Pflege im Landkreis Ebersberg:Mehr als ein Lückenfüller

Pflege im Landkreis Ebersberg: Nicht nur Seniorinnen und Senioren sind oft kurzfristig auf einen Pflegedienst angewiesen.

Nicht nur Seniorinnen und Senioren sind oft kurzfristig auf einen Pflegedienst angewiesen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Pflegeleistungen für akute Notfälle, das ist die Idee hinter dem Krisendienst, der womöglich auch im Landkreis Ebersberg etabliert werden könnte.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Beim Begriff Pflegedienst denken die meisten zunächst wohl an Opa und Oma, die alleine nicht mehr zurechtkommen und deshalb auf Unterstützung angewiesen sind. In einer solchen Situation kann sich kurzfristig aber auch der 18-jährige Motorradfahrer wiederfinden, der sich gerade von einem Unfall erholt und ein bisschen Hilfe im Alltag benötigt. Hier kann der sogenannte Pflegekrisendienst einspringen, der im Nachbarlandkreis Erding seit Anfang 2021 unterwegs ist. Dieser soll dann zum Einsatz kommen, wenn auf die Schnelle kein anderer Pflegedienst verfügbar ist oder sich die Betreuung absehbar auf einen recht kurze Zeitspanne beschränken wird. Weil das Pilotprojekt der Erdinger inzwischen ein voller Erfolg geworden ist, könnte der Krisendienst womöglich auch im Landkreis Ebersberg etabliert werden.

Darüber hat nun zumindest der Sozialausschuss des Kreistags beraten, der sich ein solches Modell für die Region durchaus vorstellen kann - zumal in Sachen Pflege ohnehin Nachholbedarf besteht. "Die ambulante Pflegedienststruktur muss ausgebaut werden", sagte Christian Salberg, Leiter Abteilung Jugend, Familie und Demografie am Landratsamt. Er verwies dabei auf die stetig ansteigenden Fallzahlen, die durch den demografischen Wandel in den kommenden Jahren noch zusätzliche Dynamik erhalten werden. Gleichzeitig, so Salberg, würden sich die Liegezeiten in den Krankenhäusern immer weiter verkürzen - nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. "Das führt zu immer mehr blutigen Entlassungen", sagte Salberg, also Patienten, die unter Umständen zu früh nach Hause geschickt werden.

Eine Konkurrenz zu den etablierten Strukturen soll das Angebot nicht sein

Auch hier könnte der Pflegekrisendienst Abhilfe schaffen. Das Angebot schließe eine Lücke "zwischen Krankenhaus und dem ambulanten Pflegedienst", so der Abteilungsleiter. Was genau es damit auf sich hat, erklärte Katrin Neueder vom Erdinger Landratsamt, die das dortige Projekt von Beginn an betreut hat. Der Pflegekrisendienst sei "eine schnelle und unkomplizierte Unterstützung der Patienten zu Hause", sagte sie. Wichtig sei allerdings, dass man sich explizit nicht als Konkurrenz zu bereits etablierten Strukturen sehe. "Wir wollen keine Pflegedienste vom Markt verdrängen", so Neueder.

Deshalb sei die Unterstützung auch nur auf einen bestimmten Zeitraum ausgelegt, der in der Regel fünf Tage umfasst. In Ausnahmefällen könne die Betreuung aber auch länger andauern. In Erding erfolgt die Einsatzplanung des Krisendienstes durch das Bayerische Rote Kreuz, entsprechend werden ausschließlich qualifizierte Pflegefachkräfte zu den Patienten geschickt. Dennoch handele es sich bei dem Angebot lediglich um Basisleistungen bei der Behandlung und der Unterstützung im Haushalt. Ein Ersatz für eine grundlegende ambulante oder stationäre Pflege sei der Krisendienst deshalb nicht.

Nur wenn ein Ort an dem Projekt beteiligt ist, können die Bürger die Hilfe in Anspruch nehmen

In Erding wird das Angebot dennoch sehr gut nachgefragt, von 26 Landkreisgemeinden sind bereits 19 daran beteiligt. Die Mitgliedschaft im Verbund sei wichtig, so Neueder, denn nur diese Gemeinden würden auch vom Krisendienst bedient. Dennoch würden rund 20 Prozent der Anrufe aus Orten stammen, die nicht Teil der Projekts sind. "Diese Bürger erhalten dann keine Pflegeleistung, sondern werden an den Pflegestützpunkt zur Beratung über gesetzliche Leistungen der Kranken- und Pflegekassen verwiesen."

Der Hauptgrund, warum sich manche der Erdinger Kommunen bislang enthalten, dürfte wohl ein finanzieller sein. Neben 40 000 Euro, die der Landkreis jährlich beisteuert, beträgt der Anteil der Gemeinden jeweils einen Euro pro Einwohner - ein Betrag, der zumindest im Landkreis Erding aber gut investiert scheint. "Die Einsatzzahlen haben sich in 2022 mehr als verdoppelt", sagte Neueder, die ohnehin nur Positives über das Projekt zu berichten wusste. Der Krisendienst sei eine "sehr niederschwellige Unterstützung der Bevölkerung in allen Lebenslagen" und trage damit zu einer Verbesserung der Pflegesituation bei. Zu dieser Erkenntnis kam auch das Bayerische Gesundheitsministerium, das das Erdinger Projekt im vergangenen Jahr mit dem ersten Preis beim Wettbewerb "Innovative Wege zur Pflege" ausgezeichnet hat.

"Was für Erding gut ist, ist vielleicht auch für Ebersberg gut", sagte deshalb CSU-Kreisrätin und stellvertretende Landrätin Magdalena Föstl, die die Debatte um den Pflegekrisendienst per Antrag angestoßen hatte. "Ich glaube, die Not ist groß", sagte auch Marlene Ottinger (Linke), die allerdings die Sorge äußerte, Krankenhäuser könnten das Angebot ausnutzen, um Patienten künftig noch früher zu entlassen. Diese Bedenken konnte Katrin Neueder jedoch zerstreuen, eine derartige Erfahrung habe man in der Praxis bisher nicht feststellen können.

Letztlich votierte das Gremium einstimmig dafür, dass man das Projekt weiter verfolgen wolle. Zunächst soll nun der Bedarf im Landkreis Ebersberg geprüft und die Verfügbarkeit möglicher Fördermittel eruiert werden. In der Oktobersitzung wird der Sozialausschuss dann final über das Thema entscheiden.

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