Ebersberg:Die Grande-Dame des Gartelns

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Käte Moder pflegt seit 40 Jahren ihre Wildblumen-Anlage im Laufinger Moos. Die 81-Jährige teilt nicht nur ihren großen Wissensfundus und hat den Austausch von Pflanzen gegründet

Von Esther Lärmer, Ebersberg

Manchmal zögert Käte Moder beim Benennen einer Pflanze. Wenn sie versucht sich zu erinnern, legt sich ihre Stirn konzentriert in Falten. Man sieht ihr dann an, dass sie sich ein wenig über sich selbst ärgert, während sie angestrengt die Oberlippe vorschiebt und sagt: "Ich werde langsam alt."

Es riecht intensiv nach Bärlauch. Auf einer Seite des Gartens hat sich ein riesiges Meer voller grüner Blätter ausgebreitet. So weit, dass man das Ende nicht mal erahnen kann. Es kreucht und fleucht hier in Ebersberg am Rand des Laufinger Mooses. Vögel zwitschern, die Düfte von Wildblumen wabern durcheinander. Zwischen all den Blumen steht Käte Moder in ihrem Privatgarten. "Ich bin in diesem Jahr noch nicht zum jäten gekommen", sagt sie und beginnt damit, Unkraut zu beseitigen.

Was die 81-Jährige erzählt, könnte aus einem Lexikon für Naturkunde stammen. Schon als Kind begeisterte sie sich für Blumen. Wenn Besuch in ihr Elternhaus kam, dann rannte die kleine Käte hinaus und kehrte zu den Gästen mit einem Blumenstrauß zurück.

An diesem Tag Mitte April präsentiert sie nun ihren Garten, wie ein Museumsführer seine Ausstellung: Brunnenkresse, die so gut wächst, weil sie im Teich gedeihen kann. Lungenkraut, wilde Osterglocken und Gewächse mit unaussprechlich komplizierten Namen, wie etwa eine Orchidee, das wechselblättrige Milzkraut oder der kriechende Günsel. Sie alle haben in diesem Schlaraffenland für Wildblumen ihren Platz gefunden.

Zu jeder Pflanze kann Käte Moder einen Vortrag halten. Es wird deutlich, welches Fachwissen sich die Rentnerin in all den Jahren angesammelt hat. Ihr persönlicher Favorit, eine Dichternarzisse aufgrund ihres Geruchs, befindet sich leider nicht in ihrem Besitz. Ihre Lieblingsblume habe "einen der schönsten Blumendüfte überhaupt", beschreibt sie verträumt, während sie durch ihr gut 3000 Quadratmeter großes Reich führt.

Seit 40 Jahren hegt und pflegt Käte Moder diesen Ort - seit ihrer Hochzeit. Wie viele Pflanzen sie hier schon angepflanzt hat? Und wie viele die Natur hat wachsen lassen? Moder kann es nicht sagen, aber es waren viele. Zwei oder drei Pflänzchen, die sie dann bei sich einsetzt, natürlich nur aus einer großen Menge. Von anderen hat sie die Knollen gekauft und eingepflanzt wie etwa bei den Wildkrokussen.

"Man entnimmt nichts, was als geschützt deklariert ist", stellt sie klar. Wildblumen seien wichtig für die Natur, denn in den gezüchteten Exemplaren fehlen für Insekten zum Beispiel wichtige Bestandteile, wie Blütenpollen oder Nektar macht sie deutlich, während sie die Wanderung durch ihren Garten fortsetzt.

Auch die Geschenke von Freunden und Bekannten haben bei der ehemaligen Krankenschwester ein zu Hause gefunden. Ihre Ausbildung hat sie von 1958 bis 1961 am Royal London Homeopathis Hospital in London absolviert. Danach ist sie nach Berlin gegangen und war dort am Rudolf-Virchow-Krankenhaus tätig.

Politisch seit gut 25 Jahren für die Grünen aktiv, noch länger hat sie sich für die Natur und vor allem für die Erhaltung des Laufinger Mooses eingesetzt. Jetzt betreut sie ein Projekt, das ihr mindestens genauso sehr am Herzen liegt: die Wildblumen in ihrem Garten.

"Es gibt so viele Schönheiten, viele Menschen wissen das gar nicht", sagt sie. Tatsächlich kann man mit offenem Mund an diesem Fleckchen Erde stehen, den man erreicht, wenn man durch das alte Haus, über eine Treppe nach draußen gelangt.

Ein völlig neue Welt scheint sich plötzlich vor einem zu offenbaren. Und sie führt einen zielsicher von Blume zu Blumen und wenn man über den durch den Regen aufgeweichten Boden läuft, begleitet einen die Angst unabsichtlich etwas zu zertreten. Um ihre Liebe zu den Wildblumen weiterzugeben hatte sie vor drei Jahren die Idee, einen Wildblumentausch ins Leben gerufen. In manchen Jahren hat sie 300 oder 400 Blumentöpfchen angeboten. Sie bereitet dann die Blumentöpfchen vor und transportiert diese dann an den Ort, wo der Tausch stattfinden soll - zum Beispiel am Ebersberger Marktplatz.

So hat sie eine gigantische Sammlung angelegt, die sie vorzeigt. Die Töpfchen findet sie auf dem nahe gelegen Friedhof, weil diese dort zum Wegwerfen gestapelt werden - und verwendet sie dann zum Umtopfen ihrer Pflanzen. "Ich bin glücklich, dass ich das habe", sagt sie während sie zufrieden ihre Blumentopfsammlung mustert.

In diesem Jahr musste dieser Austausch ausfallen, wie so vieles. Vor allem, weil es einen späten Wintereinbruch gegeben hat, deswegen sind viele Arten in ihrem Garten noch nicht soweit, so etwa die Leberblümchen. Sie bitte zwar die Leute, ihre eigenen Töpfe mitzubringen oder ihre Blumen selber mitzunehmen, aber viele scheinen doch auf Käte Moders Töpfe angewiesen zu sein. "Es soll ja ein Wildblumentausch sein und nicht alles aus meinem Garten", sagt sie und lacht.

Trotz ihres Alters wirkt sie jünger, wenn sie von ihren Pflanzen spricht. Die Fotos auf ihrem Computer haben den Garten in allen Jahreszeiten festgehalten: Der seltene weiße Fingerhut. Blaue Leberblümchen, giftige Vogelbeeren oder ein rotes Gewächs inmitten einer verschneiten Landschaft. Auf ihrem Bildschirm wird die ganze Vielfalt ihres Gartens sichtbar.

Das kleine Inselchen im Laufinger Moos scheint unberührt von allem außenrum zu sein. Hier darf jedes Kraut wachsen und gedeihen. Auch ein paar Gartenblumen sind dort gewachsen, die sie jedoch nicht ausreißen würde. Der Name der Blume ist ihr auf die Schnelle nicht wieder eingefallen - aber wunderschön ist sie auf jeden Fall.

© SZ vom 22.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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