Hospizarbeit:Stark für Schwerstkranke, Sterbende und Trauernde

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Herkömmliche Gräber werden immer unbeliebter. Das treibt die Preise auf den Friedhöfen in die Höhe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit bereits 26 Jahren unterstützt der Christophorus Hospizverein in Ebersberg Menschen und deren Angehörige auf ihrem letzten Weg. Das wird nun gefeiert.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

"Also, ich könnte das nicht." Diesen Satz hören die Ehrenamtlichen des Christophorus Hospiz Vereins Ebersberg häufig. Dass sie "es" können, also gemeinsam mit Schwerstkranken und Sterbenden sowie deren Angehörigen eine unglaublich herausfordernde Phase aushalten, verdanken die Hospizbegleiter unter anderem Maria Sommer. Gemeinsam mit einer Gruppe von Gleichgesinnten gründete die jetzige Vorsitzende im Februar 1997 den Verein.

Den Grundstock dafür gelegt hatte im Jahr zuvor eine ökumenische Woche mit Veranstaltungen zu "Tod - Sterben - Trauer". Im Anschluss daran stellte eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürger fest, dass ein entsprechendes Angebot im Landkreis Ebersberg fehlte. Also beschlossen sie, Abhilfe zu schaffen - wie es zur gleichen Zeit auch im Umkreis passierte, in München, Erding, Kirchheim und Rosenheim etwa.

Maria Sommer im neuen Domizil: Auch wenn längst noch nicht alles fertig ist: Besucher sind bereits jetzt herzlich willkommen in der Ignaz-Perner-Straße 9 in Ebersberg. (Foto: Christian Endt)

"Es war schon dunkel", erinnert sich Sommer, "als sich 80 bis 90 Leute zur Gründungsversammlung im Grafinger Pfarrheim einfanden". Überwiegend habe man sich gekannt - es waren Pfarrer, Ärzte, Pflegepersonal, Menschen aus Nachbarschaftshilfe und Besuchsdiensten dabei, kurzum lauter Menschen, die sich dem Thema nahe fühlten. Vorsitzender wurde der Chefarzt der Gynäkologie, Oskar Bergauer, ihm zur Seite standen Klara Krinner, Pflegedienstleitung der Klinik, und zwei Damen vom Krankenhausbesuchsdienst. Sozialpädagogin Sommer aus Markt Schwaben, die den Gründungsvorstand komplettierte, war seinerzeit noch bei der Caritas beschäftigt.

Niemand, der Hilfe braucht, soll im Regen stehengelassen werden

Heute sagt die quirlige 74-Jährige mit ihrem charakteristischen Lächeln: "Ich bin die Letzte, die übriggeblieben ist." Angetrieben habe sie damals schon das Gleiche wie heute: Die, die andere brauchen, nicht im Regen stehen zu lassen. Jenen, die durch Krankheit oder Alter schwach und abhängig werden, das "Auf-andere-angewiesen-Sein" so angenehm wie möglich zu machen.

Primäres Ziel war zunächst der Aufbau eines ambulanten Dienstes. Praktische Unterstützung kam von Menschen aus dem Landkreis, die schon einschlägige Erfahrung in München gesammelt hatten. Die Glonnerin Bernadette Estendorfer hielt die ersten Grundseminare ab, 1998 gab es den ersten Aufbaukurs. Seitdem wurden vom Verein 125 Personen in hospizlicher Begleitung ausgebildet.

Der heutige Vorstand: Susanne Mahn, Rita-Anna Grampp, Bernhard Hoiß, Doris Priesmeier und Maria Sommer (von links). (Foto: Christian Endt)

Birgit Deppe-Opitz, eine der beiden hauptamtlichen Koordinatorinnen und selbst Kursleiterin, präzisiert, was das bedeutet: "Das Curriculum umfasst mehr als hundert Stunden." Typischerweise werde dafür etwa ein halbes Jahr benötigt, allerdings habe man in Zeiten von Corona einen Jahrgang sehr kompakt durchgeschleust, aus Angst, nochmals ausgebremst zu werden wie im ersten Jahr der Pandemie. In der Ausbildung geht es um Themen wie Palliativmedizin, die Arbeit des SAPV-Teams, also der spezialisierten, ambulanten Palliativversorgung, man spricht über Kommunikation am Lebensende, außerdem werden die eigenen Erfahrungen immer wieder reflektiert.

Die Hospizbegleiter stammen aus verschiedensten Berufsgruppen

Wer die 55 Frauen und sieben Männer sind, die in die Familien gehen, in die Altenheime, auf die Palliativstation und in die Hospizinsel, steht in der Mitgliederbroschüre, die sich auf der Internetseite des Hospizvereins herunterladen lässt. Manche sind in ihren Vierzigern, andere bereits über 80. Die meisten Ehrenamtlichen wohnen in Ebersberg, ihre berufliche Herkunft ist höchst unterschiedlich: Viele kommen aus medizinischen und sozialen Bereichen, aber es sind durchaus auch Handwerker, Juristen, Kaufleute und Medienschaffende dabei.

Eine entscheidende Rolle für den Verein spielen neben den Ehrenamtlichen vor allem seine Mitglieder, also Menschen, die die Hospizarbeit so wichtig finden, dass sie den Verein und seine Ideen finanziell unterstützen und in ihrem Umfeld aktiv dafür werben. Sie machen es möglich, dass eine der grundsätzlichen Säulen des Vereins von Anfang an erhalten werden konnte: Die Dienste sind für jeden kostenfrei. Überkonfessionell ist man außerdem. Einzige Voraussetzung ist ein Wohnsitz im Landkreis. Eine Vereinsmitgliedschaft hingegen ist nicht erforderlich.

Hospizbegleiter stehen Schwerstkranken und deren Angehörigen zur Seite. (Foto: Christian Endt)

Wie ein "Wanderzirkus" sei man anfangs durch die Gemeinden getingelt, um die Hospizidee vorzustellen, erzählt Sommer und lacht. Dabei ist das Konzept eigentlich ganz einfach, es orientiert sich am Zitat von Cicely Saunders, Gründerin der Hospizbewegung: "Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben." Also hören Hospizbegleiter zu, bieten Gesellschaft und Nähe, bleiben, wo andere vielleicht lieber das Weite suchen. Oder anders: Es geht um "Not lindern, Wohlergehen fördern, Leid mit aushalten".

Eingesetzt sind die Ehrenamtlichen im Landkreis Ebersberg vor allem im häuslichen Bereich, "immer noch unser Kerngeschäft", sagt Sommer. Das aber kontinuierlich wächst, weil die Zahl der Begleiter steigt und auch die der Kooperationen mit Heimen und der Kreisklinik. "Wir haben immer unsere Aufgabe darin gesehen, das soziale Netzwerk aufzubauen." Hinter den Kulissen arbeitete man an der Entstehung der Palliativstation mit, kämpfte später dann sieben Jahre lang für die Einführung der SAPV, also des ambulanten Palliativteams. Seit 2012 geht der Verein in Schulen, erzählt Kindern und Jugendlichen von der Tätigkeit rund um den Tod, manchmal verbunden mit Rollenspielen. So werden erfolgreich Berührungsängste abgebaut. 2014 kam der Trauertreff hinzu und der Anschluss ans Netzwerk Trauer mit weiteren Angeboten. 2022 schließlich konnte die Hospizinsel Glonn eröffnen.

Beratung zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ist kostenfrei

Ausführliche Information zu allen Angeboten bietet die Internetseite des Vereins, man darf die beiden hauptamtlichen Einsatzleitungen, Birgit Deppe-Opitz und Christine Schlosser, aber auch gern anrufen. Stark nachgefragt sind etwa die kostenlosen Beratungen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht von Maria Sommer. Etwa 40 Termine macht sie im Jahr, seit Beginn der Pandemie ausschließlich zu Hause, wodurch unkompliziert auch mehrere Personen dabei sein können. "Einmal saß eine Familie zu elft um den Tisch."

Ab sofort kann man dafür aber auch in die Ignaz-Perner-Straße 9 in Ebersberg gehen. "Die Kreisklinik hat uns die ganzen Jahre Obdach geboten, nun aber haben wir eigene Räume, dreimal so groß wie vorher." Vor allem freuen sich Sommer und ihre Kolleginnen über das große Schaufenster: "Jetzt sind wir mitten in Ebersberg, sichtbar und ansprechbar." Neben den Büros gibt es für die Ehrenamtlichen einen großen Gruppenraum. Dort können Supervisionen, Fortbildungen und andere Veranstaltungen stattfinden. Ein bisschen ist Maria Sommer auch gerührt, ob der Tatsache, wie "das Ganze in diesem Vierteljahrhundert gewachsen ist. Dabei waren wir am Anfang ein so kleiner Haufen."

Weil der Verein derart gewachsen ist, wird für die große Jubiläumsfeier am 12. März selbst das neue Domizil nicht ausreichen. Also findet der "Geburtstag 25 + 1" im Alten Kino in Ebersberg statt. Als Filmmatinee. Gezeigt wird "In Liebe lassen" von Emmanuelle Bercot (2022) über eine Mutter und ihren 40-jährigen Sohn, die ganz unterschiedlich mit dessen Krebsdiagnose umgehen. Der Eintritt ist frei, willkommen sind alle, die den Hospizverein bereits kennen oder "die Gelegenheit nutzen wollen, ihn zu erleben und zu sehen, dass man vor diesen Leuten keine Angst haben muss".

Und wie Birgit Deppe-Opitz aus den Kursen weiß, nehmen auch die Sterbebegleiter etwas für das eigene Leben und Wachstum mit. Es gehe also keineswegs um Aufopferung, sondern darum, im Dasein für andere auch selbst ganz viel Wertschätzung zu erfahren und etwas zurückzubekommen. "Vielleicht kommt dann etwas Licht bei uns an", hat eine Frau beim Erstgespräch unlängst zu Christine Schlosser gesagt. So schließt sich der Kreis, denn dieses Licht wärmt auch alle, die sich für den Christophorus Hospizverein Ebersberg engagieren.

Geburtstagsfest des Hospizvereins: Filmmatinee am Sonntag, 12. März, um 11 Uhr im Alten Kino in Ebersberg. Eintritt frei. Anmeldung unter kontakt@hospizverein-ebersberg.de.

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