Seegrasstadel:Letzter Nachschlag

Stadel mit Briefkastenfirmen im Ebersberger Forst, 2016

Dieser Briefkasten hängt an einem Stadel beim Forsthaus St. Hubertus und der ist offizieller Sitz mehrerer Firmen, daran gibt es nun Zweifel.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Steueraffäre um den Gewerbestadel im Ebersberger Forst könnte noch jahrelang Einfluss auf den Kreishaushalt haben - allerdings nicht nur in negativer Hinsicht.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das umstrittene Gewerbegebiet "Seegrasstadel" im Ebersberger Forst könnte dem Landkreis noch einmal Millioneneinnahmen bescheren - nachdem es den Kreishaushalt heuer 23,52 Millionen Euro kostet. Doch die Übertragung von Gewerbesteuern, die nach Überzeugung der Finanzbehörden eigentlich der Stadt München zustehen, können die Ebersberger an anderer Stelle geltend machen - zumindest zum Teil und mit Verzögerung. Unterm Strich könnte der Landkreis ein Plus von etwa 10,7 Millionen Euro verbuchen.

Diese Summe nannte Brigitte Keller, Kreiskämmerin und Leiterin der Zentralabteilung im Landratsamt, diese Woche bei einem Pressegespräch. Konkret geht es dabei um den Haushalt des Jahres 2022 und die darin enthaltenen Schlüsselzuweisungen sowie die Bezirksumlage. Die Höhe beider Posten orientiert sich an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Kreises zwei Jahre zuvor. Oder einfacher ausgedrückt: Je mehr ein Landkreis heuer einnimmt, desto höher ist in zwei Jahren die an den Bezirk zu zahlende Umlage und um so geringer die Schlüsselzuweisungen, die den Finanzausgleich zwischen den Kommunen regeln - und umgekehrt.

Und da kommt die Steuerübertragung an die Münchner ins Spiel: Diese wird die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landkreises 2020 ein gutes Stück drücken, weshalb man sich im Landratsamt Ebersberg auf eine niedrigere Bezirksumlage und höhere Zuweisungen einstellt. Beides zusammen, so Keller, ergebe dann die Summe von 10,7 Millionen Euro.

Dass der Landkreis Ebersberg in den Jahren 2007 bis 2010 eingenommene Gewerbesteuer an die Landeshauptstadt weiterleiten muss, hatten die Finanzbehörden im Oktober endgültig verfügt. Dabei geht es um ein "Seegrasstadel" genanntes Gebäude beim Forsthaus St. Hubertus, in dem mehrere Investmentfonds ihren Sitz angemeldet haben. Was sich zumindest in den vergangenen Jahren rentiert hat, da im Forst, der als gemeindefreies Gebiet dem Landkreis untersteht, ein Steuersatz von 200 Punkten gilt. Zum Vergleich: In der Kreisstadt sind es 320 und in München 490 Punkte.

Ursprünglich hatte der Eigentümer des Stadels - der Freistaat Bayern - direkt an die Fondsgesellschaften vermietet, seit drei Jahren ist der Landkreis Ebersberg Mieter und die Finanzfirmen Untermieter. Diese haben neben dem Stadel einen Briefkasten und unterhalten im Stadel offiziell ein Büro - das ganze drei Stunden in der Woche geöffnet ist. Entweder ist der Verwaltungsaufwand für die Beteiligungen also sehr überschaubar oder es handelt sich gar nicht um das richtige Büro und damit den steuerrelevanten Firmensitz.

Zu dieser Überzeugung ist man offenbar bei der Steuerfahndung gelangt, laut Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist die Neubewertung von dieser Seite ausgegangen. Bereits im Frühjahr habe es erste "Warnsignale" gegeben, dass die Steuerbehörden eventuell ihre Meinung zum Seegrasstadel ändern, so der Ebersberger Landrat. Allerdings sei man in seiner Behörde damals noch davon ausgegangen, "dass es sich auflösen lässt", schließlich hatte es seit 2004, als der Stadel als Firmensitz genutzt wird, nie Einwände der Finanzbehörden gegeben. Im August schließlich sei deutlich geworden, dass es eine Rückforderung geben werde, deren konkrete Höhe allerdings erst im Oktober festgestellt wurde. Zu spät für einen Nachtragshaushalt, weshalb man die Differenz nun per Kassenkredit ausgleichen muss.

Dass es weitere Nachforderungen der Finanzbehörden gibt, schließt Niedergesäß zumindest nicht aus, denn bisher ging es nur um die Jahre bis 2010. Eine ähnlich hohe Summe sei aber nicht zu befürchten, da die entsprechenden Einnahmen im vergangenen Jahrzehnt sehr überschaubar gewesen seien: Etwa 1,5 Millionen Euro habe der Landkreis seit 2011 an Gewerbesteuer erzielt. Ebenfalls noch offen ist, ob zu der Summe noch etwas hinzukommt. Denn auch wenn Niedergesäß die Verträge sowohl mit dem Freistaat wie den Firmen gekündigt hat, laufen diese noch bis Ende kommenden Jahres.

Nach Meinung der ÖDP im Landkreis hätte man die Gewerbenutzung in St. Hubertus indes viel früher beenden müssen. In einer Pressemeldung erinnert Kreisvorsitzende Rosi Reindl an einen 2017 gestellten Antrag ihrer Partei, die Mietverträge zu kündigen - was dem Landkreis indes die Rückzahlung nicht erspart hätte, geht es dabei doch um die Jahre 2007 bis 2010. Dennoch nutzt man bei der ÖDP die aktuelle Affäre um für mehr Steuergerechtigkeit zu werben: "Es kann doch nicht sein, dass Unternehmen, die sich in unseren Gemeinden ansiedeln, echte Betriebsstätten errichten und Arbeitsplätze schaffen, weit mehr Gewerbesteuer zahlen als Unternehmen, die lediglich ihren Sitz in Orte verlegen, an denen wenig Steuer anfällt", so die frühere ÖDP-Kreisrätin Johanna Weigl-Mühlfeld. Kritisiert werden auch die übrigen Kreistagsfraktionen, die vor drei Jahren den Antrag der ÖDP abgelehnt haben.

Nicht ganz ausgeschlossen ist, dass dieser Vorgang nun indirekt zur Überweisung in die Landeshauptstadt beigetragen hat. Denn parallel zum Antrag im Kreistag hatte die ÖDP eine Petition an den Landtag gestellt, die Rechtmäßigkeit des Gewerbegebietes Seegrasstadel zu überprüfen und sich im Bundesrat für ein Verbot solcher Steuersparmodelle einzusetzen. Zudem hatten die Parteifreunde im Münchner Stadtrat eine Anfrage gestellt, wie die Landeshauptstadt gegen "Steuervermeidungsstrategien" Münchner Firmen vorzugehen gedenkt. Drei Jahre später scheint es eine Antwort darauf zu geben.

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