Süddeutsche Zeitung

Ebersberg/Grafing:Grenzenlos nass

Nach knapp 15 Jahren Vorbereitung beginnen die Arbeiten für den Wasserverbund von Ebersberg und Grafing. Bis zum Herbst soll alles fertig sein, inklusive der Übergabestation an der Rosenheimer Straße

Von Wieland Bögel, Ebersberg/Grafing

Unter Nachbarn hilft man sich ja gelegentlich mit Lebensmitteln aus, das tun nun auch die beiden Städte Ebersberg und Grafing. Voraussichtlich im Oktober soll es möglich sein, das wichtigste Lebensmittel, nämlich Trinkwasser, bei Bedarf auszuleihen und zwar kubikmeterweise. Am Donnerstag war Spatenstich für den Wasser-Notverbund, entstehen wird neben neuen Leitungen auch eine Übergabestation.

Die ist nötig, weil Wasser bekanntlich nicht bergauf fließt, sollten also die Ebersberger von den Nachbarn etwas leihen wollen, muss nach oben gepumpt werden. Umgekehrt kann man das Wasser aber auch nicht einfach bergab fließen lassen, weil sich der Druck im Grafinger Netz dann zu stark erhöhen würde. Auch diese Schwankungen soll die Station ausgleichen. Gebaut wird sie ziemlich genau auf der Gemeindegrenze, neben der Unterführung der B304 an der Rosenheimer Straße, ganz knapp auf Grafinger Flur.

Die Übergabestation - konkret die Frage, wer wie viel davon bezahlt - ist auch einer der Gründe, warum das Projekt eine so lange Vorlaufzeit hatte. Immerhin gab es Ende 2005 erste Gespräche zwischen den beiden Städten zum Thema Notverbund, eigentlich reichen die ersten Pläne sogar zurück ins Jahr 1972, sagt Ebersbergs Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos). Zusammen mit seinem Grafinger Amtskollegen Christian Bauer (CSU), konnte er nun aber das Projekt offiziell eröffnen. "Wir beide haben nie über die Kosten gestritten", so Bauer, schließlich sind die zwei erst seit vergangenen Mai im Amt. Beschlossen wurde eine Aufteilung: "Die Ebersberger zahlen die Leitung in Ebersberg, die Grafinger in Grafing und die Station wird 50 zu 50 abgerechnet", so Proske. Die Leitung kostet insgesamt etwa 750 000 Euro, für die Übergabestation sind die Ausschreibungen noch nicht abgeschlossen. Bis Oktober soll alles fertig sein, damit die beiden Städte Fördergeld bekommen, 68 000 Euro soll es insgesamt geben.

Deswegen wird am Tag des offiziellen Spatenstichs auch bereits fleißig gearbeitet. Neben dem Feldweg an der Rosenheimer Straße werden Rohrstücke zu einer etwa 200 Meter langen Leitung verschweißt. Diese bestehen aus einem Spezialkunststoff namens HDPE, eine hochdichte Polyethylenverbindung, das hier verbaute Rohr hält bis zu 16 Bar Druck stand, erläutert Proske, der bis zu seiner Wahl zum Bürgermeister für die Ebersberger Wasserversorgung zuständig war. Etwa zehn Bar werde der reguläre Druck in den Leitungen betragen. Doch die Kunststoffrohre haben noch einen weitere Vorteil: Sie können verlegt werden, ohne dass dafür Gräben ausgehoben werden müssen.

Dazu steht gut 100 Meter weiter am Gspraiter Weiher eine spezielle Maschine. Diese bohrt das Loch in dem später die Wasserleitung verlaufen soll. Neben der Rosenheimer Straße ist bereits ein Schacht gegraben worden, dort kommt das Bohrgestänge letztlich wieder an die Oberfläche. Dann wird es mit einem größeren Bohrer versehen und wieder zurückgezogen, am Ende des Gestänges wird das Wasserrohr eingehängt, erklärt Bauleiter Gerhard Preuschl. Mit bis zu drei Tonnen Zugkraft und etwa einem Meter pro Sekunde könne die Maschine das Wasserrohr verlegen, so werden in den kommenden Monaten sämtliche Rohrabschnitte zwischen der noch zu bauenden Station und den Wassernetzen der beiden Städte unter die Erde gebracht.

Danach könnte es auf Ebersberger Seite gleich weiter gehen mit dem Verlegen. Denn das Rohr, welches von Gsprait Richtung Ebersberg führt, ist eines der ältesten der Stadt, gut 110 Jahre dürfte es schon in der Erde liegen, schätzt Proske, und stammt noch aus der Zeit, als die Ebersberger ganz regulär Wasser vom Nachbarn bekamen. Nämlich aus dem Brunnen in Aiterndorf, südlich von Grafing. Die Verbindung in die Nachbarstadt ist aber schon lange stillgelegt, 1994 wurden die letzten verbliebenen Rohre ausgebaut, seitdem sind die beiden Netze getrennt. Zumindest noch bis Herbst, dann ist das Ausleihen von Wasser unter den Nachbarn wieder möglich.

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SZ vom 05.03.2021
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