Wer glaubt, ein Jazzfestival sei lediglich eine Aneinanderreihung mehr oder weniger unterschiedlicher Konzerte, war wohl noch nie in Ebersberg. Dort nämlich lebt die IG Jazz ein ganz anderes Konzept: Oberste Maxime ist die Abwechslung, in allen Bereichen. Nicht nur die musikalischen Stile dieses Festivals sollen möglichst verschieden sein, nein, genauso die Künstler, Zielgruppen und Formate.
Es gibt auch in Ebersberg Konzerte, klar, aber darüber hinaus Performances, Jam-Sessions, Workshops, Filmabende, Lesungen und Ausstellungen. Es treten Ensembles und Solisten auf, internationale Stars genauso wie soeben durchstartende Newcomer und lokale Musiker. So mancher Abend wird vermutlich vor allem die reiferen Jazzfans ansprechen, doch auch Jugendlichen und Kindern macht das Programm verlockende Angebote. Die Genres reichen von klassischen Bebop über Kehlkopfgesang bis hin zu unerhörtem Techno-Jazz. Kein Wunder also, dass dieses im zweijährigen Turnus stattfindende Jazzfest so renommiert ist - weit über die Region hinaus.
Pressekonferenz im Alten Kino: Kilian Lößl vom JUZ, Verena Ditterich vom Kunstverein, Michael Liese, Josef Ametsbichler, Michael Baier von der Kreissparkasse, Frank Haschler, Joachim Jann, Bernhard Ladstetter, Wolfgang Ostermaier von der Musikschule sowie Markus Bachmeier vom Alten Kino (von links).
(Foto: Peter Hinz-Rosin)Heuer geht das Festival "EBE-Jazz" bereits in die fünfte Runde - doch den Machern fällt immer wieder ein neuer Dreh ein, um noch mehr Menschen für ihre Musik zu begeistern. Das ist bereits abzulesen an der Liste der Beteiligten, die jedes Mal ein wenig länger wird. Zur IG gehören grundsätzlich schon mal die Initiatoren der Jazzinitiative Grafing, der Verein Altes Kino, die Ebersberger Musikschule sowie der international aktive Bassist Martin Zenker als künstlerischer Leiter und Sepp Ametsbichler als Chef der EBE-Jazz-Bigband. Als Partner hinzu kommen heuer der Kunstverein sowie erstmals das Ebersberger Jugendzentrum (JUZ). Die Kreissparkasse firmiert als Hauptsponsor, inklusive Werbehinweis an allen Geldautomaten, der Bayerische Rundfunk wird erneut diverse Konzerte mitschneiden.
Das Festival dauert heuer zehn Tage. Es findet statt von 13. bis 22. Oktober in bewährten Locations der beiden Städte Ebersberg und Grafing. "Alle Absprachen sind getroffen, jetzt geht es ans Kleingedruckte", sagt Hauptorganisator Frank Haschler von der Grafinger Jazzinitiative. Das bedeutet auch, dass die Homepage von nun an gefüttert wird, der Vorverkauf über das Ticketsystem des Alten Kinos startet am Montag, 29. Mai, um 10 Uhr. Geplant sind insgesamt 21 Veranstaltungen, neun davon bei freiem Eintritt, manche Tage bieten sogar gleich mehrere Termine hintereinander.
Gitarrist Jon Scofield ist eine lebende Legende, die schon bei Miles Davis spielte
Ganz fett ankreuzen sollten Musikfans sich deshalb den Samstag, 21. Oktober. Da nämlich gibt es von 17 Uhr bis vermutlich weit nach Mitternacht Jazz in diversen Spielformen. Los geht's mit dem Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer - seines Zeichens Jazzer, aber auch Hip-Hopper und Dozent für Kirchenmusik. Derart breit aufgestellt, wird er am Nachmittag erst eine Soloperformance hinlegen und dann am späten Abend das JUZ bespielen: "Booom!" nennt sich dieser Techno-Jazz-Act mit E-Drums und Vocals.
Gitarrist John Scofield in der Münchner Unterfahrt.
(Foto: Ralf Dombrowski)Dazwischen erwartet die Gäste des Festivals vermutlich der Höhepunkt des reichhaltigen Programms: Gitarrist Jon Scofield, eine lebende Legende, die schon bei Miles Davis spielte und mit einem unverwechselbaren Sound besticht, wird im Alten Speicher sein neues Projekt vorstellen: "Uncle John's Band" fusioniert Jazz, Rock und Blues. "Da kommen mir jetzt schon die Freudentränen, wenn ich daran denke", schwärmt Gitarrist Bernhard Ladstetter von der Grafinger Jazzinitiative.
Der Trompeter Paolo Fresu präsentiert eine Hommage an David Bowie
Zu den internationalen Stargästen zählt aber auch Paolo Fresu, den Haschler unter den zehn besten Trompetern weltweit einordnet. Der Italiener wird am Samstag, 14. Oktober, mit einem sechsköpfigen Ensemble sein Programm "Heroes" präsentieren - eine Hommage an den eigentlich so gar nicht jazzigen David Bowie. Man darf also gespannt sein.
Genauso wie auf den Freitagabend am 20. Oktober, denn da gibt es Talent im Doppelpack: Eröffnet wird das Konzert vom Gewinner des vom Bayerischen Jazzverband ausgelobten Nachwuchswettbewerbs - doch wer das sein wird, steht noch in den Sternen. Im Anschluss tritt die siebenköpfige Formation Narcis um den Leipziger Pianisten Jonas Timm auf, die unter dem Schlagwort "the next Generation" angekündigt wird. "Das ist sehr sinnliche, meditative Musik - etwas zum Entschweben", sagt Ladstetter.
Frisches Blut: Die Jam-Sessions werden geleitet von Niklas Roever und seinem Trio
Doch das freilich längst noch nicht alles, gerade was die Nachwuchsarbeit angeht. Für Familien gibt es "Jazz for Kids" (ab sechs Jahren) mit einer berührenden Geschichte. Die Musikschule bietet einen Impro-Workshop für Instrumentalisten jeden Alters und stellt ihre Bigband Markt Schwaben's Finest mit einem Konzert vor. Frisches Blut versprechen auch die inzwischen obligatorischen Jam-Sessions im Café Mala: Sie werden geleitet von dem jungen, aufstrebenden Pianisten Niklas Roever aus Maitenbeth und dessen Trio.
Rising Star: Der Pianist Niklas Roever zeichnet mit seinem Trio für die Sessions verantwortlich.
(Foto: Veranstalter/oh)Eröffnet wird das Festival übrigens mit Brazil Jazz und einem Brückenschlag: Die bestens bewährte EBE-Jazz-Bigband unter Josef Ametsbichler arbeitet dafür intensiv mit Gastmusikern zusammen, ein Modell, dass sich bereits als sehr erfolgreich erwiesen hat. "Die Arrangements werden schon jetzt mit Feuereifer geprobt", sagt der Bandleader und strahlt.
Der Kunstverein plant eine Ausstellung mit Musikmotiven im öffentlichen Raum
Heißen Bebop dagegen wird ein zehnköpfiges internationales Orchestra um den hierzulande bestens bekannten Pianisten Claus Raible servieren, garniert mit dem Saxofonisten Brad Leali als special guest. Um einen Saxofonisten geht es auch an einem Filmabend und bei einer Konzertlesung: Beide widmen sich Dexter Gordon, der heuer 100. Geburtstag gefeiert hätte. Und zum Abschluss geht es "In 80 Rhythmen um die Welt", so der Titel einer Show von Schlagzeuger Magnus Dauner.
Wer nun allerdings glaubt, der Jazz finde nur in Sälen oder Kneipen statt, der täuscht sich erneut: In Ebersberg und Grafing dringt das Programm des Festivals diesmal ganz konkret nach außen - dank eines Projekts des Kunstvereins. Dieser nämlich plant eine Ausstellung, in seiner Galerie, aber auch im öffentlichen Raum, auf allerlei Plätzen sowie am Straßenrand. Die geniale Idee dahinter: die Plakatwände der Landtagswahl, die dann gerade vorbei sein wird, für Kunst zu nutzen. Dann werden die Ebersberger und Grafinger keine lächelnden Politiker mehr sehen, sondern die schönsten Fotos der schönsten vergangenen Events. Doppelt schön also. Wenn das mal keine Einladung ist!?
"EBE-Jazz": Festival von 13. bis 22. Oktober in Ebersberg und Grafing, alle Infos gibt es auf der Homepage, Tickets über das Alte Kino.