Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Geht die Post ab?

Nach gut zwei Wochen Streik müssen viele Empfänger weiterhin auf Briefe und Pakete warten - die Meinungen darüber gehen auseinander

Von Lea Weinberg, Ebersberg

Die heiß ersehnte Kamera, das Last-Minute-Geburtstagsgeschenk für die Mutter oder die Bewerbungsunterlagen, die dringend an den Empfänger geschickt werden müssen. Kommt die Post oder kommt sie nicht? Eine Frage, die sich auch die Ebersberger derzeit immer wieder stellen müssen. In Zeiten des Poststreikes ist davon auszugehen, dass sich Pakete und Briefe erheblich verspäten. Das ist für den einen natürlich sehr ärgerlich, andere merken dagegen fast gar nichts vom Streik. Und so manch einer zeigt sich auch solidarisch mit den derzeit Streikenden. Laut der Deutschen Post AG können derzeit 80 Prozent der Sendungen zugestellt werden.

Das sieht Wolfgang Heckner aus Zorneding jedoch anders. In seinem Wohngebiet seien nach dem 13. Juni null Prozent der Post zugestellt worden, er und seine Nachbarn bekämen seit dem Streikbeginn keine Post mehr, kritisiert er. Deshalb würden ihm beispielsweise wichtige Mitteilungen von Banken und Versicherungen fehlen. Für eine anstehende Reise nach Österreich seien ihm überfällige Reiseunterlagen noch nicht zugestellt worden. Ein Gutachten zu einem Schadensfall sei ebenfalls bei ihm nicht angekommen, seiner Versicherung könne er nun nichts vorlegen. Vor allem bei rechtlichen Dingen könnten Fristen nicht eingehalten werden, die Post trage dann dafür aber nicht die Schuld, sondern der Empfänger hafte, erläutert der Zornedinger. Auch abonnierte Zeitschriften kämen bei ihm nicht mehr an. "Ich kann nicht nachvollziehen, warum es vielen Leuten egal ist", sagt Heckner. Es könne schließlich nicht alles über E-Mail geregelt werden.

Petra Behounok, Geschäftsführerin des Spielwarengeschäftes "Die Drachenstube" in Ebersberg, freut sich zwar vor allem darüber, dass bei ihr derzeit keine Rechnungen und Mahnungen eintreffen, doch dass jemand nichts vom Poststreik spürt, "kann ich mir nicht vorstellen", sagt sie. In ihrem Spielwarengeschäft mache sich der Poststreik nämlich deutlich bemerkbar. "Ich habe in den letzten drei Wochen so wenig Post wie noch nie bekommen", sagt sie. Da sie auch Spielwaren an ihre Kunden verschicke, seien schon mehrere Beschwerden bei ihr eingegangen. "Meine Kunden sind natürlich gar nicht erfreut", erzählt Petra Behounok. Doch während des Streiks wolle sie nun auch nicht auf einen anderen Dienstleister umsteigen. "Die Pakete sind eben länger unterwegs als gewöhnlich." Für die Spielwarenhändlerin besonders interessant: In den nächsten Tagen startet eine große Spielzeugmesse. "Normalerweise werde ich dann immer zugeschüttet mit Broschüren und Katalogen, doch es kam bisher noch gar nichts", sagt sie.

"Der Streik ist schon blöd", sagt auch Eva Bachleitner aus Ebersberg. Zwar bemerke sie selbst gar nicht viel vom Streik, denn etwas Wichtiges bestellt habe sie nicht, aber auf Briefe und Broschüren muss sie derzeit länger warten. Trotzdem zeigt sich die Ebersbergerin solidarisch mit den streikenden Postboten. "Jeder mag ein bisschen mehr Geld, das kann ich schon verstehen", erzählt sie. Eva Bachleitner arbeitet in einem Altersheim, sie dürfe nicht streiken, sagt sie, "obwohl ich natürlich auch gerne würde".

Flora Lahi, die im Modegeschäft Schug in Ebersberg arbeitet, kann ebenfalls nachvollziehen, warum sie und ihre Kunden derzeit ein wenig länger auf die neueste Mode warten müssen. "Vor allem ich als Arbeitnehmerin kann die Streikenden schon verstehen, es muss gerecht für alle sein", erklärt Flora Lahi. Außerdem sei der Beruf als Postbote kein leichter, manchmal täten ihr die Postboten auch leid. "Bei uns sind es meistens zwei Frauen, die die schweren Pakete bringen", erläutert sie, "auch bei Regen und Schnee." In den vergangenen Tagen sei die Post zwar nicht regelmäßig gekommen, aber "eigentlich spüren wir das hier nicht", sagt sie. Es sei zwar nicht derselbe Ablauf, aber vor allem zur Saisoneröffnung im Modegeschäft würde das kaum auffallen.

Im Ebersberger Bürgerbüro bei Christa Heinzl läuft aufgrund des Poststreiks auch nicht alles in gewohnten Bahnen. "Natürlich ist es wenig Post", sagt sie. Päckchen würden jedoch täglich an das Bürgerbüro zugestellt werden. Privat habe sie auch jeden Tag Briefe im Briefkasten gehabt. Für ihre Arbeit im Ebersberger Bürgerbüro könne der Poststreik durchaus negative Auswirkungen haben. "Es gibt natürlich viele Sachen, die wir hier erledigen müssen", sagt sie, vor allem verschiedene An- und Abmeldungen müssten nun länger auf ihre Bearbeitung warten. Zwar könne man im Bürgerbüro auch vieles per E-Mail klären, "aber manche Sachen kommen dann eben doch noch als Papier", sagt Christa Heinzl.

Dass die Post einmal nicht rechtzeitig ankommt, kann aber auch etwas Schönes sein, wie bei Alexandra Herzog, die im Reisebüro bei RT-Reisen arbeitet. "Privat habe ich mich sehr gefreut, dass ich nicht mehr so viele Rechnungen bekommen habe", erzählt sie und lacht. Im Reisebüro sei der Poststreik jedoch nicht von Relevanz, da die Reiseunterlagen in ihrem Reisebüro heutzutage fast ausnahmslos per E-Mail geschickt würden. Alles andere könne von anderen Postdienstleistern zugestellt werden. Selbst wenn einmal wichtige Unterlagen fehlen würden, könne sie diese ihren Kunden als E-Mail zum Selbstausdruck weiterleiten.

Birgit Bellan, die gerade über den Ebersberger Marktplatz flaniert, bekommt ebenfalls nicht viel mit vom Poststreik, vereinzelt erhalte sie noch Briefe, erzählt sie. Erst am vergangenen Samstag habe sie auch ein Päckchen im Internet bestellt und musste darauf nicht lange warten. Ihre Bestellung sei zwei Tage später zugestellt worden. "Das einzige was fehlt, ist die Werbung, da bekomme ich normalerweise immer mehr", sagt Birgit Bellan, doch die müsse auch nicht immer sein, fügt sie hinzu.

In "Claudia's Dessous Eck" merkt Geschäftsführerin Claudia Wenig dagegen gar nichts vom Streik. "Mir hat das letztens mal jemand erzählt, dann ist es mir erst wieder eingefallen", sagt sie. Bei ihr kämen alle Päckchen täglich an, aber da verschiedene Postdienstleister bei ihr ausliefern, würde sie den Unterschied auch nicht feststellen können. "Gestern waren auch Briefe im Kasten", sagt Claudia Wenig, nur auf eine Rechnung warte sie derzeit noch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2542808
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.06.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.