lange und schwere Güterzüge wirklich geeignet ist, hat man seitens der Bahn allerdings stets bestritten. „Es ist in der aktuellen Planung nicht vorgesehen, dass auf dieser Strecke turnusmäßig Güterzüge fahren“, heißt es in einer Stellungnahme zu dem Projekt.

Die Elektrifizierung ist Voraussetzung für eine S-Bahn-Linie bis Reitmehring

Richtig allerdings ist, dass die Elektrifizierung perspektivisch der erste Schritt für ein deutlich größeres Infrastrukturprojekt in der Region ist, wenn auch nicht für den Güterverkehr: Die Oberleitung ist Voraussetzung dafür, dass eines Tages die S-Bahn bis Reitmehring verlängert werden kann. Damit entstünde eine schnelle Anbindung an die Strecke Mühldorf-Rosenheim, was die drei bestehenden Linien von München Richtung Osten entlasten könnte, nämlich die Strecke über Grafing und Aßling sowie jener über Aying, Feldkirchen-Westerham und Bad Aibling nach Rosenheim einerseits und jene via Markt Schwaben und Dorfen nach Mühldorf anderseits.

Allerdings müssten dafür zuerst noch einige Bahnsteige an der Strecke verlängert und angehoben werden. Auch zahlreiche Bahnübergänge genügen derzeit nicht dem Standard für S-Bahn-Verkehr. Ebenfalls nötig – sollte die S-Bahn öfter als einmal pro Stunde Richtung Wasserburg fahren können – ist die Ertüchtigung der eingleisigen Strecke zwischen Grafing-Bahnhof und Ebersberg. Dafür gibt es seit ziemlich genau zwei Jahren einen konkreten Plan, entstehen soll ein Ausweichgleis zwischen Grafing und Ebersberg inklusive eines zweiten Bahnhofs für die Kreisstadt. Idealerweise kommt auch eine weitere Ausweichstelle zwischen den beiden Grafinger Bahnhöfen. Was es hier aber noch nicht gibt, ist ein Zeitplan.

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Zumindest für die Filzenexpress-Elektrifizierung scheint es nun aber wieder einen zu geben, wenn auch mit zwei Jahren Verzögerung – im besten Fall. Denn sollten sich immer noch Kiebitze in dem Gebiet nachweisen lassen, steht das Projekt weiter vor dem Problem, welches es seit Jahren verzögert: Es fehlen geeignete Ausgleichsflächen. Dies bestätigt auch das Landratsamt: „Bisher konnten leider keine geeigneten Ausgleichsflächen beziehungsweise Ersatzhabitate gefunden beziehungsweise erworben werden.“

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