Das wohl bekannteste Flüchtlingsheim des Landkreises Ebersberg wird deutlich später fertig als bislang geplant. Der Eröffnungstermin für die Unterkunft im ehemaligen Atron-Gebäude in Markt Schwaben hat sich nach hinten verschoben – nicht zum ersten Mal. Aktuell geht man im Landratsamt von einem Eröffnungstermin Anfang April aus. Dabei würden die 66 Plätze in Markt Schwaben durchaus benötigt, die übrigen Unterkünfte sind komplett voll.
Der alte Gewerbebau am Markt Schwabener Bahnhof ist seit Ende des vorvergangenen Jahres als Unterkunft im Gespräch. Ursprünglich hätten dort bis zu 120 Menschen einziehen sollen, nach massiven Protesten von Anwohnern – die letztlich auch zum Rücktritt des damaligen Markt Schwabener Bürgermeisters Michael Stolze führten – wurde umgeplant und die Zahl der Plätze halbiert. Im Gegenzug sicherte die Marktgemeinde zu, in Eigenregie ein etwa gleich großes Objekt bereitzustellen.
Eigentlich hätte die Unterkunft in Markt Schwaben bereits seit dem Herbst zur Verfügung stehen sollen
In die Unterkunft im Atron-Bau sollten nach ersten Planungen im Herbst 2024 die ersten Leute einziehen, dann hätte es zum Jahresende so weit sein sollen, und als dieser näher rückte, war von Januar die Rede. Nun also Anfang April, den neuen Termin berichtete nun Marion Wolinski, Leiterin des Sachgebiets Sozialhilfeverwaltung und Asyl im Landratsamt, bei einem Pressegespräch.
Grund für die erneute Verzögerung sei zum einen die sehr schwierige Ausschreibung, sagt Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Für einige seien zunächst überhaupt keine Angebote eingegangen, sodass man erneut ausschreiben musste. Vor allem aber hat sich beim Brandschutz eine Umplanung ergeben – die zwar Zeit koste, aber Geld spare, sagt Wolinski. So hatte man zunächst geplant, die Zufahrt zu erweitern, damit die Feuerwehr mit der Drehleiter besser ans Gebäude heranfahren kann. Nun habe sich aber ergeben, dass man auch eine Feuertreppe einbauen könnte.
Für die zweite in Markt Schwaben geplante Unterkunft, die am Hanslmüllerweg im Osten der Gemeinde entstehen soll, gebe es derzeit noch gar keinen Zeitplan, laut Wolinski ist aber wohl frühestens Ende des Jahres mit einer Inbetriebnahme zu rechnen. Weitere größere Unterkünfte seien nicht absehbar, weder habe das Landratsamt Flächen angeboten bekommen noch größere Gebäude, die man umnutzen könnte, sagt Niedergesäß.

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Dass damit die Zahl der Plätze für Asylbewerber bis auf Weiteres im Landkreis nicht wächst, ist aber nicht ganz unproblematisch. Aktuell sind in den Unterkünften insgesamt 1591 Personen untergebracht, „damit sind wir voll“, sagt Wolinksi. Zuletzt konnte noch für 30 Leute in der größten Einzelunterkunft, dem ehemaligen Sparkassengebäude in Ebersberg, Platz geschaffen werden, weil einige Personen von dort in andere Unterkünfte verlegt werden konnten. Eigentlich hätte die für die Verteilung von Asylbewerbern zuständige Regierung von Oberbayern gerne 50 Leute nach Ebersberg geschickt, sagt Wolinskli, aber man habe die übergeordnete Behörde mit Verweis auf die äußerst angespannte Situation etwas herunterhandeln können.
Dabei nimmt der Landkreis Ebersberg im bezirksweiten Vergleich ohnehin eher wenige Geflüchtete auf, das sagt auch der Landrat. Den Königsteiner Schlüssel – ein Verteilungsmechanismus für Aufgaben und Finanzmittel des Bundes, der Länder und Kommunen – erfülle der Landkreis Ebersberg im Bereich Flüchtlinge aktuell nur zu 93 Prozent. Bei Menschen aus der Ukraine sind es zwar sogar 110 Prozent, die machen mit insgesamt 408 Personen aber nur den kleinsten Teil der Untergebrachten aus. Bei allen anderen Asylbewerbern erfüllt der Landkreis seine Quote nur zu 90 Prozent. Insgesamt liege Ebersberg damit auf Platz 19 der 23 oberbayerischen Landkreise und kreisfreien Städte.
Aufrufe aus dem Landratsamt, Wohnraum zu vermieten, stoßen bislang auf wenig Resonanz
Denn zwar gebe es im Landkreis insgesamt 75 Unterkünfte für Asylbewerber, aber vor allem an größeren Objekten fehle es, sagt Landrat Niedergesäß. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass im Sparkassenbau alleine schon 400 Personen untergekommen sind – am anderen Ende der Skala stehen Einheiten mit gerade einmal zwei Bewohnern. Auch nicht zur Entspannung trägt bei, dass es derzeit wenig Resonanz auf wiederholte Anfragen aus dem Landratsamt gebe, Wohnraum an die Behörde zu vermieten oder an anerkannte Flüchtlinge. „Es ist zurzeit etwas zäh“, kommentiert der Landrat die Angebotssituation.
Dass auch Menschen, deren Asylantrag bewilligt wurde, keine bezahlbare Bleibe finden, ist indirekt ein weiterer Grund für die angespannte Situation in den kreiseigenen Unterkünften. Denn so leben dort auch Menschen, die das eigentlich nicht müssten – umgekehrt müsste der Landkreis diese Personen, im Amtsdeutsch „Fehlbeleger“, auch gar nicht beherbergen: Wer ein Bleiberecht hat und keine Wohnung findet, gilt als obdachlos. Und Unterkünfte für Obdachlose zu schaffen, fällt in den Aufgabenbereich der Städte und Gemeinden.
Doch der Landkreis möchte ihnen diese Zusatzaufgabe nicht auferlegen – auch vor dem Hintergrund, dass es ohnehin schon schwierig genug ist, in einer Kommune einen Standort für eine neue Unterkunft zu finden. Was dann allerdings dazu führt, dass in den bestehenden rund zwei Fünftel der Plätze – in Zahlen 683 – von Fehlbelegern beansprucht werden. Von diesen wiederum sind eben 408, also nahezu zwei Drittel, Menschen aus der Ukraine, die kein Asylverfahren durchlaufen müssen, sondern sofort Bleiberecht bekommen – und damit sofort zu Fehlbelegern werden.