Häusliche Gewalt:Beratungsanfragen bei Ebersberger Frauennotruf steigen

Häusliche Gewalt: Auch in Ebersberg sind Frauen von häuslicher Gewalt betroffen.

Auch in Ebersberg sind Frauen von häuslicher Gewalt betroffen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Mit zunehmender Lockerung der Corona-Maßnahmen steigt die Zahl der Hilferufe. Das könnte aber nur die Spitze des Eisberges sein.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Ende Mai dieses Jahres hatte Kreis-Jugendamtsleiter Christian Salberg noch von einer möglichen Ruhe vor dem Sturm gesprochen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass tatsächlich ein raueres Lüftchen im Landkreis Ebersberg aufzuziehen scheint: Wie aus den aktuellen Fallzahlen des Frauennotrufs hervorgeht, hat die coronabedingte Ausgangssperre tatsächlich zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt geführt. Darauf lassen zumindest die vermehrten Beratungsanfragen nach den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen schließen. In der Landkreisverwaltung vermutet man allerdings, dass die Dunkelziffer in diesem Bereich noch deutlich höher liegen dürfte.

"Ja, nach den Lockerungen wird eine Zunahme an Beratungsanfragen festgestellt", sagte Marion Wolinski von der Abteilung Soziales im Landratsamt in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Bildung (SFB) als Antwort auf einen Fragenkatalog, den die Kreistagsfraktion der Grünen eingereicht hatte. Demnach befänden sich die Fachkräfte des Frauennotrufs derzeit mit mehreren Frauen in der Klärungsphase, inwieweit diese die Trennung von ihrem Partner wagen können. Dieser gesteigerte Bedarf könnte eine erste Andeutung darauf sein, was die Mitarbeiter der Hilfsstelle in den kommenden Wochen und Monaten erwartet.

Denn sowohl im Landratsamt als auch beim Frauennotruf selbst geht man davon aus, dass die Zahlen von häuslicher Gewalt noch deutlich höher liegen dürften. "Wir können nur spekulieren, wie es tatsächlich ist. Die Dunkelziffer in diesem Bereich ist vermutlich sehr hoch", sagte Wolinski. Durch Fakten lässt sich diese Mutmaßung derzeit für den Landkreis indes noch nicht belegen. Daten der Ebersberger Polizeiinspektion zufolge, liegen die Zahlen von häuslicher Gewalt in 2020 nicht signifikant höher als im Vorjahr. Auch der Bedarf nach einem Platz im Frauenhaus hält sich scheinbar in Grenzen. Laut Frauennotruf habe es in diesem Jahr bisher fünf Anfragen gegeben.

Zugleich warnt die Hilfsstelle, dass diesen Zahlen nicht ganz zu trauen ist: "Anzunehmen ist, dass dies kaum den tatsächlichen Bedarf spiegelt", schreibt der Frauennotruf in einer Stellungnahme. Die Gründe dafür sind vielfältig. Wolinski zufolge liegt die geringe Nachfrage unter anderem daran, dass viele Frauen sich in den vergangenen Wochen zu Hause um die Kinder kümmern mussten und deshalb keine Möglichkeit für ein Beratungsgespräch hatten. Außerdem habe die unsichere Corona-Lage für zusätzlichen Stress bei den Betroffenen gesorgt. "Da ist es noch schwieriger als ohnehin, diesen Schritt zu wagen."

Dazu kommt durch die Pandemie bedingt noch ein weiteres, organisatorisches Hindernis: Im Erdinger Frauenhaus, das auch für den Landkreis Ebersberg zuständig ist, kann durch die geltenden Hygienevorschriften immer nur eine Frau aufgenommen werden, die übrigen Plätze müssen leer bleiben. Außerdem ist für die Aufnahme in die Erdinger Einrichtung eine vorherige 14-tägige Quarantäne vorgeschrieben. Dazu sind nach Einschätzungen des Frauennotrufs aber viele Betroffene nicht bereit, auch wenn durchaus einige beratene Frauen seit Mai einen Platz im Frauenhaus benötigt hätten, um sie ausreichend zu schützen und zu unterstützen. "Obwohl sich die Frauen in einer äußerst schwierigen, sehr gefährdenden Situation befanden, waren sie aufgrund von Aufnahmestopp, Quarantäne und den Folgen der Corona-Krise nicht bereit, ihr Zuhause zu verlassen", fasst die Ebersberger Hilfseinrichtung zusammen.

Wie sich die Situation mit zunehmender Lockerung der Corona-Einschränkugen verändert, lässt sich derzeit zwar nicht mit letzter Sicherheit sagen, beim Frauennotruf und im Landratsamt geht man aber davon aus, dass die Fallzahlen steigen werden. Abhilfe könnte in Zukunft eine landkreiseigene Einrichtung schaffen, an die sich Frauen wenden können. Zum März 2022 läuft der Vertrag aus, mit dem sich der Landkreis zur Mitfinanzierung des Frauenhauses in Erding verpflichtet hat. Danach soll Ebersberg ein eigenes Frauenhaus bekommen.

Coronabedingt habe sich dessen Planung nun aber verzögert, da viele Mitarbeiter am Landratsamt im Krisenmanagement eingebunden waren, wie Marion Wolinski im Ausschuss sagte. Auf einen konkreten Fahrplan wollte sich die Sachbearbeiterin zwar nicht festlegen, es bleibe aber noch genügend Zeit, die Planungen fristgerecht abzuschließen.

Vor dem Abschluss stehen Wolinski zufolge indes die Gespräche mit möglichen Trägern der Einrichtung. Zwar sei noch eine offizielle Ausschreibung nötig, der Ebersberger Verein "Frauen helfen Frauen" habe aber bereits sein Interesse an der Zusammenarbeit bekundet.

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