Leben mit Behinderung:Die Mutmacherin

Petra Mittelberg ist die neue Behindertenbeauftragte des Landkreises und hat sich viel vorgenommen. Sie will, dass Barrierefreiheit im Landkreis die Regel und nicht die Ausnahme ist

Interview von Jessica Morof, Ebersberg

Petra Mittelberg hat 15 Jahre lang als Diplom Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin im Krankenhaus gearbeitet, bevor sie ihren Beruf aufgab. Am 1. Mai hat die 42-Jährige nun ein verantwortungsvolles Ehrenamt übernommen: Sie ist die neue Behindertenbeauftragte im Landkreis. Einschlägige Erfahrungen hat sie dafür in ihrem Leben ausreichend sammeln können. Sie leidet seit ihrer Geburt an Osteogenesis imperfecta - der sogenannten Glasknochenkrankheit. Mit welchen Schwierigkeiten Rollstuhlfahrer in ihrem Alltag zu kämpfen haben, weiß sie also sehr gut. Daher wünscht sie sich auch, dass sie dazu beitrage kann, die Bedingungen im Landkreis besser an die Bedürfnisse Behinderter anzupassen - und die Menschen näher zusammen zu bringen.

SZ: Frau Mittelberg, wie kamen Sie zum Amt der Behindertenbeauftragten?

Petra Mittelberg: Ich kenne Carola Schreiner, die Leiterin des Teams Demografie im Landratsamt privat. Als sie mitbekam, dass die Stelle neu zu besetzen ist, hat sie mich vorgeschlagen. Und ich konnte mir gut vorstellen, das Amt anzunehmen.

Was macht Sie so geeignet für den Posten?

Ich bringe zwei wichtige Eignungen mit: In Studium und Beruf habe ich den Umgang mit Betroffenen und deren Problemen auf fachlicher Basis erlernt. Gleichzeitig weiß ich durch meine Krankheit, wie man sich fühlt, wenn man eingeschränkt ist. Als Kind war ich selbst häufig Patientin. Deshalb ist mir klar: Die Betroffenen suchen Hilfe, wollen aber gleichzeitig so selbstbestimmt wie möglich leben können.

Leben mit Behinderung: Petra Mittelberg ist die Behindertenbeauftragte des Landkreises.

Petra Mittelberg ist die Behindertenbeauftragte des Landkreises.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sie kennen die Schwierigkeiten als Rollstuhlfahrerin. Doch was ist mit anderen Behinderungen?

Richtig, Einschränkungen für Gehbehinderte sind mir besonders nah. Doch ich denke, es fällt mir auch leichter, mich in Menschen mit ganz anderen Behinderungen hineinzuversetzen. Jemand der gar nicht eingeschränkt ist, bleibt manchmal blind dafür.

Haben Sie sich bestimmte Ziele gesetzt?

Ich möchte ein Samenkorn säen und es wachsen lassen. Mir ist besonders wichtig, dass Inklusion in den Köpfen der Menschen ankommt.

Was bedeutet das für Sie konkret?

Damit meine ich, dass jeder Mensch beginnen sollte, sich mit Inklusion zu befassen. Um dann viel selbstverständlicher mit Behinderungen jeglicher Art umzugehen. Ich wünsche mir, dass die nächste Generation noch einen Schritt weiter sein wird als wir. Der Begriff muss so selbstverständlich werden, dass er ganz wegfällt.

Befindet sich Inklusion denn nicht schon in aller Munde und in der Umsetzung?

Leben mit Behinderung: Sie will erreichen, dass es im Landkreis bald keine Barrieren mehr gibt.

Sie will erreichen, dass es im Landkreis bald keine Barrieren mehr gibt.

(Foto: Christian Endt)

Das Konzept wird immer präsenter. Doch es kommt dabei auch auf die Perspektive an. Es gibt einen Unterschied, ob ich sage: Ich komme nicht in ein Gebäude hinein, weil ich behindert bin. Oder: Ich komme nicht in ein Gebäude hinein, weil es keine Rampe hat. Der Landkreis sollte so gestaltet sein, dass Barrierefreiheit die Regel und nicht die Besonderheit ist.

Im Mai haben Sie mit dem Ehrenamt begonnen. Wie ist ihr Eindruck bisher?

Das Amt ist total spannend und macht Spaß. Momentan arbeite ich mich noch ein und werde geschult. Es landen aber schon viele Anträge und Stellungnahmen in meinem Fach.

Wie hoch ist denn das Arbeitspensum in diesem Ehrenamt?

Eigentlich wäre genug Arbeit für zwei volle Stellen vorhanden - das habe ich jetzt schon bemerkt. Alle zwei Wochen gebe ich eine Sprechstunde von vier Stunden, in der Bürger mich besuchen können. Diese muss ich vor- und nachbereiten. Dafür arbeite ich auch mit Experten wie Architekten, Rechtsanwälten und Beratungsstellen zusammen. Zusätzlich bearbeite ich fast täglich E-Mails und gebe möglichst zeitnah Rückmeldung: Beratung zu sozialrechtlichen Fragen, zu Anträgen oder zu Hilfsmitteln.

Leben mit Behinderung: Aktion Barrierefrei der SPD.

Aktion Barrierefrei der SPD.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Welche Themen umfasst das?

Eigentlich alles, was für Menschen mit Behinderungen wichtig ist: von Kfz- und Wohnungsumbauten über die Beantragung eines Behindertenausweises oder einer Pflegestufe bis hin zur Alltagsbewältigung in Kindergarten, Schule und Beruf. Außerdem bin ich Ansprechpartnerin für Projekte in Schulen und nehme Termine in Gremien und Ausschüssen wahr. Eine wichtige Aufgabe ist beispielsweise, Bauprojekte zu begutachten und baurechtliche Stellungnahmen zu verfassen.

Haben Sie denn in all diesen Bereichen das nötige Wissen?

In einigen Themengebieten ja, in anderen noch nicht. Gerade ins Baurecht muss ich mich einlesen. Doch es geht auch darum, mich zu vernetzen und die richtigen Ansprechpartner zu vermitteln. Dafür arbeite ich beispielsweise zusammen mit der neuen Inklusionsbeauftragten und der Seniorenbeauftragten, mit Schulen und dem Schulamt, mit anderen Behindertenbeauftragten und der Inklusionsberatungsstelle. Vor allem möchte ich Bürgern mit Behinderung und deren Angehörigen als offene Ansprechpartnerin begegnen. So kann ich vielleicht auch Mut machen, dass Familie und Beruf auch mit Behinderung möglich sind.

Haben Sie selbst Familie?

Ja, ich bin verheiratet und habe zwei Kinder im Alter von vier und zehn Jahren.

Wie stehen Ihr Mann und die Kinder zu Ihrer Arbeit als Behindertenbeauftragte?

Es war eine Familienentscheidung, das Ehrenamt anzunehmen. Und ich bin sehr froh, dass es geklappt hat.

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