Der Landkreis macht mobil gegen Extremismus:Ebersberg sendet ein starkes Signal gegen rechts

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Mindestens 600 Menschen marschieren durch die Altstadtpassage zum Marienplatz, um dort gegen Extremismus und für Demokratie zu demonstrieren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine Allianz, in der auch sogenannte Querdenker, Corona-Leugner und Rechtsradikale Platz finden, protestiert in Ebersberg gegen Windkraft im Forst. Doch die Gegendemonstranten, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen, sind mindestens sechsmal so viele.

Von Anja Blum, Ebersberg

Hundert zu sechshundert. So in etwa sah laut Polizei das Verhältnis der beiden Demonstrationen aus, die am Samstagmittag in Ebersberg stattgefunden haben. Rund hundert Menschen waren gekommen, um gegen Windkraft im Ebersberger Forst zu protestieren, etwa sechshundert stellten sich dieser Kundgebung entgegen. Laut dem Ebersberger Bündnis „Bunt statt braun“ nämlich handelt es sich dabei um eine Allianz, in der auch sogenannte Querdenker, Corona-Leugner und Rechtsradikale Platz finden. Deswegen hatte ein breites Netzwerk dazu aufgerufen, ein Signal zu setzen gegen jede Form des Extremismus und für die Demokratie.

Die Polizei zeigte mit rund 60 Einsatzkräften deutlich Präsenz in der Kreisstadt und wachte vor allem über die Einhaltung einer etwa 220 Meter breiten Pufferzone zwischen beiden Versammlungen auf dem Marienplatz. Und so blieb es – trotz aller gegenseitiger Abneigung der Demonstranten – zumindest äußerlich friedlich.

Rund 60 Polizeieinsatzkräfte trennen die beiden Veranstaltungen am Marienplatz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In den Reden aber ging es deutlich zur Sache. Auf der Seite von Bunt statt Braun hieß es, von den rechten Kräften würden inzwischen Begriffe wie „Heimatschutz“ umgedeutet – „aber das lassen wir nicht zu!“. Die AfD verbreite Hass, Hetze und „Abschiebetickets in Briefkästen von Geflüchteten“, dem müsse man sich entgegenstellen. Es gelte, die Demokratie jeden Tag zu leben und zu schützen, denn sie gehe einher mit Vielfalt, Respekt sowie Zusammenhalt – und ermögliche es, im Dialog gemeinsam neue Lösungen zu finden.

Die Redner auf der Gegenseite aber reklamierten die Demokratie ebenfalls für sich: Man wolle endlich gehört werden, habe es satt, zensiert zu werden. Am Mikrofon: ein Mann, der im Juni 2024 erstinstanzlich wegen Holocaustleugnung verurteilt worden war, und ein bekannter Windkraftgegner. Im Zwiegespräch wurde geschimpft über die Politik – die Schelte reichte vom bayerischen Aiwanger bis zum „Kinderbuchautor“ auf Bundesebene – und über die Medien. „Die Presse redet über uns, aber nie mit uns.“

Auch diejenigen, die offiziell unter dem Label "Windkraftgegner" auftreten, laufen durch die Stadt. Mit Holzkreuzen tragen sie verschiedene Tier- und Pflanzenarten symbolisch zu Grabe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Außerdem beteuerten die beiden Wortführer, untermalt von unheilvollem Trommeln, dass es ihnen mitnichten um rechtsradikales Gedankengut gehe, sondern allein um den Schutz des Waldes vor Windkraftanlagen. „Freiheitlich-liberal zu denken, ist nicht böse.“ Man fröne auch nicht der AfD – „aber die finden uns halt gut“. Nur die zahlreichen Demonstranten auf der anderen Seite des Platzes hätten offenbar die Zusammenhänge der verfehlten deutschen Energiepolitik nicht verstanden – „oder sie wurden alle gekauft“.

Sichtbar in Erscheinung traten an diesem Samstag auf dieser Seite des Marienplatzes „Gegenwind Altötting“, laut Selbstbeschreibung eine Gruppe besorgter Bürger, die Windindustrie im Wald verhindern möchten. Außerdem die „Freie Linke“, die geeint wird durch „die Ablehnung der demokratiefeindlichen Maßnahmen, die zum vorgeblichen Schutz vor dem Corona-Virus ergriffen wurden“. Auch Vertreter der AfD ergriffen das Wort und empfahlen sich als „Partei für die Natur“.

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Die Kundgebung auf der anderen Seite sollte – wegen des Wahlkampfs – ausdrücklich keine parteipolitische, sondern eine von vielen Initiativen getragene Veranstaltung sein. Zu den Unterstützern gehörten viele Bündnisse aus dem Ebersberger Landkreis, die sich für Vielfalt und Toleranz einsetzen, aber auch Institutionen wie der DGB, der Bund Naturschutz, der Kreisjugendring, christliche Vereine und eben doch auch verschiedene Parteien, von CSU bis zur Linken. Die einzige Politikerin aber, die ans Mikrofon treten durfte, war Lakhena Leng als Vertreterin des Gastgebers, der Stadt Ebersberg. „Wir sind viele“, rief sie, und dass es wichtig sei, „sich zu informieren, zu wählen und sich stark zu machen für alle Menschen. Wir haben keine Angst. Wir hassen nicht, wir lieben.“

Am Landratsamt beginnt die Demokratie-Demo, Lakhena Leng vertritt als Rednerin die Stadt Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass demokratisches Engagement im Landkreis Ebersberg durchaus Wirkung zeige, sagte Marthe Balzer, Sprecherin von Bunt statt braun, und erinnerte daran, dass es hier gelungen sei, die AfD bei der Landtagswahl unter zehn Prozent zu halten – damit sei man einer von nur vier Landkreisen mit einem solchen Ergebnis in Bayern gewesen.

Sepp Biesenberger, Chef des Bund Naturschutz im Landkreis, beleuchtet die umstrittenen Pläne für Windkraft im Ebersberger Forst – und endet mit einem positiven Fazit: Die maximal fünf Anlagen seien schlicht notwendig, um schlimmeres Übel zu verhindern. Die Betriebsrätin eines großen deutschen Unternehmens wiederum sagte, dass das Land Vielfalt und Zuwanderung brauche. „Unsere Gesellschaft und Wirtschaft würden sonst zugrunde gehen.“ Und eine Vertreterin des DGB warnte mit Blick auf die AfD vor Wölfen im Schafspelz. „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“

Was sie von Hass und Hetze halten, machen viele Menschen mit selbst gestalteten Plakaten deutlich. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gedanken wie diese drücken auch die vielen selbst gemalten Plakate der Demonstrierenden aus. Ein Mädchen teilte fröhlich mit: „Bunt, ja bunt sind alle meine Freunde“. Eine Jugendliche riet: „AfD? Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Oma und Opa“. Ein Mann erklärte: „Es ist 5 vor 33“, und eine Frau forderte „Menschenrechte statt rechte Menschen“.

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