Ebersberg:Der letzte wilde Christbaum

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Der 67-jährige Forstwirt im Ruhestand, Josef Litzlbeck, schlägt als Einziger noch Christbäume im Ebersberger Forst. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die meisten Weihnachtsbäume wachsen auf Plantagen. Nur Josef Litzlbeck holt sie noch aus dem Ebersberger Forst. Dem Wald tut er damit sogar einen Gefallen

Von Christian Endt, Ebersberger Forst

"Obacht, das ist Wildschweinkot", sagt Josef Litzlbeck, als er durchs Unterholz stapft, "wenn du da rein trittst, stinkst' wie die Sau." Litzlbeck muss es wissen, er hat 50 Jahre lang als Forstwirt im Ebersberger Forst gearbeitet. Seit drei Jahren ist der drahtige 67-Jährige mit weißem Vollbart in Rente, aber er verbringt immer noch viel Zeit im Wald. In der Vorweihnachtszeit hat er meistens seine Kettensäge dabei.

Wer heutzutage einen Christbaum kauft, bekommt fast immer Plantagenware. Auf diesen Plantagen wachsen die Bäume in Reih und Glied. Meist sind die Weihnachtsbäume von der Stange Nordmanntannen. Kennzeichen: Dunkles Grün,Nadeln wie festgeklebt. Die Baumfarmen haben mit einem Maisfeld mehr gemeinsam als mit einem Wald. Um an Heiligabend im Wohnzimmer einen Baum stehen zu haben, der irgendwann mal in einem Wald gewachsen ist, muss man lange suchen. Josef Litzlbeck ist der letzte Mann im Landkreis Ebersberg, der Christbäume direkt aus dem Wald verkauft. Als er bei den Staatsforsten in Rente ging, übernahm er den Christbaumverkauf am Forsthaus Hubertus. Mit seinen beiden Schwiegersöhnen durchstreift er seit 2012 jedes Jahr ab Mitte November den Ebersberger Forst.

Zukunftsstämme müssen bleiben, sie bringen den Staatsforsten später viel Geld

Mit einem alten Audi fahren sie über die Waldwege. Kein Piepton nervt beim Fahren ohne Gurt, dafür läuft leise Bayern 1. In den Lüftungsschlitzen neben dem Armaturenbrett stecken zwei von Litzlbeck von Hand geschnitzte Edelweiße. Am Auto hängt ein offener Anhänger, auf dem später die Ernte abtransportiert wird. Litzlbeck kennt die Wege und die Stellen, an denen er Ausschau nach geeigneten Bäumen halten muss. Er hat die Erfahrung, seine Schwiegersöhne haben die Kraft, um die gefällten Bäume zurück zum Hänger zu tragen. "Wenn Schnee liegt, geht es leichter", sagt Litzlbeck, "dann können wir die Bäume über den Boden schleifen." Ohne Schnee geht das nicht, die Bäume würden zu schmutzig werden.

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Wenn Litzlbeck den Audi abstellt, tauscht er seinen Filzhut gegen einen orangefarbenen Schutzhelm und nimmt die Kettensäge aus dem Kofferraum. Dann marschiert er ins Gehölz, seine kleinen wachen Augen suchen die Umgebung ab. "Die Zukunftsstämme müssen bleiben", sagt Litzlbeck. Das sind frei stehende Fichten mit viel Platz und viel Licht. Sie können noch viele Jahre in die Höhe wachsen und den Staatsforsten irgendwann viel Geld einbringen. Als Christbäume dürfen sie daher nicht gefällt werden.

Fichten mit Makel gibt es später billiger

Litzlbeck sucht stattdessen nach Stellen, wo etwa zwei Bäume zu nah beieinander gewachsen sind. Dann kann er einen von beiden rausnehmen und tut dem Forst sogar einen Gefallen, weil der verbleibende Baum mehr Platz zur Entfaltung hat. Wenn Litzlbeck so ein Exemplar gefunden hat, zieht er die Startleine und setzt die Säge an. Nach einem kurzen Augenblick ist der Baum umgeschnitten. Manchmal sieht der Forstwirt erst dann, ob die Fichte schön genug gewachsen ist für einen Christbaum. Wobei er die nicht ganz so schönen Exemplare trotzdem mit aus dem Wald nimmt, die gibt es dann eben billiger: "Eine Seite steht ja meistens eh an der Wand."

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Etwa die Hälfte der Christbäume, die Litzlbeck an den vier Adventswochenenden auf dem Weihnachtsmarkt beim Forsthaus Hubertus verkauft, sind Fichten aus dem Ebersberger Forst. Den Rest muss auch er zukaufen: Viele Leute haben lieber eine Tanne, die gibt es im Forst kaum. Litzlbeck bekommt sie von einer Plantage im Landkreis Wasserburg.

Plantagenbäume werden oft mit Pestiziden behandelt

Dabei erinnert sich der Forstwirt noch gut an die Zeiten, als nur Fichten für Christbäume verwendet wurden. 1500 Stück seien dafür jedes Jahr aus dem Forst geholt worden. Jetzt sind es eher ein paar Hundert. Die großen Händler im Landkreis verkaufen ausschließlich Plantagenware. Auf den Farmen werden die Bäume häufig mit Pestiziden behandelt, etwa um Milben fernzuhalten. Der Biobauer Lenz in Zorneding wirbt daher mit speziellen Weihnachtsbäumen aus ökologischem Anbau - die kommen allerdings aus dem Sauerland. Und die Eglhartinger Gärtnerei Urgibl war nach eigenen Angaben der erste Betrieb im Landkreis Ebersberg, der eigene Christbäume produziert, ohne diese gegen Schädlinge zu spritzen.

"Gut, dann hamma's", sagt Litzlbeck, streift sich den Handschuh an der mit bunten Flicken ausgebesserten Arbeitshose ab und hebt den letzten Christbaum des Tages hoch. Beim Rückweg zum Auto scheucht er einen Hasen auf, der schnell durchs Unterholz davonhüpft. "Schau, ein Weihnachtshase", sagt er, sein Atem hinterlässt eine weiße Wolke in der kalten Dezemberluft des Ebersberger Forsts.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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