Ebersberg:Das richtige Ding

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Der brasilianische Bassist Paulo Cardoso kann aus dem gesamten musikalischen Erbe seiner Heimat schöpfen. (Foto: privat)

Das "Paulo Cardoso Trio" bereitet bei einem Doppelkonzert den Boden für Ron Carter

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Wenn am Freitag, 16. Oktober, der Bassist Ron Carter, einer der Stars des Jazz-Festivals Ebersberg, in den Alten Speicher kommt, wird wohl nicht nur das Publikum ihn begeistert empfangen. Am selben Abend wird ihm ein weiterer namhafter Bassist den Boden bereiten: der Brasilianer Paul Cardoso mit seinem Trio.

Cardoso, 1953 geboren, kommt aus Sao Paulo, wo er als Bub im Posaunenchor das Tenorhorn blies. Wie Ron Carter lernte er Cello, bevor er zum Kontrabass wechselte. Wie Carter erhielt er Unterricht in klassischer Musik. Andererseits gab es in der Stadt aber auch jede Menge Lokale, in denen es wenig klassisch zuging. Heute sagt Paulo Cardoso: "Es war unglaublich, die Musik war so stark. Die Erfahrungen habe ich mein ganzes Leben mit mir getragen - sie sind meine brasilianischen Wurzeln."

1973 kam er nach Deutschland und studierte Musik in Trossingen. In einem Interview, das er vor zehn Jahren der Journalistin Fabienne Hübener in den "Haidhauser Nachrichten" gab, erinnert er sich an diese Zeit: "Ich bekam ein Stipendium für die Musikhochschule Trossingen in Baden- Württemberg. Das war ein Schock. Ich kam aus einer brasilianischen Großstadt mit über 12 Millionen Einwohnern in ein deutsches Dorf mit 5000 Einwohnern. Es war keine schöne Zeit. Überall gab es Regeln, ich kannte die Sprache nicht, ich hatte eine andere Hautfarbe und wurde angefeindet. Ich habe dort vier Jahre Kontrabass studiert. Ich hatte einen sehr guten Lehrer, Prof. Maßmann."

Drei Jahre später zog er nach München. Dort, so Cardoso, sei ihm klar geworden, dass er kein klassischer Musiker werden wollte. Einer von vielen im Orchester zu sein, so Cardoso, passe nicht zu seiner Persönlichkeitsstruktur. Im Jazz sei, im Gegensatz zur klassischen Orchestermusik, Individualität gefragt. "Die Improvisation gibt dir die Freiheit, spontan deine Gefühle auszudrücken. Gerade diese Unmittelbarkeit ist mir wichtig." Cardoso fand sie im Jazzclub "domicile", hörte dort Art Blakey. Da war es um ihn geschehen. Beinahe täglich spielte er in Clubs und bei Sessions, erarbeitete sich ein Repertoire, half aus bei der legendären Allotria Jazz Band.

1985 traf er Art Farmer. 13 Jahre lang, bis zu dessen Tod, war Cardoso Bassist in Farmers Quintett. Heute ist er Professor für Kontrabass und Ensemble am Jazz-Institut der Musikhochschule in München. Seine Mitmusiker, mit denen er in Ebersberg sein neues Projekt "The Right Stuff" präsentieren wird, sind Drummer Mauro Martins sowie Pianist Simon Seidl. "The Right Stuff", das kann man mit "das richtige Ding" übersetzen. Paulo Cardoso sagt auf seiner Facebook-Seite Folgendes dazu: "Offen für alles, was mich musikalisch berührt und ohne jegliche Angst, stilistische Grenzen zu überschreiten."

Jazz-Autor Markus A. Woelfle nennt Cardoso einen der charaktervollsten Jazzbassisten der europäischen Szene. Cardoso sei einer jener Brasilianer, denen die ganze Vielfalt des rhythmischen und folkloristischen Erbes seiner riesigen Heimat zu Gebote steht.

Das Doppelkonzert mit dem Paulo Cardoso Trio findet am Freitag, 16. Oktober, 19 Uhr, im Alten Speicher in Ebersberg statt. Top act des Abends ist der Bassist Ron Carter mit seiner Formation Foursight und dem Programm "Dear Miles". Carter war Bassist des legendären Miles Davis Quintets. Wer dann noch kann, hat die Gelegenheit, sich um 22 Uhr im Alten Kino Biboul Darouiche's "Soleil Bantu" anzuhören. Im Café Zimtblüte beginnt zur selben Zeit eine Jam-Session mit dem Pianisten Paul Kirby aus Schottland, Drummer Kim Minchan aus Korea und dem Kirchseeoner Bassisten Martin Zenker. Tickets und Infos gibt es unter ebe-jazz15.de, telefonisch unter der Nummer (08092) 255 92 05.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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