Ebersberg:Gefährliches Treppenhaus

Weil sie ihrer Nachbarin ins Gesicht geschlagen hat, wird eine 55-Jährige zu einer Bewährungsstrafe verurteilt

Von Jessica Morof, Ebersberg

Schubsen, schlagen, am Kopftuch reißen: Wegen solchen Verhaltens hatte sich eine 55-jährige Frau aus dem südlichen Landkreis jetzt vor dem Amtsgericht zu verantworten. Der Vorwurf lautete gefährliche Körperverletzung: Sie soll eine Nachbarin im Flur des gemeinsamen Wohnhauses angegangen und misshandelt haben. In der Verhandlung bekam die Richterin zwei unterschiedliche Geschichten zu hören und verurteilte die Beschuldigte zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung. Dass mit dem Urteil die seit langem anhaltenden Nachbarschaftsstreitigkeiten beigelegt werden, ist allerdings zu bezweifeln.

Seitdem die Angeklagte in das Mehrfamilienhaus eingezogen ist, gebe es "viel Belästigung und keine Ruhe mehr", übersetzte die Dolmetscherin der Geschädigten, die auch als Nebenklägerin auftrat. Die 48-Jährige und die Angeklagte verbindet eine längere Vorgeschichte, in der es immer wieder Streit und Gerichtsverhandlungen gab. Zuletzt kam es im Januar 2014 zu einer heftigen Auseinandersetzung, deren Folge nun die Verhandlung vor dem Amtsgericht war.

Wie die Geschädigte schilderte, hatte sie die Kinder von der Schule abgeholt. Als sie die Haustür öffnete, befanden sich im Flur die Beschuldigte sowie ein unbekannter Mann. Beide sollen sie geschubst und gegen die Wand gedrückt haben. Dabei sei ihr Kopf gegen die Tür gestoßen. Nach Aussage der Geschädigten habe die Frau einen Korb in der Hand gehalten, mit dem sie sie bedrängte. Bei dem Gerangel wurde sie auch auf die linke Wange geschlagen. Ebenfalls habe die Angeklagte an ihrem Kopftuch gerissen, sodass es herunterrutschte. Ein weiterer Mann stand laut Angaben der Geschädigten in etwa fünf Metern Entfernung vor ihrer Wohnungstür. "Es hat ausgeschaut, als wäre es geplant", übersetzte die Dolmetscherin. Anschließend habe die Angeklagte sie aufgefordert, die Waschküche im Keller aufzuschließen, dies habe sie auch getan und sei danach schnell nach oben geflüchtet.

Ihre 18-jährige Tochter bestätigte die Aussage der Mutter. "Ich habe gehört, dass Mama um Hilfe gerufen hat und bin runter gerannt." Die Mutter habe geweint, eine rote Wange gehabt und versucht, ihr Kopftuch wieder herzurichten. Ein Attest der Kreisklinik bestätigt die erlittenen Blessuren der Geschädigten: Prellungen an Jochbein und Nase sowie eine Verletzung der Schulter.

Völlig anders schilderte die Angeklagte den Vorfall. Eigentlich habe sie nur Wäsche waschen und dem Sohn, der zum ersten Mal in der Wohnung zu Besuch war, den Keller zeigen wollen. Doch unten angekommen, habe sie bemerkt, dass die Tür zur Waschküche verschlossen war, weshalb sie die Nachbarin um Hilfe gebeten habe. Diese habe aufgeschlossen und ihr zum wiederholten Male vorgeworfen, ihre Waschmaschine und die Wäsche darin kaputt gemacht zu haben. Die Angeklagte verneinte dies nach eigenen Angaben, die Nachbarin sei wieder nach oben gegangen. Anschließend habe sie die Waschmaschine gestartet und sei mit ihrem Sohn zurück in die Wohnung gegangen, weil Gäste erwartet worden seien, sagte die 55-Jährige vor Gericht. "Ich habe die Frau nicht angerührt und auch mein Sohn nicht", beteuerte sie.

Diese Darstellung der Ereignisse bestätigte der Sohn. An Schubsen, ein verrutschtes Kopftuch oder Streitereien könne er sich nicht erinnern. Überzeugen konnte das die Anklage allerdings nicht. "Ich halte dies für eine Schutzbehauptung", warf die Staatsanwältin Mutter und Sohn vor. Gegen den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen spreche, dass sich laut Polizeibericht nur der Sohn und der Lebensgefährte der Angeklagten in der Wohnung aufhielten; keine Gäste. Gewundert habe sie sich auch, dass man Wäsche waschen gehe, wenn man Besuch hat.

Die Anwältin der Beklagten stellte dagegen Uneindeutigkeiten zwischen der Aussage der Geschädigten und dem Polizeibericht fest. Einmal soll ein Mann das Kopftuch heruntergerissen haben - ein anderes Mal soll es die Angeklagte gewesen sein; im Bericht war es die rechte Wange, die schmerzte, in ihrer Aussage sprach die 48-Jährige aber von der linken. "Es gibt keinen Grund, dass bei Aussage gegen Aussage einer Partei mehr Glauben geschenkt wird", schloss die Anwältin und beantragte den Freispruch ihrer Mandantin. Am Ende überzeugten die Richterin die Darstellung der Anklage sowie das ärztliche Attest und sie verurteilte die Angeklagte zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die 55-Jährige muss nun 120 Stunden sozialen Dienst im Betreuungsverein "Brücke" in Ebersberg leisten.

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