Ebersberg:Gezeichnet

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Wolfgang Ambros singt bei seinem Konzert beim "Kulturfeuer" im Alten Speicher nicht nur alte Klassiker, er gibt auch bewegende Einblicke in sein Leben. (Foto: Christian Endt)

Mit einem bewegenden Auftritt von Wolfgang Ambros erlebt das Kulturfeuer sein bisheriges Highlight. Im Alten Speicher gibt der 64-Jährige mit weniger bekannten Stücken autobiografische Einblicke.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Wolfgang Ambros verbrachte den Abend auf einem Hocker, sitzend, die Füße auf eine umgedrehte Bierkiste gestellt, die Arme um seine Gitarre geschlungen. "Wo ist der oide Ambros?", sang er und im Publikum rührte sich bei manchem Zuschauer eine Träne. Viele, die an diesem Sonntag ein Ticket für das Konzert der Austro-Pop-Legende im Alten Speicher ergattern konnten, haben Ambros einst als jungen Mann von schneidiger Statur mit weit geöffnetem Hemdkragen und fester Stimme kennen gelernt. Jetzt saß der junge Hupfer von damals gekrümmt und abgemagert im Scheinwerferlicht. Krankheit und Zeit haben ihre Spuren hinterlassen. Eines seiner bekanntesten Stücke heißt "Gezeichnet für's Leben", das aber spielte Wolfgang Ambros nicht.

Ambros erster Auftritt in Ebersberg sollte einer der Höhepunkte beim diesjährigen Kulturfeuer werden. Für viele, die dabei waren, dürfte es mehr als das gewesen sein. Nach zweieinhalb Stunden und einer Mischung aus weniger bekannten Stücken und Klassikern hinterließ Ambros Gesichter, aus denen tiefe Bewegtheit und Mitgefühl für einen Mann sprachen, der seit Jahren an starken Wirbelsäulenschmerzen leidet und nach einer Operation vor zwei Jahren körperlich zunehmend abgebaut hat. Vor sechs Wochen war Ambros zudem in seinem Haus gestürzt und hatte sich den Arm gebrochen, wie sein Management mitteilte. Der 64-Jährige schritt gebückt auf die Bühne, er sei "nicht mehr so flexibel", hieß es in einer Liedzeile.

Gesundheitliche Probleme

Dass Ambros gesundheitlich zu kämpfen hat, ist seit Jahren bekannt. Zuletzt wurde es immer schwerer, einzuschätzen, in welcher Verfassung Ambros sich bei einer Vorstellung präsentieren würde. Ende Juni hatte er nach einem Auftritt auf dem Tollwood-Festival in München vernichtende Kritiken bekommen, mehrere Zuschauer hatten die Halle verlassen. Ein Münchner Boulevardblatt bescheinigte Ambros anschließend einen "trüben Blick" und "ungelenke Bewegungen", spekulierte darüber, ob seine Krankheit oder übermäßiger Alkoholgenuss verantwortlich seien.

Das Kulturfeuer-Publikum ist da entspannter, was wohl auch daran liegt, dass auf den Stühlen im Konzertsaal viele Männer und Frauen saßen, die mit Wolfgang Ambros' Musik aufgewachsen sind. Als er die Bühne betrat, klatschte der ganze Saal, gut 500 Zuschauer waren gekommen, viele standen auf. Im ersten Teil des Konzerts spielten Ambros, sein Pianist und langjähriger Wegbegleiter Günther Dzikowski und Zweitgitarrist Roland Vogel einige bekannte Stücke wie "Du bist wia die Wintersunn" und "Auf der Hut", größtenteils aber in Vergessenheit geratene Stücke, die - wie Ambros es formulierte - "unter Wert geschlagen wurden". Die Texte vor der Pause waren geprägt von autobiografischen Elementen - Stücken, in denen Ambros Einblick in depressive Momente gab, "i bin zu feig, dass i mia die Kugel gib".

Am Ende sang der ganze Saal

Mit seinen schwarzen Gedanken ging Ambros bereits in mehreren Interviews offen um. Seine Vorliebe für einen guten Tropfen deutete er immer wieder in seinen Liedern an. "Ich trink so gern a Flascherl Wein, es muss auch kein besonderer Anlass sein", lautet eine dieser Zeilen, bei denen schließlich auch das Ebersberger Publikum einstimmte und mit Ambros in die Nacht schunkelte. Zuvor hatte er sein Hemd gewechselt, das graue wich nach der Pause einem weißen, "jetzt wird's a bissl heiterer", verkündete Ambros, der am Donnerstag in Nürnberg eine Neuauflage seiner berühmten Watzmann-Tour startet.

Heiter wurde es, je länger der Abend dauerte. Als Ambros zu später Stunde "Schifoan" anstimmte, durfte er seine Stimme schonen, um kurz vor halb elf sang jetzt der ganze Saal wie "leiwand" doch der Skisport sei, wer denkt sich das nicht, mitten im Juli. Ambros mag gealtert sein, seine Bewegungen nicht mehr schneidig wie einst, seine Beine schwach, und seine Stimme brüchiger geworden sein. Seine Worte ließen jedoch Zuschauer mit feuchten Augen zurück, als Ambros und seine Mitspieler endeten, stand der Saal geschlossen auf und klatschte minutenlang. Er habe es noch drauf, urteilte eine Männergruppe, als wäre nichts gewesen.

Am Dienstag bietet das Kulturfeuer ein weiteres Schmankerl: Um 20 Uhr tritt die Choreo-Gruppe M.Pac im Alten Speicher auf. 2014 hatten die Grafinger unter dem Namen Movimento begeistert.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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