Wo genau könnten sie denn nun hin, die fünf Windräder im Ebersberger Forst? Sören Schöbel-Rutschmann von der Technischen Universität (TU) München war mit der Ausarbeitung eines solchen sogenannten Zonierungskonzepts beauftragt worden. In der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses des Landkreises (ULV) stellte der Wissenschaftler seine Ergebnisse dem Gremium vor. Demnach wären fünf Anlagen nur unter Ausschluss der 10-H-Regel möglich. Grundsätzlich einverstanden mit den nach wissenschaftlichen Kriterien angefertigten Konzept zeigten sich jedoch nicht alle Ausschussmitglieder - mit drei Gegenstimmen wurde das Konzept zur Kenntnis genommen. Damit wird es bei der geplanten Modifizierung der Verordnung zum Landschaftschutzgebiet (LSG) berücksichtigt.
Zum nun vorgestellten Zonierungskonzept gibt es eine Vorgeschichte: Anfang 2020 wurde in einer Sitzung des ULV-Ausschusses bekannt, dass in einem gleichmäßig funktionierenden System wie dem Ebersberger Forst unter Gesichtspunkten des Naturschutzes keine Einteilung in unterschiedlich wertvolle Zonen möglich sei und damit auch nicht das Benennen von Arealen, die für die Errichtung von Windrädern in Frage kommen. Zu diesem Ergebnis kam damals ein unabhängiges Umweltinstitut in einem Gutachten. Da die gesetzlich geregelten Ziele eines Landschaftsschutzgebiets, wie der Großteil des Ebersberger Forsts eines ist, aber auch die Aspekte "Eigenart der Landschaft" und "Erholungswert" beinhalten, hat der Kreistag die Ausarbeitung eines Zonierungskonzepts unter Berücksichtigung dieser Kriterien beschlossen.
Außerdem einigten sich die Kreistagsmitglieder auf sechs Kriterien, denen zufolge bestimmte Bereiche freizuhalten sind, beispielsweise wenn die 10-H-Regel nicht erfüllt ist oder es sich um eine Wildruhezone oder ein Wasserschutzgebiet handelt.
Sören Schöbel-Rutschmann von der TU sprach sich klar dafür aus, die Möglichkeiten zur Begrenzung des Klimawandels, die in einem geschützten Gebiet liegen, als ein Anliegen des Klimaschutzes zu verstehen - und dementsprechend auch die Möglichkeiten, dort Windenergie zu erzeugen. Ihm zufolge sind strukturelle Veränderungen und Schäden des Waldgebiets durch die steigende Durchschnittstemperatur, jahreszeitliche Verschiebungen bei den Niederschlägen und der Zunahme von Stürmen unvermeidlich. Aber: Für die erwähnten Ziele eines Landschaftsschutzgebiets sei es entscheidend, in welchem Tempo diese Veränderungen geschehen werden.
Bei den genauen Kriterien der Zonierung betonte der Experte, dass die Ausweisung einer Zone allein aufgrund der Zwecke eines Landschaftsschutzgebietes und nach naturschutzrechtlichen Kriterien geschehen darf. "Zu sagen, wir nehmen da jetzt die windigste Stelle, geht nicht." Dementsprechend dürften auch Siedlungsabstände oder ähnliches keine Rolle spielen.
Seinen weiteren Ausführungen schloss Schöbel-Rutschmann eine Erklärung voran: "Landschaftsschutzgebiete sind Gebiete, die vom Menschen angelegt sind - also Kulturgebiete." Da auch Windräder vom Menschen gemacht sind, stellten entsprechende Anlagen in einem Schutzgebiet grundsätzlich keinen Widerspruch dar. Anschließend erläuterte der Professor klar ersichtliche unterschiedliche Bereiche des Forstes in Hinblick auf dessen Charakteristika: Am südlichen Rande überwiegen Trompetentälchen, Terrassenränder, Moränenwälle und Toteiskessel in den sogenannte Eisrandlagen des Inngletschers, die durch ein starkes Relief geprägt sind. Weitaus mehr Fläche nehmen die relativ ebenen und leicht nach Nordwesten abfallenden Schotterterrassen in Anspruch.
Diese zwei Zonen spiegeln sich laut Schöbel-Rutschmann auch bei der Erholungsfunktion wieder: Vor, in und hinter den früheren Eisrandlangen liegen überwiegend die Gebiete "Wald mit Erholungsfunktion", die die an den Forst angrenzenden Gemeinden definiert haben. Hier steht der Naturgenuss im Wechselspiel mit einer vielfältigen und historischen Kulturlandschaft. Windräder würden hier eine starke Veränderung bedeuten. Hingegen in der Schotterebene gibt es breite Wege, die sich für Laufen und Radfahren anbieten. Der Genuss der Natur stehe dort stets in Verbindung mit dem Menschen - Windenergieanlagen würden keine wesentliche Veränderung darstellen.
Kurz: Dort, wo die stark reliefierten Bereiche und damit die Natur überwiegt, sollen keine Windräder hin. Dort, wo in den Schotterterrassen Menschengemachtes und der Mensch überwiegt, schon.
Bei der anschließenden Diskussion kam die 10-H-Regel und damit eine von Schöbel-Rutschmann als irrelevant bezeichnete Abstandsregel zur Sprache. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) sagte, dass dies aus wissenschaftlicher Perspektive, wie sie soeben dargestellt wurde, absolut in Ordnung sei. Das Gremium entscheide aber auch auf Grundlage politischer Beschlüsse und die besagten eindeutig die Einhaltung der 10-H-Regel. "Das ist für mich gesetzt." Er sprach sich dafür aus, die beschlossenen sechs Kriterien, zu der auch die 10-H-Regel zählt, beizubehalten. Schöbel-Rutschmann wies darauf hin, dass ein solches Kriterium das Verwaltungsgericht "ziemlich sicher" kassieren würde. Unter Einhaltung der 10-H-Regel wären in der präsentierten 24,5 Quadratkilometer großen Zone drei Windräder möglich.
Deutliche Gegenworte zum Gutachten fand Toni Ried (FW). Er bezeichnete es als "Augenwischerei". "Es tut mir sehr leid, aber ich glaube, wir gehen da sehr blauäugig vor." Ausschusskollege Thomas von Sarnowski (Grüne) erinnerte an die enormen Schäden, die Stürme im vergangenen Sommer im Forst angerichtet haben. "Das ist es, was unseren Wald bedroht, nicht die Windräder."