Süddeutsche Zeitung

Kreisklinik:Ebersberger Geburtshilfe-Chefin: "Wir haben Platz"

Werdende Mütter sind verunsichert, was Corona für ihre Schwangerschaft bedeutet. Chefärztin der Geburtshilfe an der Kreisklinik Helen Budiman gibt Entwarnung.

Interview Johanna Feckl

Eine Gruppe von Menschen schert sich herzlich wenig darum, dass eine Pandemie derzeit die Welt beutelt: Babys. Im Gespräch mit der SZ erzählt Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe an der Ebersberger Kreisklinik Helen Budiman, wie ihre Station mit der Situation umgeht - und die 43-Jährige verrät, wo Corona einen schönen Nebeneffekt hinterlässt.

SZ: Frau Budiman, vor Corona-Zeiten gab es auf der Geburtsstation regelmäßig einen Info-Abend mit Kreißsaalführung für werdende Mütter und Väter. Das ist ja nun wahrscheinlich nicht mehr möglich, oder?

Helen Budiman: Das stimmt. Eigentlich hatten wir jeden dritten Donnerstag im Monat eine Info-Veranstaltung bei uns im Speisesaal. Die war jedes Mal gut besucht, da waren bestimmt 100 bis 120 werdende Eltern da. Aber das Versammlungsverbot macht das aktuell nicht möglich. Aufgrund dessen haben wir uns dazu entschieden, unser Online-Angebot deutlich auszubauen und unseren Newsblog mehr zu verwenden.

Könnten Sie darauf genauer eingehen: Welche Infos werden dort veröffentlicht?

Der Plan ist, dass es dort jede Woche etwas Neues gibt. Wir haben zum Beispiel schon einen Beitrag zu Schwangerschaft und Covid-19 veröffentlicht. In der Regel läuft es so, dass unsere Pressereferentin uns mitteilt, welche Themen und Fragen gerade besonders häufig im Internet gesucht werden - und wir verfassen dann einen Text dazu.

Wenden sich Schwangere nun vermehrt mit Fragen an die Klinik als vor Corona?

Ja, es rufen schon mehr Frauen an, wenn sie Fragen haben. Wir haben eine extra Ansprechpartnerin für die telefonischen Nachfragen koordiniert. Was aber nach wie vor persönlich stattfindet, das ist die geburtsplanende Vorstellung.

Wie läuft denn eine solche Vorstellung ab?

Die Schwangeren kommen mit ihren Unterlagen und treffen sich mit Hebamme und Ärztin oder Arzt. Dann wird abgeklärt, ob Schwangerschaftsverlauf und Vorgeschichte der Frau eine Entbindung bei uns empfehlen. Wenn es etwa relevante und schwere Vorerkrankungen gibt, dann sollten sie lieber in ein größeres Krankenhaus gehen.

Es hat sich also gar nichts geändert?

Einige Sicherheitsmaßnahmen sind schon wichtig: Leider dürfen die Frauen nur alleine kommen und nicht mehr mit ihrem Partner oder einem Geschwisterkind - das ist für gewöhnlich schon möglich. Außerdem wird im Eingangsbereich die Temperatur gemessen, die Frauen bekommen einen Mundschutz und sitzen in ausreichender Entfernung zur Hebamme und der Ärztin.

Viele sind ja verunsichert, weil einige Kliniken Begleitpersonen im Kreißsaal verboten haben. In Ebersberg ist das nach wie vor erlaubt. Wir das auch so bleiben?

Ja. Die Frauen, die zur Geburt kommen, füllen einen Anamnesebogen aus. Da müssen sie etwa angeben, ob sie Kontakt mit einer infizierten Person oder einem Verdachtsfall hatten, dann wird Fieber gemessen. Das Gleiche gilt für den Partner. Wenn bei ihm eine erhöhte Temperatur festgestellt wird, kann er nicht mit in den Kreißsaal.

Und dass Sie irgendwann prinzipiell die Begleitperson nicht mehr erlauben, das steht also nicht im Raum?

Ein Szenario, in dem wir das so machen müssten, wäre, wenn die Krankheitsrate um ein Vielfaches höher wäre. Aber da sind wir aktuell meilenweit davon entfernt, sodass das eher unrealistisch ist. Oder wenn etwa fünf Frauen gleichzeitig zur Entbindung kämen, dann hätten wir ein Platzproblem. Das kommt jedoch nur selten vor.

Spielt denn die Größe des Krankenhauses eine Rolle, ob eine Begleitperson bei der Geburt dabei sein darf?

Das kann durchaus sein. Größere Kliniken haben oft 4000 Geburten im Jahr, bei denen gehts rund! Wir haben im Durchschnitt etwa 700 Geburten, da ist bei uns bei weitem nicht so viel los. Deshalb können wir bei ständiger Achtsamkeit für die Sicherheitsbestimmungen die Frauen auch guten Gewissens mit ihren Männern kommen lassen - wir haben den Platz und das Personal.

Aus Angst davor, dass der Partner am Ende vielleicht doch nicht mit in den Kreißsaal kann, denken einige Schwangere auch über eine Heimgeburt nach. Halten Sie das für eine gute Alternative?

Nein, das sehe ich sehr, sehr kritisch. Es gibt ja nicht umsonst immer weniger Hebammen, die Hausgeburten begleiten. Im Landkreis Ebersberg gibt es, glaube ich, nur zwei davon. Hausgeburtshilfe ist immer eine Risikogeburtshilfe - das kommt einfach nur für sehr wenige Frauen in Frage. Wenn eine Frau zum Beispiel das dritte Kind bekommt, dann könnte es okay sein. Bei dem ersten Kind aber, oder wenn die Frau ein gewisses Alter überschritten hat oder noch sehr jung ist, bei Zuckererkrankungen oder Bluthochdruck, dann kommt eine Hausgeburt eigentlich nicht in Frage. Um das zu verdeutlichen: Im Jahr 2018 mussten deutschlandweit 15 Prozent der Frauen, die eine außerklinische Geburt begonnen hatten, in eine Klinik verlegt werden, nach der Geburt waren es dann auch noch mal fast fünf Prozent.

Aber besteht in einem Krankenhaus nicht die Gefahr, sich mit dem Virus anzustecken - also sind nicht beide Varianten, daheim oder in der Klinik zu gebären, ungünstig?

Ich sehe das nicht so. In den Kliniken gibt es ein sehr erfahrenes, von allen erprobtes Hygienemanagement und wir verfügen über ausreichend Schutzausstattung. Jede Frau, die das verbleibende geringe Ansteckungsrisiko im Krankenhaus durch eine Hausgeburt umgehen möchte, muss einfach wissen: Wenn es einen Notfall gibt, dann kann immer nur zeitverzögert reagiert werden. Sie sollte auch bedenken: Eine Hebamme kann keine PDA legen, keinen Kaiserschnitt durchführen, keine Geburtsglocke ansetzen. Ich würde das auf keinen Fall empfehlen.

Nun gelten die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen schon seit einigen Wochen - da gab es ja vermutlich die eine oder andere Geburt. Laufen die nun anders ab?

Im Kreißsaal tragen alle Mundschutz, also Arzt oder Ärztin, Hebamme, die Entbindende und auch der Partner. Das medizinische Personal trägt noch dazu Handschuhe. Davon abgesehen ist es unser Anliegen, möglichst viel Normalität und die gewohnte positive Atmosphäre für diese wunderbare Familiensituation zu schaffen.

Ist Ihr Eindruck, dass die Frauen durch die Corona-Situation ängstlicher sind?

Nein. Die Aufklärung und die Studienlage bei Schwangeren ist gut: Man weiß, dass schwangere Frauen im Vergleich zu nicht schwangeren keine schlimmeren Krankheitsverläufe haben. Bei SARS zum Beispiel war das anders, da war die Letalität (die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu sterben, Anm. d. Red.) bei Schwangeren unglaublich hoch. Mir ist im Moment kein Fall bekannt, bei dem es bei einer Schwangeren mit Covid-19 zu schweren Komplikationen kam, ohne dass eine andere schwere Erkrankung vorlag.

Das ist ja schon einmal gut zu hören!

Ja, auf jeden Fall. Und noch eine gute Sache: Wir beobachten, dass die Frauen viel besser mit ihren Kindern zurechtkommen, weil wegen des Besuchsverbots nicht ständig jemand kommt. Das Stillen klappt zum Beispiel viel besser. Ich weiß nicht, ob das die Frauen selbst auch immer so sehen. Aber wenn ich mit Frauen bei uns spreche, die das zweite Kind bekommen haben, sagen sie alle, dass sie viel entspannter sind. Das ist doch ein schöner Nebeneffekt.

Neben dem Kreißsaalbereich haben Sie in der Klinik ja auch eine Hebammenambulanz. Was für Maßnahmen wurden wegen Corona dort getroffen?

Eigentlich bieten dort Hebammen unter anderem Kurse an, Baby-Massagen oder Geburtsvorbereitungskurse. Die sind erst einmal ausgesetzt. Wie bisher findet dort auch die geburtsplanende Vorstellung statt, von der ich bereits gesprochen habe. Und wenn die Frauen Wehen oder einen vermuteten Blasensprung hat, dann kommt sie natürlich auch - das können wir ja schlecht per Skype regeln (lacht).

Und wie sieht die Situation nach der Geburt auf der Wochenbettstation aus?

Wir haben aktuell drei Familienzimmer und planen das vierte, weil das so einen hohen Anklang findet. Dort ist die Frau mit ihrem Kind alleine und auch der Partner kann dort übernachten - alle können sich aneinander gewöhnen. Es sieht auch nicht aus wie ein Krankenhauszimmer, sondern vielmehr wie ein Hotelzimmer mit dem Komfort, das Essen ans Bett geliefert zu bekommen. Immer, wenn die Frau Fragen oder zum Beispiel Probleme beim Stillen hat, das ist am Anfang nämlich oft schwierig, dann kann sie nach der Stillschwester klingeln, die ihr dann hilft. Das ist ein fließender Übergang zum richtigen Zuhause.

Das klingt ziemlich komfortabel.

Wir haben aber auch noch drei normale Zimmer, also große und geräumige Zimmer mit normalerweise je zwei Betten.

Es liegen dann also zwei Frauen mit ihren Kindern auf demselben Zimmer?

Nein. Wir sind da im Moment restriktiv: Weil die restliche Station nur mit Notfällen belegt ist, haben wir Platz. Sollte es tatsächlich einmal so sein, dass zwei Frauen auf einem Zimmer liegen müssten, dann können wir sie jetzt räumlich trennen.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2020/aju
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