Süddeutsche Zeitung

Ebersberger Statistik:Die Kriminalität verlagert sich ins Digitale

Die Zahl der Straftaten im Landkreis Ebersberg ist im vergangen Jahr insgesamt gesunken. Nicht aber beim Tatort Internet.

Von Nathalie Stenger, Ebersberg/Poing

Die Zahl der Straftaten im Landkreis Ebersberg war im Jahr 2020 geringer als im Vorjahr. Das zeigt die kürzlich veröffentlichte Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, zu dem auch die Polizeiinspektionen Ebersberg und Poing gehören. Während sich die Kriminalität immer weiter ins Internet verlagert, gab es - anders als vorab vermutet - nicht mehr Fälle häuslicher Gewalt im Coronajahr als im Jahr zuvor.

Nachdem Anfang vergangener Woche die Kriminalstatistiken bayernweit verkündet wurden - insgesamt ist die Zahl der Straftaten, ausländerrechtliche Verstöße ausgenommen, im Freistaat um 1,5 Prozent auf 594 243 Fälle zurückgegangen - wurden auch die offiziellen Zahlen des Präsidiums Oberbayern Nord bekannt. Dieser Bereich, der sich bis nach Eichstätt erstreckt und auch die Inspektionen Ebersberg und Poing umfasst, kann ebenfalls einen Rückgang der Delikte im vergangenen Jahr verzeichnen.

So wurden im gesamten Gebiet Oberbayern Nord 60 235 Straftaten statistisch erfasst, nicht einberechnet sind Verkehrs- und Staatsschutzdelikte. Das entspricht einem Rückgang zum Vorjahr um 1,8 Prozent, also minus 1092 Fälle. Die Belastung der Bevölkerung mit Straftaten, so heißt es in der Mitteilung des Präsidiums, liege 2020 bei 3818 Straftaten pro 100 000 Einwohner und sei somit die zweitniedrigste in Bayern.

Der Landkreis Ebersberg selbst verzeichnete 4370 Delikte im vergangenen Jahr und eine Aufklärungsquote von 63,1 Prozent. Auf 100 000 Einwohner macht das umgerechnet 3017 Delikte, die Veränderung zum Vorjahr beträgt minus 0,7 Prozent. Neben dem Kreis Ebersberg erfassten auch die Stadt Ingolstadt sowie die Landkreise Pfaffenhofen, Eichstätt, Freising ohne Flughafen und Neuburg-Schrobenhausen aus dem Präsidiumsbereich einen Rückgang von Straftaten.

"Das ist ein Thema, das immer mehr wird"

Auffallend ist ein solcher auch im Bereich München Flughafen. Dort sank die Zahl der Delikte um ein Drittel, was sich nach Angaben des Präsidiums mit dem generellen Corona-bedingten Rückgang des Flughafenbetriebs erklären lasse. In den restlichen fünf Landkreisen im Gebiet des Präsidiums Oberbayern Nord stieg die Anzahl der Straftaten pro 100 000 Einwohner.

Besonders die Zahlen der "Sonstigen Strafbestände gemäß StGB", dazu gehören zum Beispiel Graffiti-Sachbeschädigungen, stiegen im PP Oberbayern Nord im vergangenen Jahr. Aber auch die meisten anderen Entwicklungen spiegeln sich in den Berichten der Ebersberger und Poinger Inspektionen wider. So sei man "in etwa ohne Ausreißer analog mit dem Präsidium", sagt der stellvertretende Ebersberger Polizeichef Andreas Petermeier auf Nachfrage der SZ.

Im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Ebersberg habe es 2020 weniger Diebstähle und Vermögensdelikte gegeben, die Zahl der Rohheitsdelikte sei gleichgeblieben. Auch in Sachen Internetkriminalität bestätigt Petermeier die für Oberbayern Nord beschriebene Entwicklung: mehr Internetdelikte generell, und vor allem mehr Internetbetrug. "Das ist ein Thema, das immer mehr wird", so Petermeier. Das Internet werde mehr genutzt, es werde mehr online gekauft. Seit Jahren gebe es hier mehr Fälle, bei der Steigerung der Delikte könne man sich also nicht nur auf Corona stützen.

Das sieht auch der Poinger Polizeichef Helmut Hintereder so. Kriminalität verlagere sich immer mehr ins Netz, bestätigt er. Schon auf die Pandemie zurückführen könne man allerdings die sinkende Zahl der Wohneinbruchdiebstähle. "Es sind vielfach osteuropäische Tätergruppen, für die eine Einreise bei Grenzkontrollen problematisch ist", so Hintereder, "außerdem gab es bei Ausgangsbeschränkungen und -sperren ein hohes Risiko, nach 21 Uhr kontrolliert zu werden."

In Ebersberg wie Poing gab es wie auch im Präsidiumsbereich Oberbayern Nord im vergangenen Jahr mehr Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, 1258 Straftaten wurden für den gesamten Bereich festgestellt. Keinen Anstieg hingegen gab es im Bereich häusliche Gewalt: 2019 wurden 2179 Fälle polizeilich bekannt, 2020 waren es 16 weniger.

Ausrutscher "sollte es in der Familie, in der Ehe überhaupt nicht geben"

"Es ist statistisch nicht nachweisbar", sagt Hintereder hierzu, "ich könnte mir aber schon vorstellen, dass es in Haushalten, wo man nicht damit gerechnet hätte, aufgrund der Einschränkungen zu Streitereien und Auseinandersetzungen gekommen ist, die aufgrund der Situation aber nicht zur Anzeige gebracht wurden." Dies sei dann kein Dauerdelikt, wie es bei Fällen häuslicher Gewalt häufig sei, so Hintereder weiter. Er wolle es nicht als Ausrutscher bezeichnen, "die sollte es in der Familie, in der Ehe überhaupt nicht geben", so der Polizeichef, aber in der Coronazeit könne das Dunkelfeld der häuslichen Gewalt möglicherweise größer geworden sein.

Ein bedeutender Teil der polizeilichen Arbeit im vergangen Jahr stellte natürlich die Überwachung der Infektionsschutzvorschriften dar. 15 724 Fälle seien 2020 zur Anzeige gekommen, heißt es in der Mitteilung des PP Oberbayern Nord. Ein Drittel aller Delikte wurde im Bereich der Verstöße gegen die Ausgangssperre festgestellt, gefolgt von Fällen verbotener Menschensammlungen und Verstöße gegen die Maskentragepflicht.

"Da haben wir haben auch versucht, das Ganze mit Augenmaß zu betrachten", berichtet Hintereder, nicht jeder Verstoß sei kleinlich angezeigt worden. Oft habe es auch gereicht, noch mal an die Bestimmungen zu erinnern. "Wenn da ein Entgegenkommen vorhanden war und die notwendigen Maßnahmen nicht geleugnet wurden, dann hat man da auch mal ein Auge zugedrückt."

Auch interessant: Oberbayernweit seien die Einsatzzahlen zurückgegangen, berichtet Hintereder, in Poing nicht. Das hänge aber vielleicht auch damit zusammen, dass es im nördlichen Landkreis eine kräftige Steigerung der Einwohnerzahl gebe.

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SZ vom 16.03.2021/koei
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