Seit zehn Tagen heißt es in unserer Kreisklinik erneut: Besuchsverbot - etwas, das Angehörige durchaus erfinderisch macht. So hatte ich eine Patientin, die beamtet werden musste und dementsprechend nicht mehr ansprechbar war. Ein Angehöriger hatte bei uns angerufen und gefragt, ob er ein Tablet vorbeibringen könne - die gesamte Familie hatte Videos aufgenommen, nun war es ihr Wunsch, der Patientin diese Videos regelmäßig vorzuspielen. Natürlich haben wir Ja gesagt. Wann immer wir seitdem zur pflegerischen Versorgung im Zimmer der Patientin waren, haben wir ihr die liebevoll aufgenommenen Videos vorgespielt.
Trotz eines solchen Einfallsreichtums: Ein Besuchsverbot schafft eine Situation, die weder für Patienten noch für Angehörige schön ist - und damit letztlich auch für uns nicht. Vor ein paar Wochen erst habe ich in dieser Kolumne erzählt, wie positiv sich der persönliche Kontakt zu Vertrauenspersonen auf den Genesungsprozess der Patienten auswirkt. Nichtsdestotrotz: Im Moment geht es nicht anders.
Die oberste Prämisse muss immer sein: Die schwächsten Mitglieder in der Gesellschaft schützen - und kranke Menschen in Kliniken gehören da auf jeden Fall dazu. Schutz bedeutet für diesen Personenkreis in Zeiten von Corona leider auch: Das Risiko für eine Infektion so gering wie möglich zu halten - also auch kein Kontakt zu Angehörigen. Im schlimmsten Falle könnte das für einen unserer Patienten den Tod bedeuten. Die Entscheidung der Klinik für ein Besuchsverbot ist deshalb absolut richtig.
Es gibt ein paar Ausnahmen von der aktuellen Besuchsregel, wie auch bei den letzten beiden Malen, als die Klinik sich zu diesem Schritt entscheiden musste. Besuch empfangen dürfen demnach Patienten, die sich in einer palliativen Situation befinden oder im Sterben liegen, sowie Frauen zur Geburt von einer festen Besuchsperson - aber auch dann nur unter Einhaltung der 3-G-Regel, also geimpft, genesen oder getestet. Die meisten der Patienten fallen aber nicht in diese Gruppe. Angehörige können sich trotzdem sicher sein, dass die Patienten wo immer es möglich ist einen Gesprächspartner haben: uns Pflegekräfte. Und auch für Angehörige gibt es Möglichkeiten, ohne körperliche Anwesenheit Kontakt zu halten.
Da wäre zum Beispiel ein Anruf bei uns auf der Station. Wir Pflegekräfte dürfen zwar keine medizinische Auskunft geben, das obliegt der Ärzteschaft. Aber wie es dem Patienten geht, ob er gut geschlafen oder gut gegessen hat, das können auch wir mitteilen. Mittlerweile haben wir auf der Intensiv Unterstützung von Pflegekräften aus der Normalstation - dadurch ist wieder Zeit, um an unser Telefon zu gehen. Einige unserer Patienten können auch selbst telefonieren, wenn es dann ab und an ein Videoanruf ist, sind sie schon gleich ganz anders drauf. Außerdem ist es möglich, an der Krankenhauspforte etwas abzugeben: Bilder, Karten, Briefe, Glücksbringer - alles, was den Patienten an seine Lieben erinnert. Das kann auch ein Tablet mit Familienvideos sein.
Julia Rettenberger ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 28-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf_Station .