Humanitäre Krise:Druck von Mitte-Links auf Ebersberger Kreis-Politik

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Das Bündnis hat der Kreisjugendrings im Rahmen des Projekts "Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Ebersberg" initiiert und 38 Partner akquiriert.  Collage: KJR
Das Bündnis hat der Kreisjugendrings im Rahmen des Projekts "Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Ebersberg" initiiert und 38 Partner akquiriert. Collage: KJR (Foto: N/A)

Ein Bündnis aus 39 Parteien, Vereinen, Künstlern und Firmen fordert den Kreistag auf, Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen - unter ihnen ein prominenter Rapper.

Von Korbinian Eisenberger

Die Ebersberger Kunstschmiede liegt drei Zentimeter unterhalb des Weltladens Grafing. Deutlich weiter weg liegen die Parteien oder Gewerkschaften. Fern von allen politischen Organisationen wollte er sein Logo positioniert wissen, erklärt Matthias Larasser-Bergmeister, weil er in der bürgerlichen Mitte stehe. Der 56-Jährige ist Inhaber der größten Kunstschmiede im Landkreis Ebersberg. Er sei nicht aus politischen Gründen Teil dieses Bündnisses. Beim Anblick der Bilder aus Moria "ist es ein humanitäres Muss, dass man versucht, die Lage zu ändern", erklärt er. "Und das kann ich nur, indem ich sage, ich nehme welche auf."

Die Erklärung des Kunstschmieds aus Langwied bei Ebersberg steht nicht stellvertretend für dieses Bündnis. Nicht wenige der 39 Parteien, Gewerkschaften, Vereine, Künstler und Firmen dürften auch politisch motiviert sein, zumal der Umgang mit Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos längst Politikum ist. Die Unterzeichner fordern den Ebersberger Kreistag dazu auf, freiwillig Flüchtlinge aus Lagern an den EU-Außengrenzen - wie etwa Moria - aufzunehmen. Zweite Forderung: Der Kreis soll sich dem bundesweiten Bündnis "Seebrücke" anschließen.

Der Markt Schwabener Rapper Roger Rekless sagt: "Ich kann im Kleinen ganz viel machen."

Kaum eine globale Krise (die Pandemie ausgenommen) war in den vergangen Jahren auf lokaler Ebene deutlicher sichtbar als die großen Fluchtbewegungen. Im Landkreis Ebersberg waren 2015 mehr als 1300 geflüchtete Menschen untergebracht, aktuell sind es dem Landratsamt zufolge noch um die 700. In Ebersberg führte dies zu einer lokalen Bewegung für Ausländerfreundlichkeit. Oft Drahtzieher von Aktionen: Bunt statt Braun Ebersberg, der Verein Seite an Seite mit Sitz in Markt Schwaben und zuletzt verstärkt der Kreisjugendring. Vom KJR Ebersberg ging nun auch der Ausruf des Bündnisses samt Forderung an den Kreistag aus. Hinzu kommt eine Online-Petition von Seite an Seite mit einer ähnlichen Forderung. Laut Webseite haben Stand Freitagmittag gut 800 Internetuser unterschrieben.

Anlass ist die Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses am Montag, 14 Uhr, im ehemaligen Sparkassengebäude. SPD, Grüne, Linke und ÖDP waren zuvor mit Anträgen zur Aufnahme von Flüchtlingen trotz Unterstützung der Freien Wähler knapp an den Gegenstimmen der CSU gescheitert. Die Christsozialen um Landrat Robert Niedergesäß erklärten, wie schwierig die Unterbringung von Neuankömmlingen angesichts des angespannten Wohnungsmarktes im Kreis Ebersberg ist. Die 21 Gemeinden würden überfordert, hieß es, auch wenn man nur 30 weitere Geflüchtete über den Kreis zu verteilen gedenke.

Die Opposition sieht das anders und bekommt nun Unterstützung von Mitte-links. Aus der Politik sind vier Logos der SPD zu finden, drei der Grünen und je eins von den Linken, der ÖDP und der Hip-Hop-Partei "Die Urbane". Hinzu kommen Pfadfinder, die VHS, Jugendzentren, die Caritas oder der DGB-Kreisverband. Auch mit dabei: lokale Künstler, darunter einer mit überregionaler Prominenz.

Der Markt Schwabener Rapper David Mayonga aka Roger Rekless hat kürzlich die Aktion "Das Klopapier gegen Rassismus" gestartet, am Telefon erzählt er, dass er noch im Laufe des Freitags ein Werbevideo zugunsten des Ebersberger Bündnisses für Flüchtlingshilfe drehen und online stellen werde. Mit dem Bündnis Seebrücke (201 Kreise, Städte und Gemeinden sind Mitglied) für sichere Häfen sei er im Austausch. "In der aktuellen Zeit fragen sich viele: Was kann ich tun gegen das Große?" Seine Antwort: "Ich kann im Kleinen ganz viel machen."

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Der Forderung des KJR haben sich Säulen der Kultur im Landkreis angeschlossen, die Kleinkunstbühnen Altes Kino und Alter Speicher etwa, oder der Kunstverein. Der Verein sei parteipolitisch neutral, sagt der Vorsitzende Andreas Mitterer. "Es ist aber wichtig, dass man zu gesellschaftlichen Fragen Stellung bezieht", sagt er. Mitterer und einzelne Mitglieder waren nicht selten dabei, zuletzt etwa bei der Moria-Kundgebung des KJR am Ebersberger Bahnhofsplatz. Auch in den Ausstellungen des Vereins geht es bisweilen politisch zu. In der Jahresausstellung 2019 "Wo bitte, geht's nach Arkadien?", einer Gegenwartskritik. Oder in der anarchisch anmutenden Gastausstellung des Punk-Künstlers Mike Froidl, inklusive Schreckensszenario, wonach Europa nur noch aus Grenzen und Krieg besteht.

Derzeit sind die Kriege weit weg, die Auswirkungen sind aber auch in Ebersberg zu sehen. So entstand der Verein Seite an Seite, der Geflüchteten bayernweit Hilfe anbietet und mit provokanten Aktionen auffällt, wie zuletzt mit einer geheimen Nacht-Installation vor dem Landratsamt. Seite an Seite hat nun einen öffentlichen Brief an Landrat Niedergesäß und die Kreisräte verfasst. In dem Schreiben stellt der Verein die These auf, dass das Hauptargument der CSU gegen die Aufnahme von Flüchtlingen - die mangelnden Wohn-Kapazitäten - nicht haltbar sei. Laut Staatsregierung stünden freie Plätze im Kreis Ebersberg zur Verfügung.

Das Bundesinnenministerium hat im Sommer erklärt, von September 2020 an 1553 anerkannte geflüchtete Familienmitglieder aus Griechenland aufzunehmen. Das WDR-Magazin Monitor berichtete am Donnerstag, dass bis Ende November bisher 149 davon aufgenommen wurden.

© SZ vom 28.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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