Alter Bahndamm bei Glonn:Genug geschützt?

Lesezeit: 4 Min.

Im Frühjahr 2018 haben die Mitglieder des Ebersberger Kreistags selbst den alten Bahndamm zwischen Glonn und Moosach mit ihren Fahrrädern erkundet. Seither steht immer wieder zur Diskussion, diesen für den Radverkehr auszubauen. (Foto: Norbert Neugebauer/oh)

Vertreter von CSU und FDP im Ebersberger Kreistag stellen den Schutzstatus des alten Bahndamms zwischen Glonn und Moosach als Biotop infrage. Sie würden die 1994 veranlasste Verordnung gerne ändern – oder sogar ganz aufheben. So nämlich könnte dort doch noch eine Fahrradstrecke entstehen.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wer früher von Moosach nach Glonn fahren wollte, hatte mehr Reisemöglichkeiten zur Auswahl, als das heute der Fall ist: Bis 1971 nämlich verkehrte auch die Eisenbahn zwischen den beiden Gemeinden. Heute zeugt davon nur noch der Bahndamm, über den die Züge einst von Grafing aus in den Landkreissüden und zurück gerollt sind. Die Gleise sind längst abgebaut und die Natur erobert sich den Wall seit Jahren immer mehr zurück, 1994 wurde das Gebiet deshalb unter besonderen Schutz gestellt. Dass dieser Status noch zeitgemäß ist, bezweifeln nun aber mehrere Vertreter von CSU und FDP im Ebersberger Kreistag: Sie fordern eine Änderung oder sogar eine komplette Aufhebung der Schutzverordnung.

Hintergrund ist eine Debatte, die in den Gremien des Landkreises schon seit mehreren Jahren geführt wird: Soll der ehemalige Bahndamm als Radweg freigegeben werden? Zwar nutzen viele Radler die Trasse zwischen Glonn und Moosach bereits, offiziell als Route ausgewiesen ist diese allerdings nicht – was am besonderen Schutzstatus des Gebiets liegt. Dieser verbietet größere Eingriffe in die dortige Fauna und Flora, die jedoch für einen Radweg notwendig wären. Möglich wäre der Ausbau erst dann, wenn die 1994 erlassene Verordnung abgeändert oder ganz gekippt werden würde, so wie es nun einige Lokalpolitiker fordern.

Die Antragsteller bezweifeln, dass der Schutzzweck des Bahndamms heute noch erfüllt wird

Konkret haben der Glonner Bürgermeister und CSU-Kreisrat Josef Oswald, dessen Fraktionskollege Martin Wagner sowie Alexander Müller (FDP) einen entsprechenden Antrag in den Kreis-Umweltausschuss eingebracht. In diesem bezweifeln die drei, dass die in der Verordnung genannten Schutzzwecke noch erfüllt werden. Darin heißt es etwa, der Bahndamm solle als „kulturhistorische und besonders landschaftsprägende Kleinstruktur des Urtel- und Dobelbachtales“ erhalten bleiben. Zudem sei das Areal ein Refugium für trockenheitsliebende und zum Teil bestandsgefährdete Tier- und Pflanzenarten. Die „sukzessive Entwicklung des durch menschliche Eingriffe geschaffenen Kleinbiotops“ sei deshalb zu gewährleisten, zu erforschen und zu dokumentieren.

Diese ursprünglichen Schutzzwecke hätten sich in den vergangenen 30 Jahren jedoch deutlich geändert. Nicht nur sei die Tier- und Pflanzenwelt heute eine andere, auch der Bahndamm an sich sei durch seinen Bewuchs im Landschaftsbild schlechter wahrnehmbar, schreiben die Antragsteller. Und weiter: „Wir sehen keine positive sukzessive Entwicklung des ehemaligen Kleinbiotops.“ Auch die im Zuge der Schutzverordnung angedachten Forschungen und Dokumentationen hätten den Antragstellern zufolge nicht stattgefunden. „Viele der Punkte in der Satzung sind aus unserer Sicht heute nicht mehr gegeben“, sagte deshalb nun Alexander Müller, als er das Schreiben in der jüngsten Sitzung des Kreis-Umweltausschusses vorstellte.

Verkehr im Landkreis Ebersberg
:Fast freie Fahrt

Der bayernweite Pilotversuch einer außerörtlichen Fahrradstraße zwischen Moosach und Glonn nimmt eine wichtige Hürde: Das Straßenbauamt stimmt einem Tausch von Kreis- und Staatsstraße zu. In trockenen Tüchern ist das Projekt damit aber noch nicht.

Von Andreas Junkmann

Darin zeigen die Antragsteller zwei Möglichkeiten auf, wie es mit dem Schutz des alten Bahndamms weitergehen könnte. Zum einen sei zu prüfen, ob man die Verordnung nicht komplett aufheben könnte. Sei das nicht möglich, könne das Gebiet durch gewisse Eingriffe zumindest so weit hergerichtet werden, um diesem „mehr Bedeutung zu geben und die Schutzzwecke besser zu erreichen“. Als Beispiele genannt wird etwa das Freischneiden der Dammkrone, das Entfernen von Grasbewuchs oder die Aufbereitung des Untergrunds zur Fahrradnutzung.

„Völliges Unverständnis“ rief dieses Gesuch wenig überraschend bei der Fraktion der Grünen im Kreistag hervor. Wie Niklas Fent sagte, richte sich der Antrag gegen jegliche Naturschutzbestrebungen. Dieser führe „Naturschutz ad absurdum“. Auch wenn sich die Tier- und Pflanzenwelt dort über die Jahre verändert habe, sei der Bahndamm nach wie vor ein schützenswertes Biotop. Er jedenfalls könne nicht verstehen, warum man dieses Fass nun wieder öffne, nachdem sich der Kreistag bereits darauf verständigt hatte, die Ausweisung einer Fahrradstraße zwischen Glonn und Moosach zu prüfen. Eine Aufhebung der Verordnung „kommt gar nicht infrage“, pflichtete ihm auch Manfred Schmidt (AfD) bei, der darauf verwies, dass eine offizielle Fahrradnutzung im kompletten Kontrast zum Schutz der dort lebenden Reptilien stünde. Auch Bianka Poschenrieder (SPD) plädierte dafür, den Bahndamm so zu erhalten, wie er aktuell ist.

Unterstützung bekamen die Kreisräte auch von Frank Burkhart, dem Leiter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt. Der stellte zwar klar, dass eine Änderung der Schutzverordnung nicht in der Zuständigkeit seiner Abteilung liege, sondern bei der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern. Er selbst sehe die Bestrebungen aber ebenfalls kritisch: „Die Verordnung dient dem Naturschutz. Eine Änderung dient nicht dem Naturschutz“, sagte Burkhart. Eine komplette Aufhebung des Schutzstatus sei ohnehin unrealistisch, und auch für eine Anpassung seien die Hürden sehr hoch, wie ihm selbst in Gesprächen mit der übergeordneten Behörde mitgeteilt worden sei. „Der Bereich ist insgesamt schutzwürdig“, sagte Burkhart mit Verweis auf die dort lebenden Tiere und die gewachsenen Waldstrukturen.

Der Landrat hält die 1994 erlassene Schutzverordnung für einen „historischen Fehler“

Nicht ganz so eng sieht Landrat Robert Niedergesäß (CSU) die Sache, der sich in der Vergangenheit immer wieder dafür starkgemacht hat, pragmatische Lösungen für den Radverkehr auf dem alten Bahndamm zu finden. „Da geht die Welt nicht unter, wenn da ein paar Radfahrer drüberfahren“, sagte er nun auch im Umweltausschuss. Die 1994 erlassene Schutzverordnung halte er aus heutiger Sicht für einen „historischen Fehler“. Man hätte die Trasse schon unmittelbar nach ihrer Stilllegung in einen Radweg verwandeln sollen, so Niedergesäß. Heute habe sich die Situation natürlich geändert. Er jedenfalls würde sich endlich eine klare Ansage der Regierung von Oberbayern wünschen, damit die Diskussion um den Bahndamm abgeschlossen werden könne.

Eine solche wird der Landkreis wohl demnächst bekommen, denn letztlich sprach sich die Mehrheit des Gremiums dafür aus, eine Änderung oder Abschaffung der Verordnung zumindest prüfen zu lassen. Dass dadurch die Debatte um den Bahndamm beendet wird, könnte allerdings noch längere Zeit ein frommer Wunsch des Landrats bleiben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Museum in Ebersberg
:Message vom Wald

Die vielversprechenden Aufbauten und Exponate der neuen Dauerausstellung im Ebersberger Museum Wald und Umwelt lassen auf einen beeindruckenden Mix aus Information und Interaktion hoffen. Ein erster Rundgang.

SZ PlusVon Michaela Pelz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: