„Nein“ geht nicht. Zumindest technisch nicht, denn beim Votum über die Zukunft der beiden großen Schulprojekte des Landkreises verweigerten die Abstimmungs-Fernbedienungen der Ebersberger Kreistagsmitglieder zunächst die Abgabe von Gegenstimmen. Ein bisschen passte das gut zur vorangegangenen Debatte: Gegen die Herunternahme von der Warteliste zu sein, ging in den meisten Fraktionen aus verschiedensten Gründen nicht – obwohl es dort durchaus einige Zweifel am von der Verwaltung vorgeschlagenen Weg gibt.
Dass der Kreistag die in Grafing-Bahnhof geplante Berufsschule und das fünfte Landkreisgymnasium, das in Poing entstehen soll, von der Warteliste nehmen wird, hatte sich bereits im Kreis- und Strategieausschuss zwei Wochen zuvor abgezeichnet. Dort hatten lediglich die Grünen – wie nun auch in der Vollversammlung – gegen die Übernahme der Schulen in den Haushalt für 2025 votiert.

Bildung im Landkreis Ebersberg:Aufnahmeprüfung für die Schulen
Für das Gymnasium Poing und die Berufsschule Grafing beginnen die planerischen Vorbereitungen. Ob die Einrichtungen gebaut werden, entscheidet sich aber erst im Mai.
Auch die Argumente ähnelten jenen im Ausschuss: Die Grünen bemängelten, dass die von der Verwaltung vorgelegten Zahlen unrealistisch seien. Was man dort auch offen zugibt, aber darauf verweist, dass man, um belastbare Kosten ermitteln zu können, eben erst einmal planen muss. Und um planen zu können, müsse man eben die Projekte von der Warteliste nehmen.
Die Verwaltung will beide Schulen für zusammen unter 60 Millionen Euro bauen
Tatsächlich sind die von der Verwaltung eingestellten Summen durchaus optimistisch: Statt der ursprünglich prognostizierten 107 Millionen Euro für die Berufsschule soll diese abzüglich Förderung gerade einmal noch 23,8 Millionen plus 4,5 Millionen für die Ausstattung kosten. Das Gymnasium, ursprünglich mit 105 Millionen Euro avisiert, kostet abzüglich Zuschüsse demnach nur noch 30 Millionen, weitere sieben wären für die Ausstattung fällig.
Wie viel es am Ende wirklich kostet, wird sich wohl erst im kommenden Frühjahr zeigen, wenn die sogenannte Leistungsphase Null abgeschlossen ist. Diese hatte der Kreistag im vergangenen Jahr beschlossen, ein Projektsteuerer soll die beiden Schulen unter der Vorgabe maximaler Kostenreduktion neu berechnen. Laut Landrat Robert Niedergesäß (CSU) sei man bereits in Verhandlungen mit zwei entsprechenden Planungsbüros.

Bildung im Landkreis:Erster Schritt Richtung Gymnasium und Berufsschule
Der Landkreis Ebersberg will für seine beiden großen Bauvorhaben einen Projektsteuerer engagieren. Dieser hat vor allem eine Aufgabe: die Kosten zu senken.
Ganz grundsätzliche Ablehnung an dem Vorgehen kam lediglich von den Grünen, so nannte Reinhard Oellerer dieses eine „finanzpolitische Geisterfahrt“. Worauf der Landrat entgegnete, dann sollten die Grünen „halt am Bahnhof stehen bleiben“. Man solle doch erst einmal abwarten, „was am Ende rauskommt, dann kann jeder mit dem Finger auf die anderen zeigen“.
Dass doch das Gymnasium zuerst gebaut wird, hält man bei CSU und SPD für möglich
Dieser, vielleicht lediglich einer gewissen Ermüdung nach gut einer Stunde Debatte mit hohem Wiedererkennungswert geschuldete Satz, könnte durchaus Wirklichkeit werden. Denn gerade, was die Berufsschule angeht, sind die Aussichten weniger positiv, als es der nun gefasste Beschluss nahelegen könnte. Was auch daran liegt, dass dieser von allen ein wenig anders interpretiert wird.
In der SPD-Fraktion „kämpfen wir seit Jahren für das Gymnasium in Poing“, wie die stellvertretende Landrätin Elisabeth Platzer sagte, und unumwunden zugab, auch nun darum dem Beschluss zuzustimmen: „Wir sind sehr skeptisch, dass es gleichzeitig gehen kann.“ Sollten die nach der Leistungsphase Null ermittelten Zahlen diese Skepsis bestätigen, sei bei der SPD klar, dass das Gymnasium Poing als erstes gebaut wird.

Bildung im Landkreis:Werben für das Gymnasium
Der Förderverein für die geplante Schule in Poing richtet sich in einem offenen Brief an die Mitglieder des Kreistags - und fordert von ihnen, endlich Farbe zu bekennen.
Ein Vorgehen, das auch CSU-Fraktionschef Martin Wagner für möglich hält, obwohl die vom Landrat ausgegebene Maxime, beide Schulen gleichzeitig zu bauen, vor allem darin resultiert, dass sich die größte Kreistagsfraktion nicht auf eine Priorisierung festlegen will. Sollte eine solche dennoch kommen, dann weniger aus Kostengründen, sondern weil ein von Wagner sowie von seinen Fraktionskollegen Martin Lechner (CSU) und Alexander Müller (FDP) angestoßener Plan nicht aufgeht, die Berufsschule in einem Public-Private-Partnership-Modell (PPP) umzusetzen, also von einem Investor bauen und betreiben zu lassen. Letzteres hätte die Verwaltung lieber beim Landkreis belassen – in der Fraktion ist dies aber offenbar nicht konsensfähig: Lechner erklärte, er halte den Betrieb der Schule durch eine Privatfirma weiter für sinnvoll.
Ob das PPP-Modell überhaupt finanzielle Vorteile bringt, ist längst nicht sicher. Zwar soll es durch die Gastschulbeiträge kostenneutral für den Landkreis sein, da es derzeit aber weder verlässliche Kostenprognosen, geschweige denn einen Investor gibt, ist das mehr oder weniger Wunschdenken. Ein Wunsch, den im Gremium ohnehin nicht alle teilen: Bei der Ausschuss-Gemeinschaft ÖDP/Linke lehnt man das PPP-Modell grundsätzlich ab, genau wie bei der AfD. Deren Kreisrat Manfred Schmidt, der sonst ungern ein gutes Haar an der Verwaltung lässt, dankte dieser aber noch, dass der Beschluss für beide Schulen nun gefasst werden könne. Damit lasse sich ein strittiges Thema aus dem anstehenden Kommunalwahlkampf heraushalten. Ein Kompliment, das man durchaus auch als Drohung auffassen kann, für den Fall, dass im Mai doch ein „Nein“ für eine der beiden Schulen gehen sollte.