Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Ein Leben wie ein Roman

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Andreas Lechner erzählt in "Heimatgold" von seinem Opa Josef Straßberger, Olympiasieger und Gastronom aus Kolbermoor

Interview von Michaela Pelz

Das Gesicht des Theater- und Filmschauspielers, Regisseurs und Komponisten Andreas Lechner ist vielen nicht erst seit "Zwei Herren im Anzug" bekannt, auch seine Stimme kennt man, etwa durch die Musikkabarettgruppe Guglhupfa. Nun aber ist der Enkel von Olaympiasieger Josef Straßberger mit "Heimatgold" unter die Buchautoren gegangen. Im Prolog heißt es: "In einer Schatulle finde ich alte Feldpostbriefe... Ich stoße auf Großvaters Notizbücher und beginne, darin zu lesen. Am Kleiderständer hängt sein Borsalino - mein Erbe." Nun ist Lechner mit seinem Roman in Ebersberg zu Gast.

SZ: Herr Lechner, wann war Ihnen klar, dass Sie ein Buch aus dem Leben Ihres Großvaters machen wollten?

Andreas Lechner: So ein Gedanke kommt nicht plötzlich, man trägt ihn länger mit sich herum. Alles fing an, als ich 2012 beim Abschied aus München die Wohnung auflöste, in der ich aufgewachsen bin, und mich in die Hinterlassenschaften meiner Eltern vertiefte. Der Plan, das Leben des Großvaters zu verfilmen, war schon länger im Werden und schon in einem hoffnungsvollen Stadium. Im Frühjahr 2009 wurde ich Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles, von wo aus ich alles um die olympische Geschichte recherchierte. An diesem Ort, der die Zeit von Feuchtwanger, Brecht und Mann atmet, bekommt man einen Exilantenblick auf Deutschland.

Aus dem Film wurde aber nichts?

Damals nicht. Stattdessen entstand dann die Idee, einen Roman daraus zu machen. Ausschlaggebend war der Tod meiner Mutter schon einige Jahre früher (1996). Ich bedauerte, nicht mehr über die Vergangenheit gefragt zu haben und notierte schnell noch einiges, auch als Trauerarbeit. Als ich die Texte später jemand zeigte, bescheinigte man mir literarische Qualität. So entstand erst das Hörbuch "Frieda" aus Sicht meiner Mutter, und nun der Roman aus der Perspektive des Großvaters.

"Heimatgold" ist aber ein Roman, keine Biografie...

Ich wollte kein Sachbuch schreiben, sondern angelehnt an die Figur meines Großvaters linear die Münchner Historie aufarbeiten. Einige Bruchstücke seiner Geschichte kennt man ja - der Bauernbub, der als erfolgreicher Kraftsportler in die Stadt geworfen wird, die Münchner Gesellschaft kennenlernt, zwischen zwei Frauen steht - beim Rest wollte ich ein Leben erfinden, wie es gewesen sein könnte.

Das heißt, in manchen Szenen überwiegt die dichterische Freiheit?

Einerseits ja, denn es hat mich gereizt, einen Gesellschaftsroman aus süddeutscher Sicht zu schreiben und dabei historischen Ereignissen nachzuspüren. Darum gibt es neben dem Ich-Erzähler auch die auktoriale Perspektive, um manche Dinge einzuordnen. Auf der anderen Seite ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass der Großvater dem einen oder anderen wirklich begegnet ist, etwa den Eis-Schöllers. Wenn man damals in Kaufmannskreisen unterwegs war, hat man sich getroffen.

Anderes wiederum ist verbrieft?

Oh ja: Dass ihre Tante mit einem Trick aus der Psychiatrie befreit wurde, hat mir meine Mutter erzählt.

Hat die Beschäftigung mit dem Thema auch ganz neue Dinge ans Licht gebracht?

Bei meiner Recherchereise in den USA traf ich Verwandte, von denen ich lange gar nicht wusste, dass es sie gab. Sie hatten mich mit Hilfe eines Detektivs gefunden, nachdem eine deutsche Zeitung über das Projekt des Straßberger-Films berichtet hatte. Diese Begegnung war sehr berührend. Vor allem war es mir wichtig, herauszufinden, ob der Opa ein Nazi war. Das hat Otto, ein Sohn des in die USA emigrierten Bruders meines Großvaters, ganz klar verneint. Ich habe ihm das auch geglaubt und war sehr erleichtert. Sonst wäre es ein ganz anderes Buch geworden, das hätte ich natürlich nicht verschwiegen.

Letzte Frage: Was wurde aus dem Borsalino? Tragen Sie ihn noch?

(lacht) Tatsächlich hat meine Mutter ihn oft aufgehabt, da wusste ich gar nicht, dass er mal dem Opa gehörte, der ihn in der 5th Avenue gekauft hatte. Als Erbstück war er mir dann lieb und teuer. Doch als nicht so geübter Hutträger habe ich ihn auch immer mal zur Seite gelegt. Dabei ist er mir in einem Café gestohlen worden.

Lesung Andreas Lechner aus "Heimatgold" am Donnerstag, 24. Oktober, 20 Uhr, bei Buch Otter in Ebersberg, Eintritt acht Euro.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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