Schloss Zinneberg in Glonn:Wenn Nonnen Geschäfte machen

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Schloss Zinneberg ist Heimat von sechs Klosterschwestern. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)
  • Wo früher feudaler Prunk, Landwirtschaft, Schlachthaus, Kohlenkeller und Brauhaus das Bild bestimmten, wird heute Kindern und Jugendlichen in fast allen schwierigen Lebenslagen geholfen:
  • Das Angebot reicht von einer Krippe über Mittel- und Berufsschule bis hin zu einem heilpädagogischen Heim für Mädchen.

Von Anja Blum

Wie die Jungfrau zum Kinde, könnte man sagen, sind die Schwestern vom Guten Hirten zu Schloss Zinneberg gekommen. Schließlich versprechen sie in ihrem Ordensgelübde neben Keuschheit, Gehorsam und apostolischem Eifer - was bedeutet, sich für benachteiligte Menschen einzusetzen - auch Armut. Insofern mutet es doch ein wenig seltsam an, dass die Klosterschwestern, mittlerweile nur mehr sechs Damen zumeist fortgeschrittenen Alters, in Zinneberg ein wahrlich herrschaftliches Anwesen bewohnen.

Von der Erziehungsanstalt zum Landgut

Ihr international tätiger Orden, der sich ursprünglich vor allem um schwer erziehbare Mädchen kümmerte, hat es 1927 gekauft. "Ein Schloss ist nichts für Nonnen und junge Frauen", befand zwar die damalige Provinzoberin, doch der Orden wollte sein Provinzhaus in München, dem eine Erziehungsanstalt für mehrere hundert Mädchen angeschlossen war, unbedingt um ein landwirtschaftliches Gut erweitern.

Viele Salons im Schloss erinnern noch an die feudalen Zeiten. Hier zum Beispiel das Jagdzimmer. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

So nämlich sollte die Verpflegung der großen Münchner Einrichtung sichergestellt werden, erklärt Ordensarchivar Wolfgang Schaffer in seiner Abhandlung über die Anfänge der Jugendhilfe auf Schloss Zinneberg. Außerdem habe man die Erfahrung gemacht, dass sich Schulabgängerinnen mit landwirtschaftlicher Ausbildung schnell in Stellen vermitteln ließen. Zu guter Letzt wähnten die Nonnen in der Stadt eine "sittliche Gefährdung" ihrer Schützlinge und wünschten sich eine gesunde, geschützte Umgebung auf dem Land.

735.000 Reichsmark für ein Anwesen - und ein bisschen Glamour

Ein prominenter Unterstützer des Ankaufs von Schloss Zinneberg, zu dem damals auch das Gestüt Sonnenhausen und der Hof Altenburg gehörten, war der Münchner Erzbischof Kardinal Faulhaber. Nach einer Besichtigung der Ländereien überreichte er der Provinzoberin laut Schaffner einen Blumenstrauß - "von Ihrem neuen Haus!"

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Letztlich kauften die Schwestern das Schloss für 735.000 Reichsmark. Damit ging auf Zinneberg eine lange Ära berühmter Adelsgeschlechter zu Ende. Sie und die exponierte Lage "gleichsamb auff der Züne dess Berges" hatten dem Schloss lange eine herausragende Position beschert. "Hier war das kulturelle Zentrum, hier wurde Recht gesprochen, von hier aus wurde die Macht der Hofmark in den umliegenden Orten spürbar", schreibt der ehemalige Zinneberger Rektor Hans Huber, der alles Wissenswerte über die Schlossgeschichte zusammengetragen hat.

Die Dominanz des Ortes sei so überwältigend gewesen, dass einige Heimatforscher mit dem Gedanken liebäugelten, dass hier schon viel früher eine Burg vorhanden war. Doch das sind Spekulationen. Erst 1332 wird in einer Urkunde ein Preysinger zu Zinneberg genannt. Auf dieses Adelsgeschlecht folgen jedoch bald die Pienzenauer (1350 bis 1596), danach die Fugger (1596 bis 1827).

Die letzte bayerische Kurfürstin Maria-Leopodine kaufte das Anwesen für ihren zweiten Sohn aus der Ehe mit Graf Arco. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

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Prominent war vor allem die nächste Besitzerin, die letzte bayerische Kurfürstin Maria-Leopoldine. Sie schenkte das Schloss ihrem zweiten Sohn aus ihrer Ehe mit Ludwig Graf von Arco, Joseph Maximilian, der aufgrund seiner großen Jagdleidenschaft der "Adlergraf" genannt wurde.

Haus mit langer Geschichte: Schloss Zinneberg vom Park aus betrachtet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Er veräußerte Zinneberg 1850 an den Marquis Fabio von Pallavicini, einen ehemaligen sardinischen Gesandten am bayerischen Hof, der es wiederum ein paar Jahre später an Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels verkaufte. Dessen Sohn Albert, Mitbegründer der Schützengesellschaft Glonn-Zinneberg und des örtlichen Verschönerungsvereins, musste Zinneberg 1898 aufgrund ungeregelter Erbverhältnisse aufgeben. Neuer Besitzer war Freiherr Adolf von Büsing-Orville, dem schließlich die Schwestern das Schloss abkauften.

Mit dem Einzug der Nonnen begann eine Zeit des ständigen Wandels, seitdem gleicht Zinneberg mehr einem beweglich-organischen als einem starr- architektonischen Gebilde: Das Areal und seine Gebäude werden von den klösterlichen Schlossherren nämlich stets dem Bedarf ihrer Kinder- und Jugendhilfe angepasst.

Mühsames Fensterputzen: Die kleinen Erker machen die Schlossarchitektur zu einem besonderen Hingucker. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Wo früher feudaler Prunk, Landwirtschaft, Schlachthaus, Kohlenkeller und Brauhaus das Bild bestimmten, wird heute Kindern und Jugendlichen in fast allen schwierigen Lebenslagen geholfen: Das Angebot reicht von einer Krippe über Mittel- und Berufsschule bis hin zu einem heilpädagogischen Heim für Mädchen. Es gibt diverse Werkstätten, einen Verwaltungstrakt, Wohnungen, eine Bäckerei und einen Klosterladen, hinzu kommen Gästezimmer sowie Räume für Tagungen und Feste.

Ein Leben auf der Baustelle - aber einer hübschen

"Gleich 1927 haben die Schwestern mit dem Umbau angefangen, die haben wirklich geschuftet", sagt die heutige Oberin, Schwester Amica. "Vor deren Leistung habe ich wirklich großen Respekt." Damals konnten die Schlossbewohner freilich auch noch viel freier schalten und walten, Denkmal- und Brandschutz spielten noch keine entscheidende Rolle. "Wenn wir heute etwas anpacken, wird es immer gleich kompliziert und teuer", klagt die Oberin.

Deswegen müsse der Orden jede Baumaßnahme gut überdenken. Der Boden des Vestibüls etwa, der aus kunstvoll verzierten Fliesen besteht, bröselt schon lange vor sich hin. "Da müssten wir dringend etwas machen." Doch die ehemalige Empfangshalle bietet mit ihrer opulenten Holzvertäfelung und ihren schmucken Türen einen derart wertvollen Einblick in die frühere Gestaltung des Schlossinneren, dass jeder Eingriff nur mit Behutsamkeit geschehen darf. In einem alten Schloss zu wohnen, sei zwar schön, sagt Schwester Amica, "aber die ständigen Baustellen machen keinen Spaß".

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Seit sie 1987 das Amt der Oberin auf Zinneberg übernommen habe, sei sie nur mit Renovierungen und Umbauten beschäftigt. "Dächer, Fester, Brandschutzauflagen, irgendetwas ist immer." Momentan wird die Kinderkrippe erweitert. Besonders schlimm aber sei es gewesen, als die hundert Jahre alte Kanalisation erneuert werden musste. "Da wurde das ganze Gelände umgegraben."

Vom Hofgut zur Event-Location - auch für Privatleute

Bewirtschaftet wird Zinneberg freilich nicht von den sechs Ordensschwestern alleine, ihnen zur Seite stehen mehr als 90 Mitarbeiter. "Gemeinsam versuchen wir, das Schloss mit Leben zu füllen", sagt Schwester Amica. Das gelinge auch recht gut, da das gesamte Team jede Menge Idealismus einbringe. Sei es mit Konzerten, Märkten, Meditationen, Theateraufführungen oder durch den Verkauf hauseigener Produkte im Klosterladen: "Viele Gäste schätzen einfach das Ambiente." Auch private Feste würden gerne in den ehrwürdigen Mauern gefeiert.

Der üppige Park wird gerne als Kulisse für Hochzeitsfotos hergenommen. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das ist kein Wunder, glänzt das Haupthaus, trotz aller Veränderungen, doch noch immer in historischer Pracht. Sei es eben in jenem Vestibül, das gerne für Sektempfänge genutzt wird, im Jagdsaal, der eine lange Tafel bietet, oder in der Bibliothek oder in diversen anderen Räumen: Überall finden sich wundervolle alte Möbel, Schränke, die Schatztruhen gleichen, kronleuchterartige Lampen, meisterlich gefertigte Holztüren, imposante Stuckarbeiten, hohe Fenster in zierlichen Rahmen, zauberhafte Erker, imposante Gemälde.

Ein Hingucker auch das Stiegenhaus aus dem Jahr 1905: Die zweiteilige, freitragende Holztreppe, die schwungvoll drei Stockwerke miteinander verbindet, ist ein handwerkliches Meisterstück. "Daran waren sieben Firmen beteiligt", weiß die Oberin. Dass die außergewöhnliche Konstruktion - im ersten Stock fehlt das Podest - das Fensterputzen schier unmöglich macht, nimmt sie dafür gerne in Kauf.

Architektonische Raffinesse, die kostet

Schöpfer der heute noch zu bewundernden architektonischen Preziosen war Büsing-Orville. Laut Hans Huber nannte der Baron überbordenden Reichtum sein Eigen - "fern von Zinneberg rauchten seine Fabrikschlote und fuhren seine Schiffe über den Atlantik" -, sodass er große Investitionen tätigen konnte. Er beauftragte den namhaften Münchner Architekten Friedrich von Thiersch mit großzügigen Um- und Ausbaumaßnahmen.

Viele Räume erhielten wertvolle Holzvertäfelungen, der Dachfirst wurde mit Stufenzinnen und kleinen spitzen Türmchen verziert, über dem steinernen Treppenhaus wurde ein auffälliger Zwiebelturm errichtet, die Orangerie entstand. Diese hat sich außen bis heute nicht verändert, nur innen wurde sie 1976 zur Schule umgebaut.

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Als ungenügend betrachtete der anspruchsvolle Schlossherr laut Huber die Wasserversorgung, denn: "Was ist ein Springbrunnen ohne entsprechende Fontäne wert?" Also kaufte Büsing-Orville die Glonner Stegmühle und ließ sie zu einem Wasserwerk umbauen, das seitdem Wasser hinauf nach Zinneberg pumpt. Für den Überschuss ließ der Baron einen Weiher anlegen, aus dem im Falle eines Brands Löschwasser entnommen werden sollte.

Ein Einfall, von dem die Bewohner und Gäste des Schlosses noch heute profitieren, denn idyllischere Ecken als dieser "Seepark" sind wohl schwer zu finden: In kleinen Kurven mäandert der Rand des Weihers durch die Wiesen, gekrönt von Weiden und Birken, über eine leicht gebogene Holzbrücke gelangt man auf eine winzige Insel. "Ja, hier werden oft Hochzeitsfotos gemacht" , sagt Schwester Amica nicht ohne Stolz. Doch schön, so ein Schloss. Gelübde hin oder her.

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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