Brenner-Nordzulauf:"Die Variante Limone ist die ausgewogenste Trasse"

Lesezeit: 3 Min.

Der Brenner-Nordzulauf im Landkreis Ebersberg soll ein Teilstück einer großen Güterverkehrsachse quer durch Europa werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Deutsche Bahn legt sich auf die Führung des Brenner-Nordzulauf durch den Kreis Ebersberg fest und löst Bestürzung aus. Wie die Planer ihre Entscheidung erklären.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die Strecke für den Brenner-Nordzulauf durch den Landkreis Ebersberg, und damit auch für die Gesamtverbindung von München nach Norditalien, steht fest: Wie die Deutsche Bahn am Mittwoch bekanntgegeben hat, fällt die Wahl auf die sogenannte Grobtrasse "Limone". Diese verläuft von Ostermünchen im Landkreis Rosenheim kommend direkt an den kleinen Orten Niclasreuth und Dorfen in der Gemeinde Aßling vorbei, ehe die neuen Gleise bei Lorenzenberg in einem etwa 1,5 Kilometer langen Tunnel verschwinden. Dieser endet bei Hamberg, von wo aus die Trasse über Schammach und Taglaching bei Kirchseeon wieder mit der Bestandsstrecke zusammengeführt wird. Während die Planer der Bahn von einem "Meilenstein" sprechen, ist der Ärger bei Anwohnern und Politikern groß.

Viele Betroffene hätten sich nämlich statt "Limone" lieber "Türkis" gewünscht, also den Bau der neuen Gleise unmittelbar in der Nähe der bereits bestehenden Strecke westlich von Aßling. Diese Option basiert auf einer Idee, die der Brucker Bürgermeister Josef Schwäbl (CSU) und der Aßlinger Projektcontroller Andreas Brandmaier entwickelt hatten und mit der sich viele Anwohner im südlichen Landkreis noch am ehesten hätten anfreunden können. Doch die Bahn geht nun einen anderen Weg, den Gesamtprojektleiter Matthias Neumaier und der Projektabschnittsleiter Dieter Müller am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz in Ebersberg vorstellten.

Die Trasse hat im Kriterienkatalog am besten abgeschnitten

Demnach sollen die Güterzüge auf der Skandinavien-Mittelmeer-Achse deutlich weiter im Westen der Bestandsstrecke durch den Landkreis Ebersberg verkehren. "Die Variante Limone ist nicht die günstigste, aber die ausgewogenste Trasse", sagte Matthias Neumeier. "Wir haben nun eine Streckenführung, die nach objektiven Kriterien am verträglichsten ist." Diese Aussage mag zwar auf den ersten Blick gewagt erscheinen, führen die neuen Schienen doch mitten durch bisher unverbaute Landschaft, bei den Bahn-Verantwortlich ist man aber von der gefundenen Lösung überzeugt. "Das Ergebnis ist ganz, ganz eindeutig", so Neumeier mit Verweis auf den zugrundeliegenden Kriterienkatalog.

Gesamtprojektleiter Matthias Neumaier, Projektabschnittsleiter Dieter Müller und Bahn-Sprecherin Kathrin Kratzer (von links) bei der Trassen-Präsentation im Alten Kino. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Diesen hatten die Planer in mehreren Dialogforen mit Betroffenen und Vertretern der Lokalpolitik ausgearbeitet. Unter den drei großen Themenkomplexen "Verkehr und Technik", "Raum und Umwelt" sowie "Kosten und Risiken" wurde jede der insgesamt fünf möglichen Trassen einer Beurteilung unterzogen. Dabei hat der nun ausgewählte Gleisverlauf bei elf von 14 Hauptkriterien am besten abgeschnitten. Die Variante "Türkis" hingegen erhielt vor allem beim Kriterium "Mensch - Gesundheit und Wohlbefinden" eine schlechte Bewertung. Die Optionen "Rot" und "Pink" schnitten bei "Boden, Land- und Forstwirtschaft" schlecht ab, und "Orange" wusste im Bereich "Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt" nicht zu überzeugen.

Brenner-Zulauf
:"Wir werden diese Entscheidung so nicht hinnehmen"

Beteiligte aus der Region sind nach der Trassenentscheidung fassungslos - wollen aber weiter kämpfen.

Von Barbara Mooser

Anders als bei anderen Varianten müssen keine Gebäude abgerissen werden

Die Auswahltrasse "Limone" hingegen habe aus fachlicher Sicht die geringsten Auswirkungen für Mensch und Umwelt, wie die Bahn-Planer erklärten. "Es gibt keine Eingriffe in die Wohnbebauung", wie Matthias Neumeier sagte. "Wir werden also keine Gebäude abreißen müssen." Außerdem verlaufe die Trasse weitgehend in einer Vertiefung unterhalb des umliegenden Geländes. Dadurch schone man das Landschaftsbild und tue bereits etwas für den Schallschutz. Diesen halten die Planer trotz des erhöhten Zugaufkommens übrigens für unbedenklich, da Güterzüge künftig über die Neubaustrecke fahren werden. "Wir entlasten dadurch die Bestandsstrecke. Dort wird es also automatisch leiser", sagte Neumeier. Bauliche Veränderung für einen besseren Schallschutz wird es deshalb im Bereich Aßling nicht geben, wie Dieter Müller ergänzte. Der Projektabschnittsleiter versicherte dennoch: "Es wird deutlich leiser."

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Das dürfte auf die kommenden Wochen und Monate eher nicht zutreffen. Um offen über das Ergebnis zu informieren, wie die Bahn-Verantwortlichen sagten, sollen in den betroffenen Gemeinden sogenannte Infomärkte eingerichtet werden, bei denen die Bürger ihre Fragen stellen können: am 19. Juli im Pfarrheim Grafing, am 20. Juli am Kirchplatz in Aßling und am 21. Juli im Landgasthof Wallner in Tuntenhausen - jeweils von 16 bis 20 Uhr. Dass die nun vorgestellten Planungen der Bahn dort auf breites Wohlwollen treffen, ist eher zu bezweifeln. Bereits am Mittwochvormittag war es im Rahmen eines Dialogforums recht emotional geworden, wie Moderator Ralf Eggert später auf der Pressekonferenz berichtete. Die Teilnehmer hätten demnach nicht mit diesem Ergebnis gerechnet. "Es wurde deutlich gesagt, dass man sich Türkis gewünscht hätte", so Eggert.

Noch muss der Streckenverlauf im Detail geplant werden

Dieser Zug ist nun jedoch abgefahren, die weiteren Vorplanungen werden sich bis zum Jahr 2024 mit dem Verlauf der Variante "Limone" beschäftigen. "Wir sind jetzt noch sehr grob unterwegs", sagte allerdings Matthias Neumeier. Nun gelte es, die Gleisführung im Detail zu überprüfen. "Ziel ist es, den Streckenverlauf zu optimieren", so der Gesamtprojektleiter, der auch eine längere Tunnelführung als die bisher angedachten 1,5 Kilometer nicht ausschloss. Auch wie tief die Schienen unter der Geländeoberfläche verlegt werden sollen, müsse in den kommenden Monaten geklärt werden.

Bis der gesamte Brenner-Nordzulauf fertig gestellt ist, wird es ohnehin noch lange dauern. Derzeit ist der Start für das Jahr 2040 vorgesehen. Die Zugtrasse von München über Österreich nach Verona soll dann einer der zentralen Transportwege für Waren innerhalb Europas werden. Ziel des Mega-Projekts ist es, die Autobahnen zu entlasten und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Der Baubeginn für den Abschnitt im Landkreis Ebersberg ist für Anfang der 2030er Jahre geplant.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusZu nah am Brenner-Zug
:"Das wäre der Knockout für uns"

Die genauen Routen für den Brennernordzulauf im Landkreis Ebersberg stehen noch nicht fest - sie beeinflussen aber schon Leben. Ein Besuch bei Menschen, die fast alle um ihre Heimat fürchten.

Von Alexandra Leuthner (Text), Christian Endt, Peter Hinz-Rosin, Julia Kraus, Katja Schnitzler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: